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Debatte über Waffenlieferungen
Italiens Aussenminister tritt aus Partei Cinque Stelle aus

Italiens Premierminister übt demonstrativ Solidarität mit der Ukraine: Mario Draghi zu Besuch bei Präsident Wolodimir Selenski in Kiew.
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Die Lage ist gravierend, aber ist sie auch ernst? Das alte Bonmot aus der italienischen Politik hatte mal wieder all seine Berechtigung, als sich der Senat der Republik am Dienstag anschickte, Mario Draghi zu empfangen. Bis zuletzt war nicht klar, ob sich seine breite Regierungsmehrheit – sie umfasst von der rechten Lega über die Cinque Stelle bis zu den Postkommunisten beinahe alle Parteien – über Italiens Waffenlieferungen an die Ukrainer einigen kann. Zumindest sollte es so wirken: Nur Stunden vor dem Termin gab es einen Krisengipfel, die Medien schickten Eilmeldungen. Die Tageszeitung La Repubblica zum Beispiel pushte folgende Zeile auf die Handys ihrer Leser: «Waffen für Kiew: Kurzschluss in der Regierung.» Als stehe Draghi kurz vor dem Sturz.

Italiens Premier war vorgeladen, damit er vor seinen internationalen Terminen in Brüssel und Elmau, Europarat und G7, über die Position des Landes referiert. Die ist zwar allen klar, sie steht auch in einem Gesetzesdekret, das von der gesamten Koalition der nationalen Einheit gutgeheissen wurde: Darin steht unter anderem, dass Italien der Ukraine bis zum 31. Dezember Waffen liefern kann, wenn Kiew darum bittet.

Auch die Lega und Forza Italia haben dafür gestimmt, obschon ihre beiden Anführer, Matteo Salvini und Silvio Berlusconi, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seit langem sehr nahestehen: Salvini als Fan, Berlusconi als Freund. Sie sind Putiniani, wie man in Italien zu den Putin-Verstehern sagt, obschon sie das jetzt natürlich nicht mehr so offen bekunden würden.

Auch die Fünf Sterne haben für Draghis Dekret gestimmt, und das war doppelt wichtig: Seit ihrem Wahlsieg 2018 stellen sie die mit Abstand grössten Fraktionen in den Parlamentskammern; in ihren Reihen und unter ihren Wählern gibt es viele Rüstungsgegner und sogenannte Pazifisten. Draghi überzeugte sie mit dem Votum, die Ukrainer sollten selbst entscheiden können, welchen Frieden sie einmal wollten, und dafür müssten sie sich jetzt gegen den Aggressoren verteidigen können.

Die Zerrissenheit aber blieb, sie zieht sich quer durch die arg geschrumpfte Partei, auch durch deren oberste Hierarchiestufe. Und weil die Italiener im kommenden Jahr ein neues Parlament wählen werden, geht es der Führung nicht nur um ihre Position zum Krieg in der Ukraine, über die debattiert werden sollte, sondern bereits um erste Botschaften an die Wählerschaft.

Conte gegen Di Maio – am Ende bleibt nur einer übrig

Zwei Lager haben sich gezofft bei den Sternen, scheinbar unversöhnlich. Eines steht hinter Giuseppe Conte, dem früheren Premier Italiens, seit vergangenem Sommer «Capo politico» der Partei. Er spricht für den orthodoxen Flügel der Cinque Stelle, den Ur-Flügel. Das ist einigermassen kurios, weil der süditalienische Anwalt, vom Naturell her eher ein Christdemokrat, überhaupt erst seit letztem Sommer ein eingeschriebenes Mitglied der Bewegung des Komikers Beppe Grillo ist. Conte hat es bisher trotz seiner persönlichen Beliebtheit im Volk nicht geschafft, den Niedergang der Partei zu stoppen: In den Umfragen stehen die Cinque Stelle noch bei etwa 13 Prozent, 20 Prozentpunkte unter dem Wahlergebnis vor vier Jahren. Bei den jüngsten Gemeindewahlen sind sie völlig eingebrochen. Conte braucht dringend eine Trendwende, wie auch immer.

Können es nicht besonders gut miteinander: Giuseppe Conte (links) bei der Stabsübergabe an seinen Nachfolger Mario Draghi. 

Ausgerechnet in dieser Phase stellt sich sein Amtsvorgänger und einstiger Förderer Luigi Di Maio quer. Italiens Aussenminister, ein «Grillino» der ersten Stunde und mittlerweile «Draghiano», hat Conte ziemlich unverblümt vorgeworfen, dass er die Partei in den Boden fahre. Er sagte auch, Conte verwirre die Wähler mit seiner halbherzigen Unterstützung der europäischen, transatlantischen Linie zum Krieg in der Ukraine. Nach der Attacke stand die Partei kurz davor, Di Maio rauszuwerfen, beliess es dann aber bei einer Ermahnung. Der junge Di Maio trat am Dienstagabend schliesslich selbst aus, er will eine neue Partei namens «Insieme per il futuro» (Gemeinsam für die Zukunft) gründen, die sich dann einmal einem ebenfalls neuen Lager im Zentrum anschliessen würde.

«Heute verlassen ich und viele andere Kollegen die Fünf-Sterne-Bewegung. Wir verlassen das, was morgen nicht mehr die erste Kraft im Parlament sein wird»

Di Maio am späten Dienstagabend in Rom.

Im Showdown zwischen Conte und Di Maio schwingen auch persönliche Animositäten mit, und das ist selten ein bekömmlicher Mix in der Politik. In Italien hiess es deshalb, am Ende werde nur einer von beiden übrig bleiben. Auch mit Draghi kann es Conte nicht so gut. Doch der amtierende Premier blieb bisher immer recht gelassen, wenn sein Vorgänger versuchte, ihn zu bremsen. Denn vorzeitige Wahlen scheinen auch die unzufriedenen Cinque Stelle nicht zu wollen – nicht jetzt, nicht in dieser Verfassung.

Im Vorfeld von Draghis Auftritt im Parlament hatte Conte zuerst gefordert, dass Italien die Waffenlieferungen an die Ukraine einstelle, dann, dass wenigstens über neuerliche Waffenlieferungen abgestimmt würde. Beide Forderungen gab er bald auf, weil ihm niemand folgte. Geblieben ist eine Resolution, in der die Regierung aufgefordert wird, in Zukunft das Parlament in dieser Sache mehr einzubeziehen. Damit können alle leben. Und Italien bleibt auf Kurs.