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Meinung

Einigung im Nahen Osten?
Die Rettung der Geiseln wird zunehmend unwahrscheinlich

TOPSHOT - Protesters carry placards and chant slogans during a gathering calling for the release of Israelis held hostage by Palestinian militants in Gaza since the October 7 attacks, in Tel Aviv on August 19, 2024, during the visit of the US Secretary of State to the country. (Photo by Jack GUEZ / AFP)
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Am Dienstagmorgen vermeldete die israelische Armee eine «Bergungsaktion»: Sechs Geiseln, die am 7. Oktober von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt worden waren, seien in der Gegend von Khan Younis aufgespürt worden. Gefunden wurden allerdings nur die Leichen der sechs Männer. Die Armee hob dennoch die «präzisen Geheimdiensterkenntnisse» hervor, die zu dieser Aktion geführt hätten.

Premierminister Benjamin Netanyahu lobte umgehend die daran beteiligten Soldaten «für ihr Heldentum und den entschlossenen Einsatz». So wird am Ende fast noch als Erfolg präsentiert, was doch in Wahrheit – neben der Tragödie für die betroffenen Familien – als Beleg für das Versagen der Verantwortlichen dienen kann.

Experten: Hälfte der Geiseln sind schon tot

109 der ursprünglich 251 Entführten werden immer noch im Gazastreifen vermutet. 36 davon sind offiziell schon für tot erklärt worden. Viele Sicherheitsexperten gehen jedoch davon aus, dass sogar die Hälfte der verbliebenen Geiseln nicht mehr am Leben ist. Auch bei fünf der nun aufgefundenen sechs Toten wusste man schon seit längerem, dass sie umgekommen waren. Die Rettung der letzten noch Lebenden ist also ein Wettlauf gegen die Zeit.

US-Aussenminister Antony Blinken, der in diesen Tagen bereits auf seiner neunten Vermittlungsreise seit dem 7. Oktober durch den Nahen Osten tourt, hat das gerade erst in aller Deutlichkeit ausgesprochen: Die aktuellen Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Gaza seien vermutlich die «letzte Chance», Geiseln noch lebend heimzuholen, hatte er am Montagabend in Israel erklärt. Der Leichenfund in Khan Younis am nächsten Morgen hat die Wahrheit seiner Worte auf tragische Weise bestätigt.

Das von den Angehörigen der Geiseln gebildete «Familienforum» nimmt das nun zum Anlass für einen aufrüttelnden Appell: «Die sofortige Freilassung der verbliebenen 109 Geiseln kann nur durch eine Verhandlungslösung erreicht werden», heisst es. «Die israelische Regierung muss mit Unterstützung der Vermittler alles in ihrer Macht Stehende tun, um das derzeit auf dem Tisch liegende Abkommen zum Abschluss zu bringen.» Breite Unterstützung dafür gibt es in der Bevölkerung. In jüngsten Umfragen sprechen sich 63 Prozent der Israelis für ein Geisel-Abkommen aus. Nur 12 Prozent, zumeist aus dem extrem rechten Lager, lehnen das ab. Ob das jedoch tatsächlich Auswirkungen hat auf das Handeln der Regierung, steht infrage.

Blinkens plakative Aussage

Zwar liess Blinken zum Abschluss seiner Gespräche in Tel Aviv und Jerusalem aufhorchen mit dem Satz, dass Israel den von den USA am vorigen Freitag in Doha vorgelegten Vorschlag zur Waffenruhe akzeptiert habe. Nun sei die Gegenseite am Zug. Doch hinter dieser plakativen Aussage steckt, das weiss auch der US-Aussenminister, eine sehr viel kompliziertere Realität.

Zwar hat die Hamas tatsächlich dem aktuellen amerikanischen Vorschlag eine Absage erteilt. Zur Begründung hiess es, dass im Vergleich zu dem schon Ende Mai vorgelegten Ursprungsplan zu viele neue Forderungen der Israelis berücksichtigt worden seien. Immerhin aber lässt die Hamas damit die Tür noch offen für weitere Verhandlungen.

Auf israelischer Seite hat zwar nun auch Netanyahu bestätigt, dass er den aktuellen US-Entwurf unterstützt. Abzulesen ist an diesem Bekenntnis aber wohl vor allem, wie viel Druck die USA gerade ausüben. Erfahrungsgemäss sollte jedoch niemand erwarten, dass Netanyahu nun aufhört, aus Eigeninteresse Sand ins Getriebe zu streuen.

Was planen der Iran und die Hizbollah?

Gewiss nicht einfacher werden die Verhandlungen dadurch, dass es inzwischen nicht mehr nur um eine Lösung für Gaza geht. Hinter alldem steht noch die finstere Aussicht, dass bei einem Scheitern der Verhandlungen der Iran und die libanesische Hizbollah ihre drei Wochen alte Drohung mit massiven Angriffen auf Israel in die Tat umsetzen.

Blinken spürt auch hier den Zeitdruck. Seine erste düstere Prognose wurde durch den Fund der toten Geiseln in Khan Younis schon bestärkt. Nun warnt er, dass auch noch «andere Dinge passieren» könnten und eine Eskalation zum regionalen Krieg verhindert werden müsse. Von Israel aus reiste er weiter nach Kairo. Dort soll eigentlich noch in dieser Woche ein neues Treffen der obersten Verhandlungsführer stattfinden. Der dafür aus Washington angekündigte Durchbruch aber ist noch nicht in Sicht.