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Desaströse Lage in Syrien nach Beben
Klirrende Kälte, überfüllte Camps und Cholera-Ausbruch

In Aleppo und anderen Regionen im Nordwesten Syriens: Menschen bringen Erdbebenopfer zum Friedhof.
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Einen schlimmeren Zeitpunkt als diesen hätte es für eine solche Katastrophe nicht geben können. Der Kommentar eines Freiwilligen der Hilfsorganisation Weisshelme zeugt davon, wie verzweifelt die Lage in der syrischen Stadt Aleppo auch zwei Tage nach dem seit Jahrzehnten heftigsten Erdbeben in der Region ist. Schneefälle und nächtliche Temperaturen unter dem Gefrierpunkt reduzieren die Überlebenschancen der zahlreichen unter den Trümmern begrabenen Opfer.

Allein in der Millionenstadt Aleppo sind mindestens 60 Hochhäuser in sich zusammengefallen. Ein Video der auf das Bergen von Verschütteten spezialisierten Weisshelme zeigt, wie ein ganzer Strassenzug in einer Staubwolke verschwindet, als eine Häuserfassade während der Rettungsarbeiten bei einem Nachbeben kollabiert. Neben der Kälte bereiten die teilweise zusammengebrochenen Mobilfunknetze und Telefonleitungen Probleme.

Die auf spiegelglatten Fahrbahnen nur langsam vorankommenden Bergungsspezialisten können meist nur spontan und unkoordiniert helfen. Auch in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten fehlen Bagger, Spürhunde und Expertise für die Bergung von Verschütteten. (Lesen Sie zum Thema auch den Artikel «Schweiz schickt Rettungskräfte in die Türkei».)

Syrien lehnt Hilfe aus Israel ab

In den Rebellenhochburgen Idlib, Afrin und Jindires graben Helfer und Feuerwehrleute meist mit blossen Händen in den Trümmern und horchen nach Stimmen unter den Betonplatten der zusammengefallenen Gebäude. In Aleppo wurden am Montag Regierungssoldaten und Studenten in gemeinsame Suchtrupps eingeteilt. Rettungskräfte, Decken und Nahrungsmittel sollen nun aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, aus Kuwait und Katar auf dem Flughafen von Damaskus eintreffen. Russische Helfer sind nach Angaben von Regierungsmedien bereits im Einsatz. Während das Regime die angebotene Hilfe aus Israel harsch ablehnt, ist die Haltung von Präsident Bashar al-Assad gegenüber westlicher Hilfe angesichts des Ausmasses der Katastrophe noch unklar.

Das syrische Erdbebengebiet ist in verfeindete Machtbereiche aufgeteilt.

«Die Auslöschung ganzer Strassenzüge erinnert mich an die Bombardierung durch Fassbomben während des Krieges», sagt Adel Daghim, der Direktor des grössten Spitals in Idlib. «Nur dass nun in zwei Minuten geschehen ist, was vorher Jahre dauerte. Ohne internationale Hilfe werden Tausende Menschen in den nächsten Wochen verhungern oder erfrieren.»

In der Provinz sind rund 1000 Mitarbeiter des International Rescue Committee (IRC), einer US-Hilfsorganisation, nun bei der Erdbebenhilfe tätig. Sie waren bisher mit der Bekämpfung einer Cholera-Epidemie in den Flüchtlingslagern in der Provinz Idlib beschäftigt. Rund 2,8 Millionen Menschen sind dorthin aus allen Teilen Syriens vor der Regierungsarmee geflohen.

Bilder wie im Krieg: Zerstörte Gebäude in der Altstadt von Aleppo.

Das syrische Erdbebengebiet ist in verfeindete Machtbereiche aufgeteilt. Während im Nordwesten die türkische Armee zusammen mit loyalen Islamistengruppen patrouilliert, haben weiter östlich kurdische Einheiten das Sagen. In den Gefängnissen der kurdischen YPG sitzen mehrere Tausend Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates ein, 20 Extremisten konnten nach dem Erdbeben offenbar fliehen. Weiter im Süden und rund um die Stadt Aleppo bereiten sich Regierungstruppen seit dem vergangenen Jahr auf den Sturm einer Enklave vor, die von radikalen Gruppen kontrolliert wird.

Helferteams fordern Öffnung der Grenzen

«Das Rote Kreuz, der Rote Halbmond, wir syrischen Freiwilligen und die Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen benötigen freien Zugang zu den Spitälern in all diesen Gebieten, um effektive Hilfe bieten zu können», sagte Mayssoun Olabi von der amerikanisch-syrischen Hilfsorganisation Sams am Telefon. Es lägen noch Tausende Familien in den Trümmern zusammengestürzter Häuser, erklärte auch der Arzt Daghim.

Die syrischen Helfer fordern den Einsatz internationaler Rettungsteams und eine Öffnung der geschlossenen türkisch-syrischen Grenzen. Der einzige für Hilfsorganisationen geöffnete Grenzübergang, Bab al-Hawa, wurde bei dem Beben schwer beschädigt.