Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Klimawandel in der Steinzeit
Wie unsere Vorfahren mit Klimakrisen umgingen

ARCHIV - 15.03.2017, Baden-Württemberg, Unteruhldingen-Mühlhofen: Die Nachbildungen von steinzeitlichen Häusern des Pfahlbau-Museums stehen vor Unteruhldingen-Mühlhofen (Baden-Württemberg) im und am Ufer des Bodensees. (Aufnahme mit einer Drohne; zu dpa: «Archäologen unter Wasser: Wenn kulturelle Schätze in der Tiefe warten») Foto: picture alliance / Felix Kästle/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Felix Kästle)

Vor etwas mehr als 4200 Jahren wurde es kalt. Die Temperaturen sanken, Dürren suchten die Menschen heim. Das ungewohnt kühle Klima stürzte Hochkulturen, im Zweistromland ging das Reich von Akkad unter, in Ägypten zerbrach das sogenannte Alte Reich, von dem heute noch die grossen Pyramiden zeugen. Doch auch in Mitteleuropa, wo heute Süd- und Mitteldeutschland, Tschechien und Niederösterreich liegen, kam es zu Verwerfungen. Die damaligen Europäer haben zwar keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen. Doch wie Forscher um den Archäologen Ralph Grossmann von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel nun in der Fachzeitschrift «Plos One» berichten, brachen mit dem Klima die Bevölkerungszahlen ein, steinzeitliche Kulturen verschwanden, soziale Unterschiede verschärften sich. 

In der Region des deutschen Mittelgebirges Harz wurden später erste sogenannte Fürstengräber angelegt, prächtige Grabanlagen, die darauf schliessen lassen, dass es Eliten gab. Und womöglich hatte auch das mit dem raueren Klima zu tun.

Die Wissenschaftler verglichen prähistorische Klimadaten mit zeitlich passend datierten archäologischen Funden. Aus Mineralablagerungen in Höhlen rekonstruierten sie Klimakurven vom vierten bis zum zweiten Jahrtausend vor Christus, also von der späten Jungsteinzeit bis in die frühe Bronzezeit. Dazu werteten sie insgesamt 3426 mit der Radiokarbonmethode datierte Funde von 589 archäologischen Stätten aus, um Veränderungen in der damaligen Bevölkerungsdichte zu ermitteln. Wo einst mehr Menschen lebten, sollte auch mehr datierbares organisches Material übrig geblieben sein als anderswo.

Ihre Ergebnisse seien vorläufig, schreiben die Forscher – denn es gebe mehrere Faktoren, die das Bild verzerren könnten. Mit der Radiokarbonmethode würden zum Beispiel häufiger Funde aus Begräbnisplätzen untersucht und weniger oft Funde aus Siedlungen, erklärt der Erstautor der Studie, Ralph Grossmann. Wenn es weniger Funde gebe, könne das demnach bedeuten, dass es weniger Menschen gab – aber auch, dass die Menschen zum Beispiel mobiler lebten oder sich mehr von ihnen in grösseren Siedlungen zusammenschlossen. Und wie viele archäologische Funde es überhaupt gebe, hänge davon ab, wie viel gegraben werde.

Doch unter diesem Vorbehalt ergibt sich aus den Daten eine starke Korrelation: Die Aufs und Abs des Klimas fallen in stets ähnlicher Weise mit Schwankungen in der Bevölkerungsdichte zusammen. Unter warmen und feuchten Bedingungen, wie sie etwa im späten vierten Jahrtausend vor Christus in Mitteleuropa herrschten, nahm die Bevölkerungszahl zu, zumindest zeugen davon reichlich archäologische Funde; vermutlich waren die Ernten entsprechend auch gut. Wurde es dagegen kälter und trockener, gingen die Populationen zurück. Einen solchen Einbruch gab es zum Beispiel um 3050 vor Christus. Im Alpenvorland im heutigen Süddeutschland wurden damals Siedlungen aufgegeben.

