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Meinung

Kurdenkonflikt in der Türkei
Wenn einer Frieden mit den Kurden schliessen kann, dann Erdogan

Präsident Recep Tayyip Erdogan nimmt an einer Sitzung beim Europäischen Politischen Gemeinschaftsgipfel 2024 in Budapest teil.
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Konflikte, in denen niemand mehr etwas zu gewinnen hat, sollten enden. Ein halbes Jahrhundert ist es her, dass sich die Kurdische Arbeiterpartei gegründet hat, die PKK, die seitdem gegen den türkischen Staat kämpft. Der Staat reagierte darauf mit dem Militär, mit einem massiven Sicherheitsapparat im kurdisch geprägten Südosten, und in den Gefängnissen früher auch mit schlimmster Folter.

Was junge Kurdinnen und Kurden heute zur PKK treibt, dieser Organisation mit ihrem anachronistischen Todeskult, ist die Gewalt, die sie vom Staat erlebt haben. Und jeder PKK-Anschlag und jeder getötete türkische Soldat stärkt in der Türkei die Nationalisten.

Dabei sind beide Seiten weit entfernt von früheren Forderungen. Die Kurden wissen, dass Ankara kein kurdisches Staatsgebilde im Land akzeptieren wird. Sie fordern hauptsächlich Gleichbehandlung: dass sie nicht mehr wegen «Terrorpropaganda» verhaftet werden, dass ihre Bürgermeister nicht mehr wegen angeblicher Verbindungen zur PKK abgesetzt werden.

Beide Seiten haben dazugelernt

Andererseits leugnet in der Türkei kaum noch jemand, dass es eine kurdische Ethnie gibt, früher war dieses Leugnen verbreitet. Die kurdische Sprache ist inzwischen selbst in Gerichtssälen akzeptiert, und in den Städten im Westen der Türkei leben viele Millionen Menschen kurdischer Herkunft. Sie gehören zur Gesellschaft dazu.

Es ist also richtig, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan nun einen neuen Friedensprozess mit den Kurden will, auch wenn ihn eigene Motive treiben dürften: Er braucht neue Mehrheiten, damit er für eine weitere Amtszeit antreten darf. Und auch wenn er, während er von Frieden spricht, die Kurden in Nordsyrien mit Drohnen angreift, die oft auch Zivilisten töten – ohne eine gute Lösung in Syrien wird es auch in der Türkei keine geben. Aber wenn jemand den Frieden schaffen kann, ist es der Präsident, der die meisten türkischen Nationalisten auf seiner Seite hat. Nur er hat das politische Gewicht, um sie dafür zu gewinnen: dass es Zeit ist für ein Ende der Gewalt.

Aus Feinden sollten wieder Gegner werden

Die türkische Politik leidet darunter, dass der Konflikt nie aus den Nachrichten verschwindet. Bis heute kann Erdogan den Fokus der Öffentlichkeit jederzeit auf die Kurdenfrage legen, er muss nur mit einer neuen Operation in Nordsyrien oder im Nordirak drohen, wohin sich die PKK zurückgezogen hat. Krieg ist immer eine Möglichkeit, und von der Hyperinflation im Land und der Verarmung ist dann keine Rede mehr. Die Gewalt ist wie ein Gift: Solange im Parlament nicht nur politische Gegner streiten, sondern Menschen, die im Zweifel verfeindet sind, wird die Demokratie immer in Gefahr sein.

Sollen die sich eines Tages versöhnen, braucht es vor allem Vertrauen, und daran mangelt es. Auch viele Kurdinnen und Kurden, die mit der PKK nichts zu tun haben, sehen in ihr eine Art Sicherheitsgarantie gegen den Staat. Daneben aber haben die türkischen Bürger ein Recht darauf, ohne Terror zu leben, ohne die Dauerbedrohung durch eine bewaffnete Gruppe.

Für einen Frieden müssten alle das Gewaltmonopol des Staates akzeptieren und darauf vertrauen, dass dieser damit verantwortungsvoll umgeht. Damit Konflikte künftig nur im Parlament gelöst werden. Klingt für türkisch-kurdische Verhältnisse sehr optimistisch, ist es auch.