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Eskalation in Nahost
Israels Kriege sind teuer – und könnten wirtschaftliche Folgen haben

People sit in a bar overlooking the Mediterranean Sea at the old port of Jaffa, a mixed Jewish-Arab part of Tel Aviv, Israel, Friday, April 26, 2024. (AP Photo/Oded Balilty)
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Israels Kriege gegen die Hamas im Gazastreifen und die Hizbollah im Libanon verursachen hohe Kosten, nicht nur, was den Verlust von Leben und das Leid vieler Menschen betrifft. Sie verschlingen auch viel Geld, und Sorgen über die potenziellen langfristigen Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes wachsen. Ökonomen zufolge könnte Israel zu Steuererhöhungen und schwierigen Entscheidungen zwischen Sozialprogrammen und Militärausgaben gezwungen sein. Hier ein Blick auf die finanziellen Kosten und mögliche Folgen.

Militärische Ausgaben

Die israelische Regierung hat ihre monatlichen Aufwendungen für das Militär drastisch gesteigert. Vor dem Hamas-Angriff auf Südisrael am 7. Oktober 2023, der den Gaza-Krieg auslöste, waren es umgerechnet 1,6 Milliarden Franken, am Ende des vergangenen Jahres etwa 4,1 Milliarden Franken, wie das Stockholmer Institut für Internationale Friedensforschung sagt.

Insgesamt gab die Regierung der Einrichtung zufolge 2023 ungefähr 23,7 Milliarden Franken für das Militär aus und lag damit weltweit auf dem 15. Platz. Die Militärausgaben machten 5,3 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung aus, im Vergleich dazu lag die Rate in den USA bei 3,4 Prozent und in Deutschland bei 1,5 Prozent. Das alles verblasst freilich gemessen an der Ukraine, die 37 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für den Kampf gegen die russischen Invasoren aufwendete.

Wachstum und Arbeitskräfte

Über die Militärausgaben hinaus hat der Krieg in Israel auch viele andere wirtschaftliche Lasten erzeugt. Einberufungen und Verlängerungen des Militärdienstes haben das Angebot an Arbeitskräften eingeschränkt. Sicherheitsbesorgnisse schrecken von Investitionen in neue Unternehmen ab, und Störungen im Flugverkehr haben viele Touristen ferngehalten.

In den ersten drei Monaten nach dem Hamas-Angriff schrumpfte das israelische Bruttoinlandsprodukt um 5,6 Prozent – der schlechteste Wert unter allen 38 Ländern in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Wirtschaft erholte sich teilweise, mit einem Wachstum von 4 Prozent im ersten Quartal dieses Jahres, legte dann jedoch im zweiten Quartal nur um 0,2 Prozent zu.

Im Gazastreifen hat der Krieg die – bereits zuvor schwer leidende – Wirtschaft allerdings noch viel härter getroffen. Dort sind 90 Prozent der Einwohner zu Vertriebenen geworden, und die grosse Mehrheit der Menschen im arbeitsfähigen Alter hat keinen Job. Auch die Wirtschaft im Westjordanland, wo Zehntausende palästinensische Arbeiter nach dem 7. Oktober 2023 ihre Beschäftigung verloren und Razzien sowie Kontrollpunkte des israelischen Militärs die Bewegungsfreiheit eingeschränkt haben, schrumpfte der Weltbank zufolge im ersten Quartal 2024 um 25 Prozent.

Israels Kreditwürdigkeit

Eine der grössten Sorgen ist, dass die Kämpfe ein offenes Ende haben könnten. Damit wächst die Gefahr von Langzeitfolgen für die Wirtschaft. Die US-Ratingagentur Moody’s hat das bereits ins Kalkül gezogen und Israels Kreditwürdigkeit Ende September um 2 Stufen auf Baa1 herabgesetzt. Das gilt Moody’s zufolge immer noch als eine gute bis sehr gute Anleihen-Bonität, aber mit einem mässigen Risiko.

Wirtschaft und Verschuldung

Die israelische Wirtschaft ist nicht vom Zusammenbruch bedroht. Sie ist breitgefächert und hochentwickelt, mit einem kapitalstarken Informationstechnologie-Sektor, der Steuereinkünfte und Verteidigungsausgaben stützt. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig und der TA-35-Börsenindex auf Jahresbasis um 10,5 Prozent gestiegen.

Israel habe den Gaza-Krieg im besten wirtschaftlichen Zustand in Sachen Staatsverschuldung begonnen, sagt Zvi Eckstein vom Aaron Institute for Economic Policy der israelischen Reichman-Universität. Demnach lag sie seinerzeit bei relativ moderaten 60 Prozent des BIP und beträgt nun 62 Prozent – was im Vergleich zu Frankreich mit 111 Prozent immer noch zahm ist mt ist und etwa gleichauf mit Deutschland (63,5 Prozent) liegt.

This overview taken from Jaffa shows beachgoers sunbathing and wading in the Mediterranean sea waters along a beach before high-rise buildings along the waterfront in Israel's central coastal city of Tel Aviv on October 10, 2024. (Photo by AHMAD GHARABLI / AFP)

Das Institut erwartet einen Anstieg der Verschuldung auf 80 Prozent des BIP, vorausgesetzt, dass sich die Kämpfe nicht merklich intensivieren und bis Ende nächsten Jahres eine Art Waffenstillstand oder ein Ende der Kampfhandlungen erreicht wird. Sogar dann wären höhere Verteidigungsausgaben wahrscheinlich, insbesondere, wenn Israel nach dem Krieg eine Militärpräsenz im Gazastreifen aufrecht erhalten würde.

Der Haushalt 2025 geht von einem Defizit von unter 4 Prozent aus, was Finanzminister Bezalel Smotrich zufolge sicherstellt, dass die Schuldenlast stabil bleibt. Aber die Herabstufung der Kreditwürdigkeit wird zu höheren Kreditkosten führen, das heisst, auf die Israelis werden wahrscheinlich Einschnitte bei öffentlichen Dienstleistungen und höhere Steuern zukommen, wie Karnit Flug, früherer Chef der israelischen Zentralbank, sagt. Auch Eckstein meint, dass derartige Schritte nötig wären, um eine Nachkriegserholung zu fördern und für wahrscheinlich weiterhin höhere Verteidigungsausgaben aufzukommen.

Die israelische Regierung hat eine Kommission eingesetzt, die Empfehlungen zur Höhe künftiger Verteidigungsausgaben abgeben und etwaige Auswirkungen auf die Wirtschaft einschätzen soll.

US-Hilfen

Israel hat seit Beginn des Gaza-Krieges und den daraus resultierenden weiteren Eskalationen in Nahost US-Militärhilfen in einem Rekordumfang von mindestens 15,5 Milliarden Franken erhalten, wie aus jüngsten Statistiken des Kriegskosten-Projekts der Brown University hervorgeht. Davor – seit 2019 – waren es jährlich rund 3,3 Milliarden Franken.

Die USA haben Israel zudem in Krisenzeiten nichtmilitärische Unterstützung gewährt, so 2003 in der Form von Kreditgarantien im Umfang von rund 7,8 Milliarden Franken. Sie sind noch nicht völlig ausgeschöpft, und Israel könnte sie theoretisch noch nutzen, um sich günstigere Kredite zu beschaffen.

DPA/oli