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Meinung

Kommentar zum Geiseldeal
Die Hamas setzt auf Tröpfchenfolter

TEL AVIV, ISRAEL - NOVEMBER 18: Families of hostages react during a rally to demand that Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu secures the release of Israeli hostages following a march to Jerusalem by thousands of demonstrators, outside The Museum of Modern Art known as the 'The Hostages and Missing Square' on November 18, 2023, in Tel Aviv, Israel. Families and supporters of the hostages taken by Hamas in its Oct 7 attack commenced a multi-day march from Tel Aviv to Jerusalem, where they demonstrated in front of the Prime Minister's office. According to event organizers over 25,000 participants are marching. On the night of November 17th the families of hostages were notified there will be a meeting with the Israeli war cabinet, changing the timeline of the march. According to Israeli officials, over 240 hostages are being held by Hamas in the Gaza Strip. (Photo by Alexi J. Rosenfeld/Getty Images)
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Für jede aus der Hamas-Gefangenschaft befreite Geisel wäre die Freiheit und Unversehrtheit ein gewaltiges Geschenk. Ihre Familien und Freunde würden die vielleicht grösste Erleichterung ihres Lebens verspüren. Und dennoch ist selbst diese Kriegsepisode – sollte die Freilassung denn tatsächlich zustande kommen – Teil eines perfiden Plans, der am Ende lediglich auf das terroristische Kalkül einzahlt, das seit 7. Oktober weltweit mit Zins und Zinseszins seinen Gewinn für die Hamas abwirft. (Alle News zu den Geiseln im Ticker)

Die Hamas lässt ja nicht die etwa 240 Verschleppten ziehen, sondern nur einen Bruchteil der Gruppe. Sie teilt mit, dass sie nicht über alle Geiseln verfügen kann, weil andere Organisationen wie der IS ebenfalls im Geiselgeschäft aktiv seien und sie keine Verfügungsgewalt über den IS habe. Die Hamas spielt also weiter mit der Hoffnung, ohne die Bereitschaft zu zeigen, dass sie diesen Teil des Kriegsplans zu einem Ende bringen will. Nicht einmal die internationalen Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz oder der Rote Halbmond erhalten Zugang zu den Gefangenen, wie es das Völkerrecht vorschreibt.

Diese Tröpfchenfolter wird nach der Freilassung der ersten Gruppe ihre Wirkung erst entfalten. Als die Angehörigen der Geiseln im israelischen Kriegskabinett vorstellig wurden, gab man ihnen die Botschaft von der Gleichwertigkeit der Kriegsziele mit: Die Zerschlagung der Hamas ist ebenso wichtig wie die Befreiung der Geiseln. Was aber bedeutet das nach einem ersten Verhandlungserfolg und einer möglichen Freilassung? Müssen nach sechs Kriegswochen die Ziele neu definiert werden? Gibt es Geiseln erster und zweiter Klasse? Wird ihr Schicksal nun nachrangig betrachtet?

Dieser Krieg ist ein nicht enden wollender Terrorüberfall.

Die Geiselvermittlung also hat einerseits Hoffnung genährt, aber auch die Absurdität dieses Krieges offenbart, der in Wahrheit ein nicht enden wollender Terrorüberfall ist. Die Unberechenbarkeit der Hamas wird ja schon allein dadurch dokumentiert, dass sie Babys und Greise sechs Wochen lang in Gefangenschaft hält. Auch die Feuerpause, die im Tausch gegen Geiselleben ausgehandelt würde, verbindet die Hamas ja nicht mit humanitären Zusagen zugunsten der palästinensischen Bevölkerung. Sie wird die Zeit nutzen, um sich zu sammeln und zu sortieren.

In all dem Getöse über Schuld und Mitschuld, Ursache und Wirkung, Angriff, Verteidigung und die Proportionalität der Kriegsführung gibt es eine gewaltige Wahrnehmungslücke: Die Urheberin dieses Gemetzels ist in ihre Tunnel abgetaucht, verschanzt sich hinter den Geiseln, zu denen natürlich auch die Bevölkerung in Gaza und in ihrer besonderen Verwundbarkeit die Verletzten, Siechen und Frühchen in den Krankenhäusern gehören. Die Hamas spielt mit den Opfern auf allen Seiten, weil sie lediglich einem nihilistischen Vernichtungstrieb folgt, in dem die eigenen Toten zu Märtyrern ernannt werden. Das ist das einzige Versprechen, das die Hamas zu geben bereit ist.

In der weltweiten Zuteilung von Gunst und Missgunst kann es deshalb keine Gerechtigkeit geben – und damit auch keinen geordneten politischen Prozess zur Beendigung des Krieges, weil Terror stets absolut ist und nicht verhandelbar. Sicher ist nur, dass eine Freilassung kein wirklich humanitäres Zugeständnis ist in einer Situation, in der noch so viel mehr Verschleppte und Hunderttausende Vertriebene zurückbleiben. So wirkt der Terror der Hamas: Selbst in der Befreiung liegt neuer Schmerz.