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Kosten für Kinderbetreuung
Kommen jetzt die günstigeren Schweizer Kitaplätze?

Wer zahlt wie viel? Die Kinderbetreuung ist seit Jahrzehnten ein Politikum – jetzt könnte ein grosser Wurf anstehen.
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Eigentlich ist die Sache klar: Kinderbetreuung ist in der Schweiz seit jeher Sache der Kantone und Gemeinden. Trotzdem behandelt der Nationalrat am kommenden Mittwoch eine parlamentarische Initiative, laut der der Bund jährlich knapp 800 Millionen Franken für die Finanzierung von Krippen, Kinderhorten und Tagesschulen ausgeben soll. Damit soll ein seit 20 Jahren laufendes, mit bisher total 430 Millionen deutlich schlankeres Projekt der Anschubfinanzierung durch den Bund ersetzt werden.

Neben kleineren Beiträgen zur Qualitätssteigerung soll das zusätzliche Geld vor allem die Eltern entlasten und die Kosten um 20 Prozent senken. Die gesteigerte finanzielle Attraktivität des Angebots soll insbesondere Müttern einen Anreiz bieten, ihre Pensen zu erhöhen oder überhaupt wieder ins Berufsleben einzusteigen, statt sich um die Kinder zu kümmern.

«Das Verhalten von Kantonen und Gemeinden ist sehr bequem.»

Christian Wasserfallen, Nationalrat FDP

Dass dies dem Zeitgeist entspricht, zeigte die Vernehmlassung zur Vorlage, in der sich eine deutliche Mehrheit der Teilnehmenden zustimmend äusserte. Sehr angetan sind unter anderem die Konferenzen der kantonalen Sozialdirektorinnen und der Erziehungsdirektoren, der Städte- und der Gemeindeverband. In einem gemeinsamen Brief richteten sie sich in den vergangenen Tagen an zahlreiche Parlamentarier: «Wir ersuchen Sie dringend, auf die Vorlage einzutreten und sich für mehrheitsfähige Lösungen zu engagieren.»

Dieses Engagement kommt teilweise schlecht an. «Das Verhalten von Kantonen und Gemeinden ist sehr bequem», sagt der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. «Kaum winkt der Bund mit Geld, sind sie Feuer und Flamme und können sich zurücklehnen. Dabei haben sie sich während Jahrzehnten zu wenig engagiert, obwohl ihnen die Kompetenz dafür zugefallen wäre.»

Kantone verteidigen sich

Christoph Amstad, Vizepräsident der Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren (SODK) und Obwaldner Landammann, wehrt sich gegen diese Kritik. «Der Bund ist gemäss Bundesverfassung in der Mitverantwortung. Schliesslich hat der Bundesrat die Gleichstellung der Geschlechter sowie die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf als eines seiner Legislaturziele festgelegt.»

Die Kantone hätten sich weiter durchaus stark engagiert, sagt der Mitte-Politiker weiter und nennt die Stadt Zürich, die vorletztes Jahr 90 Millionen Franken investiert habe, oder die Waadt, die 345 Millionen aufgewendet habe.

Trotzdem landet die Schweiz in internationalen Rankings bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie jeweils auf den hinteren Rängen. Laut einer Studie des UNO-Kinderhilfswerks Unicef aus dem Jahr 2021 bieten von 41 Industrieländern weltweit nur drei schlechtere Leistungen für Eltern als die Schweiz. Insbesondere in Fragen der Auszeit nach der Geburt und den Kosten sei die Schweiz unattraktiv.

Wie so oft ist auch wissenschaftlich nicht restlos geklärt, ob die politische Massnahme den gewünschten Effekt zeitigen würde: Kinderkrippe im bernischen Moosseedorf.

Wie viel Geld die öffentliche Hand schweizweit in die Kinderbetreuung investiert, ist allerdings eine grosse Unbekannte in dieser Diskussion. Das Bundesamt für Sozialversicherungen schreibt auf Anfrage: «Für eine Statistik des Bundes in diesem Bereich fehlt die Rechtsgrundlage.» Dass sie eine solche schaffen soll, ist ein Nebenaspekt der Vorlage im Parlament.

FDP-Vertreter Wasserfallen geht davon aus, dass es die Vorlage durch den Nationalrat schafft. Während das Anliegen jahrzehntelang unter dem Titel der Gleichberechtigung und Fairness nämlich bloss die Unterstützung von links und Teilen der Mitte erhielt, ist die Unterstützung heute breiter: Der liberale Arbeitgeberverband und mit ihm zahlreiche weitere Bürgerliche halten ein verstärktes Engagement des Bundes für sinnvoll, da es ihnen wirtschaftlich sinnvoll erscheint.

Keller-Sutter will Geld zurückholen

«Wir müssen wieder zurück zu einer gesunden, stabilen Finanzpolitik», zeigte sich Karin Keller-Sutter am Samstag im Interview mit dieser Zeitung allerdings anderer Meinung. «Wir brauchen sie, um für Notfälle gerüstet zu sein.» Die neue FDP-Finanzministerin hat als erste grosse Aufgabe gefasst, das Budget wieder ins Lot zu bringen.

Sollte das Parlament die Vorlage beraten, ist der Regierung wichtig, dass sie so schlank wie möglich daherkommt. Statt um 20 soll die Vorlage die Kosten für die Eltern nur um 10 Prozent senken. Damit würden die Kosten für den Bund auf 360 Millionen Franken sinken.

200 Millionen davon will sich Keller-Sutter von den Kantonen zurückholen, indem sie deren Anteil an der direkten Bundessteuer senkt. Noch lieber wäre es ihr aber, wenn der Nationalrat gar nicht auf die Vorlage einträte.

Zumindest der erste Wunsch der Regierung dürfte in Erfüllung gehen. Es scheint selbst unter Linken Konsens zu geben, dass die Vorlage nur deutlich abgespeckt eine Chance hat, auch im Ständerat eine Mehrheit zu finden.