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Freihandel mit Malaysia
Kann die Schweiz den Tod von Wanderarbeitern verhindern?

Arbeiter auf einer Palmölplantage in Malaysia.
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Der geplante Deal lässt auf sich warten: Seit zehn Jahren versucht die Schweiz, mit Malaysia ein Freihandelsabkommen abzuschliessen. In wenigen Wochen nun soll im südostasiatischen Land die nächste Gesprächsrunde stattfinden. Im Departement von Guy Parmelin herrscht Zuversicht, dass das Abkommen zustande kommen wird – wann genau, dazu wagt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) aber keine Prognose. Die Schweiz verhandelt im Verbund mit den drei anderen Efta-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein.

Noch gibt es in wichtigen Punkten keine Einigung. Dazu zählt das Nachhaltigkeitskapitel. Und just in diesem sensiblen Bereich wirft ein neuer Bericht einen Schatten auf die bevorstehende Verhandlungsrunde. Die indonesische Koalition für Arbeitsmigrantinnen und -migranten hat die Zustände in den Ausschaffungszentren im malaysischen Bundesstaat Sabah dokumentiert. Diese seien überfüllt, die hygienischen Zustände katastrophal, die Gesundheitsversorgung sei faktisch inexistent. Die Menschen würden körperlich oder seelisch krank, schlimmstenfalls würden sie an den Folgen sterben.  

149 Todesfälle registriert 

Das Schweizer Hilfswerk Solidar Suisse arbeitet vor Ort mit der Koalition zusammen. Abklärungen haben ergeben: Zwischen März 2021 und April 2022 gab es insgesamt 149 Todesfälle in den Abschiebezentren. In den meisten Fällen handle es sich um indonesische Arbeitsmigranten, die ohne Papiere auf Palmölplantagen in Malaysia gearbeitet hätten.

Malaysia ist für die Schweiz nach der Elfenbeinküste und den Salomonen der drittwichtigste Palmöllieferant. Der Bund ist bereit, im Rahmen des Freihandelsabkommens Zollvergünstigungen für malaysisches Palmöl zu gewähren, sofern es nachhaltig produziert wurde. Vorbild ist das Freihandelsabkommen mit Indonesien, welches das Stimmvolk letztes Jahr – wenn auch nur knapp – gutgeheissen hat. Der Bundesrat anerkennt im Falle von Indonesien vier Label, die gemäss Eigenangaben eine nachhaltige Palmölproduktion garantieren, auch punkto Arbeitsstandards. Das wichtigste darunter ist das Gütesiegel des Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO). Es ist sowohl in Indonesien als auch in Malaysia das wichtigste auf dem Markt.  

«Das Gütesiegel RSPO schafft es nicht, die Probleme der Palmölindustrie zu lösen.»

Christian Eckerlein, Solidar Suisse

Nun aber soll ein Teil der interviewten Frauen und Männer, die in Abschiebehaft landeten, just auf Plantagen von grossen RSPO-zertifizierten malaysischen Palmölunternehmen gearbeitet haben, etwa bei Sime Darby, Felda oder IOI. So schildert es Solidar Suisse.

Christian Eckerlein, beim Hilfswerk Kampagnenverantwortlicher Asien, resümiert, RSPO sei auf dem Papier zwar gut, die Umsetzung jedoch mangelhaft. «Der Fall Sabah zeigt, dass es RSPO nicht schafft, die grundlegenden Probleme der Palmölindustrie zu lösen.» Es lasse sich deshalb auch nicht ausschliessen, dass Palmöl, das unter menschenrechtswidrigen Bedingungen hergestellt werde, in Produkte von Schweizer Unternehmen gelange. 

Die malaysische Palmölindustrie ist bekanntlich stark von Arbeitsmigranten aus Indonesien abhängig. Sie stelle aber absichtlich zu wenig Bewilligungen aus, sagt Eckerlein. Das treibe Hunderttausende von Menschen in die Illegalität und setze sie dem Risiko aus, in den Ausschaffungszentren zu landen. Solange sich an dieser Situation nichts ändere, dürfe es keine Tarifvergünstigungen für malaysisches Palmöl geben, fordert das Hilfswerk.  

