Social-Media-Trend «Deinfluencing»Kauf dieses Produkt auf keinen Fall!
Beim neusten Antitrend raten Influencer vom Kauf ab, anstatt den Nutzern etwas aufzuschwatzen – das kommt auf Social Media gut an. Doch dahinter steckt auch Kalkül.
Mit Sätzen wie «Das hat mein Leben verändert!» preisen sie Produkte wie Gesichtsmasken oder Kopfhörer an und animieren ihre Follower dazu, diese zu kaufen: Influencer zählen zu den erfolgreichsten Marketing-Waffen auf Social Media. Denn ihre Worte haben eine enorme Macht. Wie eine US-Studie zeigt, verlässt sich fast die Hälfte der Generation Z beim Einkaufen auf den Rat von Influencern. Allein im Jahr 2022 machte die Influencer-Industrie weltweit 15 Milliarden Dollar Umsatz, dieses Jahr sollen es sogar 19 Milliarden werden.
Doch nun bekommen die Influencer Konkurrenz von einer Gegenbewegung: den Deinfluencern. Diese verkörpern genau das Gegenteil dessen, wofür Influencer stehen: Anstatt ihre Follower zu einem Kauf zu überreden, raten Deinfluencer ihnen davon ab. In Videos teilen sie ihre negativen Erfahrungen mit einem gehypten Produkt, meist aus dem Beauty- oder Lifestylebereich. Das Ziel: ihre Follower vor einem Fehlkauf zu bewahren.
«Hier sind all die Dinge, von denen ich abrate, als jemand, der Tausende von Dollar für Gesundheits-, Schönheits- und Haarprodukte ausgibt, es aber liebt, Geld zu sparen», sagt etwa die amerikanische Tiktokerin Alyssa Kromelis. Da wäre unter anderem der Dyson Airwrap, ein Haarstyler, der zeitweise ausverkauft war, nachdem er auf Tiktok viralgegangen war. Kromelis’ Verdikt: Der 500 Franken teure Föhn ist sein Geld nicht wert. Und das beliebte Augenbrauengel vom Label Kosas? «Schrecklich», findet die Tiktokerin. «Ich hasse es.»
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Ihr Anti-Werbevideo kommt mit 5 Millionen Klicks gut an – und auch sonst erhält der Trend auf Tiktok immer mehr Zuspruch. Der Hashtag «#Deinfluencing» hat zurzeit rund 635 Millionen Aufrufe. Aber wieso treffen Deinfluencer gerade einen Nerv?
Influencer haben an Glaubwürdigkeit eingebüsst
Das liegt zum einen daran, dass Influencer in den letzten Jahren stark an Glaubwürdigkeit eingebüsst haben. Es ist kein Geheimnis mehr, dass sie für ihre Empfehlungen viel Geld erhalten, manche sogar Millionen für einen einzigen Werbedeal kassieren. Doch mit dem winkenden Check schwindet bei vielen Influencern auch die Integrität.
Erst kürzlich geriet die Tiktokerin Mikayla Nogueira in einen Shitstorm, nachdem sie Werbung für eine Mascara von L’Oréal gemacht hatte. Weil sie dabei ganz offensichtlich falsche Wimpern trug, warfen ihr ihre Follower irreführende Werbung vor. Das sogenannte Mascara Gate entfachte eine Diskussion über die Authentizität von Influencerinnen – und resultierte im Deinfluencing-Trend.
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Zum anderen werden Deinfluencer dafür gefeiert, ein Zeichen gegen die Konsumkultur zu setzen. Tatsächlich rufen viele Vertreter der Bewegung zu mehr Nachhaltigkeit auf und fordern ihre Follower dazu auf, kritischer über ihr Konsumverhalten nachzudenken, anstatt blindlings jedes gehypte Produkt zu bestellen.
Doch während einige Deinfluencerinnen edle Absichten haben mögen, birgt die Bewegung auch einige Widersprüche. Denn inmitten der Werbeflut auf Social Media ist es auch ein Kalkül, über ein Produkt herzuziehen. Es lässt Influencer aus der Masse herausstechen und auf den ersten Blick authentisch erscheinen.
Deinfluencer machen Vertrauen zu Geld
Dabei machen viele Deinfluencerinnen das gewonnene Vertrauen ihrer Follower gleich wieder zu Geld. So kritisieren sie ein gehyptes Produkt – nur um dann günstigere und bessere Alternativen zu präsentieren. Dazu gehört auch Tiktokerin Alyssa Kromelis, die in dem Clip statt des Dyson Airwrap einen 30-Dollar-Föhn von Amazon empfiehlt. «Welcher Föhn ist das genau?», heisst es mehrfach in den Kommentarspalten. «Hast du mir den Link?»
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Kromelis findet das nicht problematisch. Denn für sie liegt die Daseinsberechtigung des Deinfluencings darin, dass Leute aufgrund der anhaltenden Inflation nicht mehr so viel Geld für Dinge ausgeben wollten. «Es gibt keinen Grund mehr für uns, ein Rouge für 45 Dollar zu kaufen, wenn Eier 8 Dollar pro Dutzend kosten», sagt sie zu Business Insider. Aber auch wenn Kromelis dadurch das Portemonnaie ihrer Follower schonen mag – von einem verminderten Konsum kann kaum die Rede sein.
Müssen Influencer also um ihren Job bangen? Wohl kaum. Da auch Deinfluencer ihre Reichweite vergrössern und monetarisieren wollen, sind sie letztendlich immer noch Influencer, wenn auch im Schafspelz. Oder wie eine Followerin von Kromelis treffend unter einem Video kommentiert: «Herrje, dieser Trend influenct mich nur noch mehr.»
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