Analyse zum Krieg in GazaSo hart und so sprachlos
Der Krieg tobt, Gaza ist zweigeteilt – und noch immer hat niemand einen politischen Plan für ein Ende formuliert. Dafür gibt es einen Grund. Er heisst Benjamin Netanyahu.
Nach der Zweiteilung des Gazastreifens haben die israelischen Streitkräfte den Territorien bereits Namen verpasst: Gaza Nord und Gaza Süd. Das ist eine bemerkenswert konkrete Festlegung in einem ansonsten bemerkenswert ziellosen Krieg. Denn das eigentliche Dilemma des israelischen Gegenschlags liegt ja in der Schwammigkeit der Operation. Die Hamas soll vernichtet werden – ein so umfassendes wie unkonkretes Ziel. Wie genau soll das erreicht werden? Wann exakt gilt die Hamas als vernichtet? Und welche Perspektive haben dann die Hunderttausenden, die in diesem Krieg zwischen den Fronten stecken?
Die israelische Seite liefert beklagenswert wenig Ideen, was die Zukunft der Palästinenser in Gaza und in der Westbank angeht. Selbst wenn die Zweiteilung einem schlüssigen militärischen Plan folgt (die Einschnürung und Isolation der Hamas), so muss eine Militärkampagne dieser Dimension immer auch einer politischen Idee gehorchen. Die Vernichtung der Hamas ist aber keine solche, sie ist erst mal nur Beweis von militärischer Überlegenheit – und von Ratlosigkeit.
Ein unberechenbarer Premier
Schon zu Beginn der Kampagne waren die Differenzen zwischen der politischen und der militärischen Führung Israels unübersehbar. Jeder Militärkommandant muss von seinem gewählten Befehlsgeber ein politisches Ausstiegsszenario verlangen, wenn er eine Kampagne dieses Ausmasses beginnt. Die Sprachlosigkeit aus dem Büro des Premiers deutet auf die grösste Gefahr in diesem Krieg: ein sich der Kontrolle entziehender, ein unberechenbarer Benjamin Netanyahu.
Der Premier hat in bemerkenswerter Härte den amerikanischen Druck für mehr humanitäre Milde abtropfen lassen. Er hat anders als die Spitze des Sicherheitsapparats seine persönliche Verantwortung für den Schutzverlust Israels nicht eingestanden. Er ist aufgrund seiner Vorgeschichte nicht in der Lage, politische Konzessionen zugunsten der Palästinenser einzugehen. Netanyahus politisches Kapital war schon vor dem Terrorangriff verbraucht. Wie soll der Krieg das wieder ändern?
Ehe eine amerikanische, eine jordanische oder eine ägyptische Regierung weiter über das Schicksal der Palästinenser verhandelt, gibt es eine Frage zu klären: Was ist die Zukunft des israelischen Premiers? Den Krieg hat die Hamas zu verantworten, Netanyahu den militärischen Gegenschlag. Wer aber verantwortet den Frieden?
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