Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Schweizer Sexualstrafrecht
Kommission fordert «Nur Ja ist Ja»-Lösung 

Personen von der Operation Libero demonstrieren in Bern mit einem XXL-Wecker für die «Nur Ja ist Ja-Lösung» im Schweizer Sexualstrafrecht.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

«Nur ein Ja ist ein Ja»: Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats (RK-N) hat sich dafür ausgesprochen, im Sexualstrafrecht die Zustimmungslösung zu verankern. Der Ständerat hatte im Sommer für die «Nein heisst Nein»-Lösung gestimmt.

Der Entscheid in der Nationalratskommission fiel mit 15 zu 10 Stimmen, wie die Parlamentsdienste am Freitag mitteilten. Ein sexueller Übergriff, eine sexuelle Nötigung oder eine Vergewaltigung begeht demnach, wer «ohne die Einwilligung» einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt.

Der Ständerat hatte sich in der Sommersession 2022 für die Ablehnungslösung entschieden, wonach sich strafbar macht, wer solche Handlungen «gegen den Willen» einer Person vornimmt.

Die Nationalratskommission erhoffe sich mit der «Nur Ja heisst Ja»-Lösung, dass sich bei der Aufklärung von Sexualdelikten der Fokus der Strafverfolgungsbehörden vermehrt auf das Verhalten der mutmasslichen Tatperson richten werde und nicht das Verhalten des mutmasslichen Opfers im Zentrum stehe, heisst es in der Mitteilung. Durchgesetzt hat sich in der Kommission eine Mitte-Links-Allianz.

Linke jubelt über einen «Meilenstein»

SP und Grüne reagierten kurz nach Publikation des Entscheids erfreut. Das Bekenntnis der Rechtskommission zu «Nur Ja heisst Ja» sei ein Erfolg für alle Menschen, die seit Jahren für ein zeitgemässes Sexualstrafrecht kämpfen, schrieb die Grüne Partei. Der Schutz der sexuellen Selbstbestimmung würde so endlich im Gesetz verankert.

Die SP-Frauen sprachen von einem «Meilenstein beim Sexualstrafrecht». Die Kommission beweise Haltung, indem sie bei der Vergewaltigungsdefinition die von Fachorganisationen, Gewaltbetroffenen und der feministischen Bewegung geforderte «Nur Ja heisst Ja»-Lösung unterstütze. Aktuell ist eine Petition am Laufen, die bereits über 35'000 Personen und vierzig Organisationen unterschrieben haben.

Auch die Nichtregierungsorganisation Amnesty International Schweiz meldete sich zu Wort: «Sex ohne Zustimmung ist eine Vergewaltigung und soll entsprechend bestraft werden.» In immer zahlreicheren Ländern gelte «Nur Ja heisst Ja» bereits, so in Belgien, Grossbritannien, Luxemburg, Island, Malta, Schweden, Griechenland, Zypern, Dänemark, Slowenien, Irland, Kroatien, Finnland und Spanien.

Gegner und Gegnerinnen sprechen von «Symbolstrafrecht»

Die Minderheit der Kommission warnt gemäss Mitteilung dagegen vor einem «Symbolstrafrecht» und befürchtet, dass sich mit der Zustimmungslösung eine Beweislastumkehr verbindet. Sie schliesst nicht aus, dass die Änderungen im materiellen Strafrecht zu überzogenen Erwartungen bei Opfern von Sexualdelikten führten, denen eine Mitwirkung in einem Strafverfahren nicht erspart werden könne.

Justizministerin Karin Keller-Sutter hat gemäss Kommissionsmitteilung parallel zu den Revisionsarbeiten im materiellen Strafrecht ein Projekt mit den Kantonen initiiert, das darauf abzielt, neben der Klärung der Datenlage auch die Beratung und Begleitung der Opfer von Sexualdelikten weiter zu verbessern.

Unverjährbarkeit ausdehnen

Die Kommission befasste sich auch mit den Sanktionen im Sexualstrafrecht. Sie hat es mit unterschiedlichen Stimmenverhältnissen abgelehnt, bei sämtlichen Sexualdelikten die Geldstrafe zu streichen oder für einzelne Delikte massiv höhere Freiheitsstrafen oder Mindeststrafen vorzusehen. Lediglich beim Tatbestand der Vergewaltigung beantragt sie die Streichung der Geldstrafe.

Keine Zustimmung in der Kommission fand der Beschluss des Ständerats, bei der qualifizierten Form der Vergewaltigung eine Mindeststrafe von «mehr als zwei Jahren» vorzusehen, womit immer auch der bedingte Freiheitsentzug ausgeschlossen würde. Wie im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, beantragt die RK-N für diese Delikte eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr.

Die Kommission hat die Vorlage überdies zum Anlass genommen, dem Rat eine Änderung der Verjährungsfristen zu beantragen. Bereits heute sind Sexualdelikte unverjährbar, wenn sie an Kindern unter zwölf Jahren begangen werden. Knapp beantragt die Kommission dem Rat, diese Altersgrenze auf 16 Jahre zu erhöhen.

Erst später will die Kommission entscheiden, ob im Sexualstrafrecht auch Straftatbestände zu «Revenge Porn» und «Cybergrooming» aufgenommen werden sollen. Die Vorlage wird voraussichtlich in der kommenden Wintersession vom Nationalrat beraten werden können.

SDA/fal