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Neues EU-Gesetz für Verpackungen
Kommt das Kaffeekapsel-Verbot?

Zu viele landen nach dem Gebrauch im Abfall statt bei der Sammelstelle: Hunderte gebrauchte Kaffeekapseln in der Recyclinganlage für Nespressokapseln der Barec Gruppe in Moudon, Kanton Waadt.
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Nach Röhrli, Rührstäbchen und Take-away-Geschirr aus Plastik will die EU Abfälle weiter eindämmen. Dazu nimmt sie als Nächstes Kaffeekapseln in den Fokus. Sie dürfen nur noch dann verkauft werden, wenn sie vollständig kompostierbar sind. 

Das neue EU-Gesetz für Verpackungen und Verpackungsabfälle verlangt, dass Tee- und Kaffeebeutel kompostierbar sind. Sie sollen zusammen mit dem Inhalt im Bioabfall entsorgt werden können. Kommt das Gesetz durch, wären die Kapseln aus Aluminium und Plastik, die aktuell millionenfach in Haushalten und Büros verwendet werden, nicht mehr zulässig.

Auch wenn die Schweiz die Bestimmungen der EU nicht automatisch übernimmt, würde sich das Verbot hierzulande auswirken. Grosse Firmen wie Nespresso, eine Tochterfirma von Nestlé, oder die Migros mit ihrer Tochterfirma Delica müssten sich beim Export an die neuen Regeln der EU halten. Heisst: ihren Kapselkaffee anders verpacken, falls dies überhaupt möglich ist. Die Kapseln müssten möglichst auch mit der neuen Verpackung in die aktuellen Maschinen passen. Zudem müssen Geschmack und Haltbarkeit garantiert sein. 

In der Herstellung sehr energieintensiv

Es geht für die Kaffeefirmen dabei um viel Geld, grosse Investitionen und Marktanteile, die verloren gehen könnten. Der Branchenverband European Coffee Federation, dem neben Nestlé weitere Branchen-Schwergewichte wie Starbucks, Tchibo oder Lavazza angehören, bekämpft die EU-Pläne. Er argumentiert, dass mit einem Verbot von Alu- und Plastikkapseln aus Umweltsicht wenig gewonnen wäre. Es gebe keinen Beweis, dass kompostierbare Verpackungen in Bezug auf die Umwelt besser abschnitten als Recycling-Lösungen. Zudem fehle in der EU eine funktionierende Bioabfall-Infrastruktur. 

«Alu ist eines der besten Materialien, um Frische und Aroma des Kaffees über einen langen Zeitraum zu bewahren.»

Sprecherin von Nestlé

Nestlé setzt ebenfalls auf Recycling und Wiederverwendung. Auf Anfrage erklärt das Unternehmen, es begrüsse das übergeordnete Ziel der EU, Verpackungsabfälle zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Es stehe im Einklang mit den eigenen Klimaverpflichtungen. Nestlé strebt an, dass bis 2025 über 95 Prozent der Kunststoffverpackungen für das Recycling ausgelegt sind. «Unsere Vision ist, dass keine unserer Verpackungen, einschliesslich Kunststoffen, auf Mülldeponien oder als Abfall endet», so die Nestlé-Sprecherin.

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Da es sich bei dem EU-Papier über Verpackungen und Verpackungsabfälle erst um einen Entwurf für eine neue Verordnung handle, sei es zu früh, die konkreten Auswirkungen zu beurteilen. Auch wenn Aluminium in der Herstellung sehr energieintensiv ist: Der Lebensmittel-Multi würde gerne daran festhalten. Alu ist laut Nestlé «eines der besten Materialien, um die Frische und das Aroma des Kaffees über einen langen Zeitraum zu bewahren», und es habe den Vorteil, dass es unendlich oft recycelt werden könne. 

Das Aluminium wird wieder verkauft, der Kaffeesatz wird zu Kompost, oder man verbrennt ihn zur Gewinnung von Energie.

Tatsächlich kommen mehrere wissenschaftliche Studien zum Schluss, dass Kaffeekapseln weniger umweltschädlich sind als gemeinhin erwartet. Bei der Umweltbilanz von Kaffee sei die Verpackung weniger ausschlaggebend als andere Faktoren wie etwa die möglichst umweltschonende Landwirtschaft beim Kaffeeanbau und die Art der Zubereitung – also etwa wie viel Pulver pro Tasse verwendet wird und wie energieeffizient die Maschine ist (Lesen Sie hier unseren Faktenartikel über die Ökobilanz von Kaffee). Auch die NZZ schrieb Ende Mai, portionierter Kaffee sei besser als sein Ruf. Und in der aktuellen Ausgabe der «SonntagsZeitung» sagt ein Experte, generell sei bei Produkten der Inhalt aus ökologischer Sicht viel relevanter als die Verpackung. «Ein einziges Grillsteak weniger zu essen, bringt etwa gleich viel, wie ein Jahr lang Plastik zu recyceln.»

