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Krieg im Nahen Osten
Die geschwächte Hizbollah zeigt sich kompromissbereit

A man flashes a portrait of slain Hezbollah chief Hassan Nasrallah in front of the rubble of a building at the site of an Israeli airstrike in Beirut's southern suburbs, on November 12, 2024, amid the ongoing war between Israel and Hezbollah. (Photo by AFP)
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In Kürze:
  • Die israelische Armee rückt im Südlibanon weiter vor.
  • Ein US-Entwurf für eine 60-tägige Waffenruhe wird diskutiert.
  • Israels Premierminister hofft, 60’000 Vertriebene wieder heimzuführen.
  • Massive Baumassnahmen in Gaza deuten auf eine langfristige Besatzung hin.

Noch sieht es nicht nach Frieden aus, im Gegenteil: In Beirut schlagen israelische Raketen ein, im Südlibanon rücken israelische Bodentruppen weiter vor, und in Israel selbst künden die Sirenen von libanesischem Beschuss bis hin nach Tel Aviv. Der Krieg wird noch mit aller Kraft geführt – doch zugleich verdichten sich die Hinweise, dass Israel und die libanesische Hizbollah auf einen Waffenstillstand zusteuern. Zumindest eine der beiden israelischen Fronten könnte damit beruhigt werden. Doch für die andere Front im Süden, für den Krieg um Gaza, würde ein Ende der Kämpfe im Norden wohl nichts Gutes bedeuten.

Seit dem 7. Oktober 2023 besteht – zumindest aus Sicht von Israels Feinden – eine direkte Verbindung zwischen den beiden Fronten. Einen Tag nach dem Terrorüberfall der Hamas begann die Hizbollah aus «Solidarität» mit den Palästinensern mit ihrem Raketenfeuer auf Israel. Rund 60’000 Israelis aus dem Grenzgebiet mussten deshalb in Sicherheit gebracht werden und warten bis heute auf ihre Rückkehr. Nun scheint die Zeit dafür näher zu rücken.

US-Entwurf schlägt 60-tägige Waffenruhe vor

Die Hoffnungen auf einen Waffenstillstand bekamen am Dienstag neue Nahrung durch die Ankunft des amerikanischen Sondergesandten Amos Hochstein in Beirut. Er traf dort mit dem Parlamentspräsidenten Nabih Berri zusammen, der als Verbündeter der Hizbollah gilt. Ein Berater Berris hatte zuvor der Nachrichtenagentur Reuters gesteckt, dass die libanesische Regierung sowie die Hizbollah einem US-Vorschlag für eine Feuerpause «mit einigen Anmerkungen» zugestimmt hätten. Hochstein erklärte, es gebe jetzt «eine wirkliche Gelegenheit, diesen Konflikt zu einem Ende zu bringen».

epaselect epa11714682 Mourners attend a funeral of 20 people, who were killed in an Israeli strike on the town of Deir Qanoun Ras Al Ain, in the southern port city of Tyre, Lebanon, 11 November 2024. According to the Lebanese Ministry of Health, more than 3,180 people have been killed and over 14,000 others injured in Lebanon since the escalation in hostilities between Israel and Hezbollah.  EPA/STRINGER

Berichten zufolge setzt der US-Entwurf zunächst auf eine 60-tägige Waffenruhe. Im Zentrum einer längerfristigen Lösung steht die schon 2006 nach dem vorigen Libanon-Krieg verabschiedete UNO-Resolution 1701, die aus israelischer Sicht zu einer Vereinbarung «1701 Plus» umgestaltet werden soll. Gemäss der alten Vorgabe soll sich die Hizbollah auf eine 30 Kilometer von der Grenze entfernte Linie hinter dem Litani-Fluss zurückziehen. Dabei will Israel sich aber künftig das Recht vorbehalten, bei Verstössen sofort militärisch einzugreifen.

Die alte Hizbollah-Führungsriege wurde getötet

Israel ist derzeit in einer guten Verhandlungsposition, die Hizbollah dagegen ist durch den Kriegsverlauf arg in der Defensive. Ein Grossteil der alten Führungsriege um Hassan Nasrallah wurde in den vergangenen Wochen bei gezielten Angriffen getötet. Bei der seit Anfang Oktober laufenden Bodenoffensive haben die israelischen Truppen den Armeeberichten zufolge die ersten fünf Kilometer jenseits der Grenze unter Kontrolle gebracht und rücken nun in einer zweiten Phase weiter vor. Israelischen Angaben zufolge wurden zudem bereits 80 Prozent des Waffenarsenals der Hizbollah zerstört. (Lesen Sie dazu auch den Artikel «Naim Qassem befehligt jetzt die mächtigste Miliz des Nahen Ostens – doch seine Kämpfer sind geschwächt».)