«Wir suchen ständig nach Möglichkeiten, unsere Systeme zur Überwachung der Plantagen zu verbessern.»

Kimasha Williams, Roundtable on Sustainable Palm Oil 

Bei RSPO zeigt man sich über die Vorwürfe erstaunt. «Uns liegen keine Hinweise vor, dass einer der in den Haftanstalten inhaftierten Wanderarbeiter auf Plantagen von RSPO-Mitgliedern gearbeitet hat», schreibt Mitarbeiterin Kimasha Williams.

Sie betont, der Schutz der Menschenrechte sei in den RSPO-Standards fest verankert. Und sie unterstreicht den Willen von RSPO, diesen Schutz bestmöglich zu gewährleisten: «Wir suchen ständig nach Möglichkeiten, unsere Systeme zur Überwachung der Mitgliedsplantagen hinsichtlich sozialer Kriterien zu verbessern und auszubauen.» Williams fordert Solidar Suisse auf, alle relevanten Informationen zu den Vorwürfen zu übermitteln. Dies ermögliche es, eine Untersuchung einzuleiten.  

Solidar Suisse zeigt sich zwar offen für ein Gespräch mit RSPO. Mehr Wirkung verspricht sich das Hilfswerk aber von einer Intervention beim Bund – die nun erfolgt ist. «Wir haben das Seco aufgefordert, die schwerwiegenden Vorwürfe in den Verhandlungen aufzubringen und zu unterstreichen, dass die Schweiz hier substanzielle Verbesserungen erwartet», sagt Eckerlein. Solidar Suisse ist gemäss eigenen Angaben nicht per se gegen ein Freihandelsabkommen mit Malaysia. Ein Abkommen müsse aber zwingend Sanktionsmechanismen für solche Fälle vorsehen.  

«Es ist wichtig, den internationalen Druck aufrechtzuerhalten.»

Fabian Meienfisch, Staatssekretariat für Wirtschaft 

Das Seco hat Kenntnis vom Bericht über die Ausschaffungszentren, äussert sich dazu jedoch nicht näher. Die Problematik sei im Grundsatz bekannt, sagt Sprecher Fabian Maienfisch. Bereits 2014 hat die Schweiz die malaysische Regierung zu stärkeren Bemühungen aufgefordert, die Situation der Wanderarbeiter zu verbessern. «Es ist wichtig, den internationalen Druck aufrechtzuerhalten», sagt Maienfisch.

Das Seco versichert, es thematisiere im Rahmen der laufenden Verhandlungen auch die Frage der Rechte von Arbeitnehmern, spezifisch auch von Arbeitsmigranten im Palmölsektor. Auch würden die Schweiz und ihre Efta-Partner darauf bestehen, dass Malaysia die internationalen Verpflichtungen, die das Land im Rahmen des Freihandelsabkommens eingehe, einhalten werde. 

Kein Schiedsverfahren geplant

Nur: Selbst wenn sich beide Seiten über noch so scharfe Auflagen einig würden, bliebe die Frage der Umsetzung. Im Freihandelsabkommen mit Indonesien zum Beispiel haben sich beide Seiten dazu verpflichtet, die Rechte der Arbeiter zu respektieren und zu fördern – und diese Verpflichtung auch wirklich umzusetzen. Gibt es jedoch Verstösse oder werden solche vermutet, sieht das Abkommen kein Schiedsverfahren vor – und damit auch keine Sanktionen. Hilfswerke wie Solidar Suisse kritisieren das scharf.  

Das Seco erklärt das fehlende Element damit, dass die Nachhaltigkeitsbestimmungen in Freihandelsabkommen nicht auf durchsetzbaren WTO-Verpflichtungen beruhen – im Gegensatz zu den meisten anderen Bestimmungen wie etwa jener zum Güter- oder Dienstleistungshandel.

Die Schweiz verfolge daher einen «kooperativen Ansatz», das heisst: das Gespräch suchen, Mediationen durchführen, so Seco-Sprecher Maienfisch. «Wir sind überzeugt, dass das bessere Resultate verspricht als ein sanktionsbasierter Ansatz.» Solidar Suisse sieht das anders. Es gebe, sagt Eckerlein, schlicht keine Hinweise dafür, dass dieser Ansatz erfolgversprechender sei.