Vor rund 4000 Jahren entstanden die ersten auffällig reich ausgestatteten Gräber

Doch dieser Rückschlag ging vorüber: Nach einigen Jahrzehnten wurde es wieder wärmer, die Bevölkerungsdichte nahm zu, besonders im späten dritten Jahrtausend vor Christus. In der Region am Harz seien aus jener Zeit Spuren von immer grossflächiger betriebener Landwirtschaft zu finden, schreiben die Forscher, sprich: Wälder wurden gerodet, Weiden und Ackerflächen geschaffen. Doch womöglich haben die guten Bedingungen die Menschen anfällig gemacht: Als sich das günstige Klima vor rund 4200 Jahren, um 2250 vor Christus, wieder verschlechterte, gingen die Bevölkerungszahlen deutlich zurück, besonders am Harz und im Alpenvorland. Und während sich die Verhältnisse im Süden nach wenigen Jahrhunderten wieder besserten, ging die Bevölkerungsdichte im heutigen Mitteldeutschland weiter zurück. Von 1950 vor Christus an entstanden dort schliesslich die ersten auffallend reich ausgestatteten Gräber.

Wie die sozialen Verhältnisse im Einzelnen aussahen, sei schwer zu sagen, meint Ralph Grossmann. Handelte es sich bei den Toten in den reichen Gräbern um Anführerinnen oder Anführer, oder spiegelt sich in den Gräbern nur Reichtum? Schriftliche Zeugnisse aus jener Zeit gibt es nicht; auf den Status einer Person weisen nur Indizien hin wie zum Beispiel Grabbeigaben. Soziale Veränderungen in der Vorgeschichte liessen sich auch nicht so detailliert erfassen wie klimatische Schwankungen, sagt Grossmann. Seine These sei aber: In einer ökologischen Krise falle es den bereits Bessergestellten leichter, etwa durch Handel weiterhin an benötigte Ressourcen zu kommen. Menschen mit weniger Möglichkeiten würden von den Veränderungen dagegen empfindlicher getroffen – auf diese Weise könnten Klimaverschlechterungen die soziale Ungleichheit verschärfen.

Dass die Gegensätze zwischen Arm und Reich damals tatsächlich zunahmen, lässt sich in allen untersuchten Regionen beobachten – wenn auch etwa im Alpenvorland nicht so deutlich wie am Harz. Generell wirke die Gesellschaft der nun aufkommenden Bronzezeit stärker sozial geschichtet als die der Jungsteinzeit, sagt Grossmann. Dazu trug auch die neue Arbeitsteilung bei: Menschen spezialisierten sich auf die neu entdeckte Herstellung von Bronze oder auf die Landwirtschaft. Auch Verwandtschaft spielte nun offenbar eine grössere Rolle, darauf liessen zuletzt Erbgutanalysen von bronzezeitlichen Toten aus dem Lechtal schliessen. Demnach wurde sozialer Status bereits damals vererbt.

Ob auch die Bronzeherstellung eine Reaktion auf veränderte Herausforderungen war? «Man muss aufpassen, nicht in einen Klima-Determinismus zu rutschen und alles aufs Klima zurückzuführen», warnt Grossmann. Doch Veränderungen der Umwelt seien oft Auslöser dafür, Dinge anders zu machen.

Auch dafür gibt es Zeugnisse. Um 1600 vor Christus stabilisierte sich die Lage wieder, schreiben Grossmann und seine Kollegen in «Plos One». Besonders gut sei das am Beispiel des Alpenvorlands zu sehen. Die Menschen fingen damals an, neben dem bereits in der Jungsteinzeit verbreiteten Pflanzen wie Emmer oder Einkorn auch vermehrt widerstandsfähigere Getreidesorten wie Dinkel und Hirse anzubauen. Und lernten, mit Klimaschwankungen besser zurechtzukommen.