Kapselsystem ohne KapselDie «Kaffeerevolution» der Migros kommt nur langsam vom Fleck
Neu sind die kapsellosen Kaffeegeräte von Coffee-B auch im Media-Markt erhältlich. Doch richtig abgehoben hat die Innovation aus der Schweiz noch nicht. Das hat Gründe.
Hauptbahnhof Zürich im zweiten Untergeschoss. In einem sogenannten Pop-up-Store will der Elektronikhändler Media-Markt hier ab Freitag während einiger Monate zeigen, wie er sich die eigene Zukunft vorstellt. Media-Markt hat die Zeichen der Zeit lange verschlafen: Der Online-Shop schwerfällig und wenig intuitiv, die Läden zu gross für das heutige Einkaufsverhalten und ohne wirklichen Mehrwert zum Onlineshopping zu bieten. Der Umsatz in der Schweiz ging markant zurück.
Dies soll nun alles anders werden: mehr Service, mehr Nachhaltigkeit: Reparaturservice für kaputte Geräte, Eintauschprämien für das alte Smartphone, wieder aufbereitete Elektro-Occassionen zum kleineren Preis. Und nächstes Jahr soll auch ein neuer Slogan dazukommen «Ich bin doch nicht blöd», war gestern. Als Partner für den Testshop hat Media-Markt sich Coffee-B ausgesucht. Die Kaffeegeräte sind auch ab sofort im Media-Markt erhältlich. Es seien zwei Sachen, die die Kunden noch besser kennen lernen sollen, wie es heisst. Die nachhaltige Seite von Media-Markt einerseits und die «Kafferevolution» aus dem Hause Migros anderseits.
Migros nennt Zahlen
Vor gut einem Jahr hat die Migros ihre neue Kaffeemaschine ohne Abfall vorgestellt und dabei mit Pathos nicht gespart: «grösste Produktinnovation in der Geschichte der Migros». Der Clou: Die Coffee-B-Kaffeekapsel hat keine Verpackung, die Bälle bestehen aus gepresstem Röstkaffee umgeben von einer Algenschicht und sind ökologisch abbaubar.
Doch schnell gab es erste Kritikpunkte. Die Fehleranfälligkeit der Maschine und vor allem der Geschmack: zu fad, um mit Nespresso mithalten zu können. Wie also läuft das Geschäft wirklich? Die Migros kommuniziert Zahlen nur sehr zurückhaltend.
Auffällig ist aber, dass die Maschine derzeit mancherorts fast gratis zu bekommen ist. Oftmals beträgt der Ausgangspreis nur noch 99.90 statt der ursprünglichen 149 Franken. Bei der Migros-Tochter Melectronics beispielsweise erhält man zudem derzeit noch eine Eintauschprämie von 30 Franken plus nach Registrierung noch von den Kaffeebällen im Wert von 50 Franken.
Coffee-B-Chef Frank Wilde zeigt sich an diesem Tag am Hauptbahnhof Zürich zufrieden. «Auch beim ersten Tesla sind nicht alle gleich aufgesprungen.» Es handle sich um ein neues System, das noch nicht sehr viele kennen würden, und die Schweizerinnen und Schweizer seien eben nicht so innovationsfreudig. Sprich die Maschine soll durch einen, wie er es nennt, attraktiven Preis erst einmal in Umlauf gebracht werden.
Das hat auch mit den Verkaufsflächen zu tun. Die einzelnen Migros-Genossenschaften stellen in ihren Läden Platz für Coffee-B zur Verfügung. Und jeder Platz muss sich durch Frequenz rechnen. «Sonst stellt der einzelne Filialleiter an Weihnachten dort lieber Schoggi auf, weil er damit mehr Umsatz generiert», sagt Wilde. Derzeit ist die Maschine in allen 650 Migros-Filialen erhältlich. Bei den kleineren sollen zukünftig nur noch die Bälle erhältlich sein, bei den grösseren die Präsentationsfläche für die Geräte dafür «optimiert» werden.
«Mehr als jede zehnte verkaufte Maschine war also von uns.»
Zwei Zahlen darf Wilde nennen. Über 200'000 Geräte wurden in den drei Verkaufsmärkten Schweiz, Deutschland und Frankreich seit der Einführung vor rund einem Jahr verkauft. Für die Schweiz würde das ein Anteil von mehr als 11 Prozent aller verkaufter Kaffeegeräte in diesem Zeitraum bedeuten.
«Mehr als jede zehnte verkaufte Maschine war also von uns», so Wilde. Damit sei man über den Erwartungen. Das ist gut, heisst aber wenig. Jeder dritte Haushalt in der Schweiz hat ein mit Nespresso-Kapseln kompatibles Gerät. Der grosse Nachteil von Coffee-B ist dabei, das Konzept funktioniert nur mit dem eigenen Gerät.
Bei Digitec Galaxus nur auf Rang 42
Der potenzielle Kunde muss also bereit sein, sich auch eine neue Kaffeemaschine zu kaufen. Durchschnittlich wechseln Schweizerinnen und Schweizer ihr Kaffeegerät aber nur alle vier bis fünf Jahre. Dem ist sich auch Wilde bewusst. Natürlich wäre es das Einfachste, wenn die Kugeln auch in andere Geräte passen würden, doch dies sei technisch einfach nicht möglich.
Fragt man bei Online-Shops nach, zeigt sich, die Geräte laufen nicht schlecht, aber auch nicht überragend. «Nach einem erfolgreichen Start von Coffee-B letzten September verzeichnen wir Monat für Monat einen stetigen Absatz. Dieser liegt jedoch eher etwas unter den Erwartungen», schreibt beispielsweise Brack.ch. «Bei den Kapselmaschinen belegt der ‹CoffeeB Globe› (Name der Kaffeemaschine) zurzeit nach Umsatz den 42. Verkaufsrang», heisst es bei Digitec Galaxus. Ganz vorne dort: Die Kapselmaschinen von Delizio, De’Longhi und Krups.
Trotzdem ist Wilde zuversichtlich, Nespresso habe 35 Jahre Zeit gehabt, sich den Kundenstamm in der Schweiz aufzubauen, und mehr als 10 Jahre, um profitabel zu werden. «Ich bin überzeugt, uns gelingt dies schneller.» Doch es gibt eine weitere Hürde. Nespresso-Hersteller Nestlé ist ein globales Unternehmen, die Migros nicht. Eine Idee wäre deshalb, die Kaffeekugel zu lizenzieren, sodass sie auch andere Unternehmen herstellen und verkaufen können und sie so schneller in Umlauf bringen.
Darüber werde nachgedacht, sagt Wilde. Spruchreif ist aber nichts, sodass die Migros derzeit weiterhin nur in wenigen Märkten in Europa aktiv ist. An diesem Tag im Hauptbahnhof wird auch eine neue Geschmacksrichtung vorgestellt: Espresso Supremo. Die bisher von der Röstung her, nach Eigenbeschrieb, «ausgewogenste» von Coffee-B. Sie soll fähig sein, wie Wilde es sagt, «auch bis anhin schwer zu überzeugende Kaffee-Trinker zu bekehren».
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