Überprüfen lässt sich das nicht, aber die Lage des engsten Verbündeten löst offenkundig auch in Teheran grosse Sorgen aus. Dort will man vermeiden, dass die libanesische Speerspitze im Kampf gegen Israel in diesem Konflikt komplett zerrieben wird. Auch aus dem Iran kommen deshalb Signale in Richtung eines baldigen Waffenstillstands. (Lesen Sie dazu auch den Artikel «So könnte es zwischen dem Iran und den USA unter Donald Trump weitergehen».)

Thick smoke and flames erupt from an Israeli airstrike on Tayouneh, Beirut, Lebanon, Friday, Nov. 15, 2024. (AP Photo/Hassan Ammar)

Israel allerdings könnte aus zwei Gründen versucht sein, eine Lösung noch für eine Weile hinauszuzögern. Zum einen könnten so dem längst geschwächten Feind noch weitere Schläge zugefügt werden. Zum anderen geht der Blick in Richtung USA: Käme ein Waffenstillstand jetzt zustande, würde sich noch die alte Regierung von Präsident Joe Biden mit dem Erfolg brüsten. Zu einem späteren Zeitpunkt, der näher am Washingtoner Machtwechsel am 20. Januar liegt, liesse sich ein Friedensschluss mit der Hizbollah dagegen von Israels Regierung als Morgengabe an den neuen Präsidenten Donald Trump inszenieren.

Die Rechtsextremisten lehnen jeden Kompromiss ab

Grundsätzlich aber bringt ein Ende des Kriegs im Norden auch für Israels Premierminister Benjamin Netanyahu nur Vorteile: Er kann sein Versprechen einlösen, die 60’000 Vertriebenen wieder heimzuführen. Er kann die Armee entlasten, die derzeit unter hohem Einsatz von Reservisten an zwei Fronten kämpfen muss. Und er muss bei einem Libanon-Abkommen keinen Ärger innerhalb der eigenen Koalition fürchten – ganz im Gegensatz zum Krieg um Gaza.

Dort erscheint ein baldiges Ende der blutigen Kämpfe allein deshalb illusorisch, weil jedes dazu geschlossene Abkommen zu einem Bruch der Regierung führen könnte. Die rechtsextremen Kräfte in der Koalition lehnen jeden Kompromiss mit der Hamas zu einem Waffenstillstand und zur Freilassung der israelischen Geiseln kategorisch ab. Netanyahu führt diesen Krieg deshalb auch zum Zweck des eigenen Machterhalts, und er führt ihn ohne Ausstiegsszenario. Als Ziel proklamiert er den «totalen Sieg». Das ist so dehnbar, dass ein Krieg ohne Ende droht – und ein Waffenstillstand im Norden mit der Hizbollah würde dafür langfristig die militärischen Kräfte sichern. (Lesen Sie zum Thema den Artikel «Er wäre gern Premier – und begibt sich trotz allem in den Sumpf».)

Wird der Norden Gazas dauerhaft besetzt?

Beim Blick auf das Kriegsgeschehen in Gaza erhärtet sich zunehmend der Verdacht, dass Israel zumindest im nördlichen Teil des palästinensischen Küstenstreifens eine längere, wenn nicht dauerhafte Besatzung vorbereitet. Seit Anfang Oktober wird dort wieder heftig gekämpft. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, sich in Richtung Süden in Sicherheit zu bringen. Hilfslieferungen wurden dabei so massiv eingeschränkt, dass die UNO und Hilfsorganisationen vor einer Hungersnot und apokalyptischen Zuständen warnen.

Vor allem aber deuten massive Baumassnahmen darauf hin, dass sich die Armee auf eine lange Präsenz dort vorbereitet. Einem detaillierten Bericht der Zeitung «Haaretz» zufolge werden nicht nur systematisch palästinensische Wohngebiete zerstört. Errichtet wird auch militärische Infrastruktur von Strassen über Wasserleitungen bis hin zu Mobilfunkmasten. Bejubelt wird das von radikalen israelischen Siedlern, die längst schon eine Rückkehr nach Gaza propagieren.