Papier-Kaffeekapseln für den Kompost

Gleichwohl hat Nestlé reagiert und Ende des letzten Jahres die «heimkompostierbare Kapsel auf Papierbasis» vorgestellt. Die neuartigen Nespresso-Kapseln sind zu 82 Prozent aus Papier – eine Biopolymer-Innenbeschichtung soll den Kaffee vor Oxidation schützen. Diesen Frühling hätten diese Kapseln testweise in der Schweiz und in Frankreich erhältlich sein sollen. Nun aber kommt es anders.

Im November 2022 hat Nespresso in Vevey eine vollständig kompostierbare Kapsel angekündigt. Sie kommt in der Schweiz erst mit Verspätung in die Läden.  

In der Schweiz wurde die Lancierung auf Jahresende verschoben. Der Grund: Die neuen Kapseln dürfen nicht im öffentlichen Kompost entsorgt werden. Laut einer Nestlé-Sprecherin sind «einzelne Gemeinden bei kompostierbaren Kaffeekapseln zurückhaltend». Sie würden befürchten, dass dadurch vermehrt nicht kompostierbare Kapseln in öffentlichen Kompostsystemen landen.

In der Stadt Zürich etwa dürfen die Papierkapseln nicht im Bioabfall entsorgt werden, weil sie «bei der optischen Kontrolle kaum unterschieden werden können von Kapseln aus Plastik oder Aluminium», wie ein Sprecher von Entsorgung + Recycling Zürich sagt. 

In Frankreich dagegen dürfen diese neuen Nespresso-Kapseln in den öffentlichen Kompost. Dort startet der Verkauf noch in diesem Monat.

Folgen für Migros und Co.

Der Westschweizer Nahrungsmittelmulti wirkt weiter darauf hin, dass die Papier-Kaffeekapseln auch in der Schweiz im öffentlichen Bioabfall entsorgt werden können. Doch das ist schwierig, denn es gibt keine einheitlichen Regeln. Die Vorschriften werden von den Gemeinden respektive Städten individuell gemacht.

Bereits einen Schritt weiter ist die Migros. Sie hat im vergangenen Herbst mit grossem Brimborium das kompostierbare System Coffee B lanciert, den verpackungsfreien Portionenkaffee in Kugelform. Ein scheinbar visionärer Schritt, wie man jetzt mit Blick auf das geplante EU-Gesetz vermuten könnte. 

Trotz Coffee B fordert die Migros, dass der Entwurf der EU-Kommission angepasst wird. Denn auch für sie hätte das Gesetz beträchtliche Folgen. Ihre Tochterfirma Delica erwirtschaftet Millionenumsätze mit Kapselkaffee der Marken Delizio und Café Royal und setzt dort als Verpackungsmaterial Polypropylen und Aluminium ein. Die Migros fordert gemeinsam mit den Fachverbänden, dass die EU anstelle von Verboten Massnahmen verlangt, die das Recycling fördern und das verwendete Material im Kreislauf behalten. 

Deshalb hat auch die Migros bereits reagiert und bietet seit kurzem für Nespresso-Maschinen kompostierbare Bio-Kaffeekapseln an, die sich vollständig zersetzen. Drei Jahre Entwicklungszeit seien dafür aufgewendet worden, die Kapseln seien «als solche eine Weltneuheit». 

Zu wenige Kapseln werden rezykliert

Die weitverbreiteten, herkömmlichen Delizio-Kapseln aus Polypropylen landen im normalen Abfall. Für die Alukapseln hingegen gibt es ein Rezykliersystem. Sie können weltweit in 70 Ländern an über 100’000 Sammelstellen zurückgebracht werden.

Eine andere Frage ist, wie viele der vielen Millionen Alukapseln auch tatsächlich dorthin gebracht werden. In der Schweiz, die gemeinhin als Musterschülerin bei der Abfalltrennung gilt, beträgt die Recyclingquote nämlich nur 63 Prozent. Das ist weit weniger als die 75 Prozent, die sich Nespresso und Delica bei der Lancierung der Organisation «Swiss Aluminium Capsule Recycling» vor rund drei Jahren zum Ziel gesetzt haben. 

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Das Aluminium wird wieder verkauft, der Kaffeesatz wird zu Kompost, oder man verbrennt ihn zur Gewinnung von Energie.
So funktioniert das Recycling von Nespresso-Kapseln: Recyclinganlage in Moudon VD.
Die eingesammelten Kapseln werden ein erstes Mal sortiert. Später wird das Aluminium vom Kaffeesatz getrennt. 

Kommt die neue Verordnung durch, gilt das Verbot für Alukapseln 24 Monate nach dem Inkrafttreten. Wann es so weit ist, ist unklar. Die Verordnung wird derzeit im EU-Parlament und im Rat verhandelt.

Mitarbeit: Stephan Israel aus Brüssel