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Rebellen gewinnen Gebiete
Wie Erdogan in Syrien mitmischt – und warum

A truck pulls the head of the toppled statue of late Syrian president Hafez al-Assad through the streets of the captured central-west city of Hama on December 6, 2024. In little over a week, the offensive by rebel forces has seen Syria's second city Aleppo and strategically located Hama fall from President Bashar al-Assad's control for the first time since the civil war began in 2011. (Photo by MUHAMMAD HAJ KADOUR / AFP)
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In Kürze:
  • In Hama fiel eine Assad-Statue nach Rückzug der Regierungstruppen.
  • Syrische Rebellen übernahmen Hama nach Aleppo schneller als erwartet.
  • Assads Regime steht durch Verluste in Homs zunehmend unter Druck.
  • Die Türkei strebe Lösungen für Flüchtlinge und Kurdenkonflikte in Syrien an.

Es sind Bilder, die bleiben werden. Im syrischen Hama stürzten sie am Donnerstagabend die Statue von Hafis al-Assad, dem Vater von Bashar, auch er hatte das Land schon über Jahrzehnte diktatorisch regiert. Genau hier, in Hama, liess er in den Achtzigerjahren bei einem Massaker mehrere Zehntausend Menschen ermorden. In Syrien ist das ein Staatsgeheimnis. Eins, von dem jeder weiss.

Nun, am Donnerstag, hatten sich die Truppen des Regimes aus Hama zurückgezogen, nach Aleppo war es die nächste Grossstadt, die an die Rebellen fiel. Abends dann standen die Menschen an der Assad-Statue, dem Symbol eines Regimes, das Syrien seit einem halben Jahrhundert als eine Art Familieneigentum betrachtet. Und das seit 2011 einen Krieg gegen alle führte, die sich dagegen wehrten. Assad blieb an der Macht, sein Land zahlte dafür den Preis. Auch in Hama, wo sie damals in Massen auf die Strassen gegangen waren.

An diesem Donnerstag nun zeigten Videos, wie die Statue des Vaters nach hinten fällt. Wie die Menschen jubeln, Feuerwerkskörper zünden. Ein paar Stunden vorher noch hatten sie, wie seit 1970, unter der Herrschaft der Assads gelebt. Vorbei.

Dass die syrischen Rebellen, dieses Kriegsbündnis unter Führung der islamistischen Hayat Tahrir al-Sham (abgekürzt HTS), so schnell Aleppo einnahmen, war die erste Überraschung der vergangenen Woche (lesen Sie hier, wer die Rebellen sind). Dass es ihnen sechs Tage später auch mit Hama gelang, können sie wahrscheinlich selbst kaum glauben. Und als es am Freitagnachmittag hiess, dass die Soldaten selbst in Homs auf dem Rückzug sind, der drittgrössten Stadt des Landes, südlich von Hama, war klar, dass Bashar al-Assads Regime in Gefahr ist. In grösserer Gefahr als je zuvor in diesem Krieg.

An image of Syrian President Bashar Assad, riddled with bullets, is seen on the facade of the provincial government office in the aftermath of the opposition's takeover of Hama, Syria, Friday, Dec. 6, 2024. (AP Photo/Omar Albam)

In der Führung in Damaskus dürfte Panik herrschen. Weder Hama noch Homs verlor Assad jemals ganz. Gerade Homs ist bedeutsam für ihn, weil es auf der Route von der Hauptstadt im Süden an die Mittelmeerküste liegt – dem Gebiet der Alawiten, jener Minderheit, zu der Assad gehört. Schon jetzt ist dessen Herrschaftsgebiet nur noch ein Rumpfstaat. Seine Schwäche ermutigt auch andere Gegner, von denen es im Land viele gibt. Zum Beispiel den Islamischen Staat (IS), der in der syrischen Wüste überlebt hat.

Die kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) wiederum nutzen die Gelegenheit, das Regime bei Deir al-Zor im Osten des Landes anzugreifen, auch dort fliehen Assads Truppen offenbar. Anders als in früheren Jahren fallen die Verbündeten des Diktators aus – er kann kaum noch auf Russland zählen, ebenso wenig auf den Iran und die Hizbollah.

Erdogan verfolgt in Syrien zwei Ziele

Das einflussreichste Land in Syrien ist nun die Türkei. Wer diesen Krieg live miterleben will, muss türkisches Fernsehen einschalten: Die Reporter der Erdogan-treuen Sender waren als Erste in Aleppo, am Donnerstag berichteten sie aus Hama. Die Türkei unterstützt HTS zwar nicht offiziell, die von der Gruppe regierte Provinz Idlib an der türkischen Grenze ist aber vom Nachbarland abhängig. Dass es hier, anders als in den Regimegebieten, rund um die Uhr Strom gibt, liegt an der Versorgung aus der Türkei. Ausserdem sind in Idlib türkische Soldaten stationiert.

Recep Tayyip Erdogan hat in Syrien zwei Ziele: Das eine ist, dass syrische Geflüchtete aus der Türkei in ihr Land zurückkehren. Wegen der mehr als drei Millionen Syrerinnen und Syrer in der Türkei steht Erdogan innenpolitisch unter Druck. Das zweite ist, dass Erdogan eine Lösung für den Konflikt mit den Kurden sucht. Er erhofft sich wohl, dass die syrischen Rebellen auch die kurdischen SDF-Verbände zurückdrängen, zumindest in Aleppo ist es am Wochenende schon so geschehen.

Das hat damit zu tun, dass in Syrien neben den Rebellen um die HTS noch eine zweite Gruppe kämpft, die sogenannte Syrian National Army, kurz SNA. Sie ist von der Türkei aufgestellt worden und hört, anders als HTS, unmittelbar auf Befehle aus Ankara. Während sich HTS gegen das Assad-Regime richtet, will die SNA auch gegen die Kurden vorgehen. Und es sind ihre Kämpfer, die die Kurden fürchten, auch frühere IS-Leute sind dabei.

Erdogan spricht von einem «Marsch bis Damaskus»

Gerüchte, wonach die Türkei die Offensive genehmigt habe, weist die türkische Regierung zumindest nicht zurück. Er hoffe, sagte Erdogan am Freitag, dass der «Marsch» der Rebellen «ohne Probleme» verlaufe, und zwar «natürlich bis Damaskus». Man strecke dem syrischen Volk weiterhin «eine helfende Hand» aus. Und die türkischen Medien lassen keinen Zweifel daran, dass die Erfolge der vergangenen Woche auch türkische Erfolge seien.

Erdogan dürfte Assads Schwäche zwar mit Genugtuung verfolgen. Andererseits hat er auch kein Interesse daran, dass Syrien aufs Neue im Chaos versinkt. Der türkische Präsident weiss, was ihm der lange Krieg eingebracht hat: eine Migrationskrise im eigenen Land und einen kurdischen Quasistaat entlang der türkischen Grenze. Er will in seinem Nachbarland wohl vor allem Ruhe. Die Frage ist, ob sich die Rebellen noch an solche Wünsche halten. Ihr Ziel, so sagte es HTS-Anführer Julani in einem CNN-Interview, sei klar: das Ende von Bashar al-Assad.