Verhandlungen Israel-HamasVermittler sprechen von «letzter Chance» für Waffenruhe in Gaza
Die Gespräche in Doha über eine Feuerpause und die Freilassung der Geiseln sind ein Wettlauf gegen die Zeit, denn der Iran hält an seinen Drohungen fest.
Das nahöstliche Drama steuert auf eine entscheidende Weggabelung zu: Für Donnerstag haben die Vermittler USA, Ägypten und Katar die Kriegsparteien Israel und Hamas zu «finalen Verhandlungen» über einen Waffenstillstand und einen Geisel- und Gefangenenaustausch nach Doha eingeladen. Doch der dazu demonstrativ verbreitete Optimismus wird konterkariert durch die düstere Drohung eines Angriffs auf Israel vom Iran und/oder von dessen libanesischen Verbündeten von der Hizbollah, an dem sich ein regionaler Grosskonflikt entzünden könnte. Auf dem einen Pfad also geht es Richtung Frieden, der andere führt zum Abgrund. Die Spannung könnte kaum grösser sein.
Gelingt den Vermittlern ein Durchbruch in Doha, könnten der Iran und die Hizbollah im besten Fall ihre Racheschwüre uneingelöst lassen, die nach der Tötung des hohen Hizbollah-Kommandanten Fuad Shukr in Beirut und des Hamas-Chefs Ismail Haniya mitten in Teheran vor rund zwei Wochen ausgestossen worden waren. Erfolgt ein Angriff jedoch noch vor dem Treffen oder während der laufenden Verhandlungen, können die Vermittler wohl einpacken.
Berlin, London und Paris appellieren an Teheran
Wenn so viel auf dem Spiel steht, ist es kein Wunder, dass die Diplomatie heiss läuft. Hauptadressat ist die Führung im Iran. Im Hintergrund koordiniert von den Amerikanern, richteten die westlichen Verbündeten ihre Appelle zur Deeskalation an Teheran.
Deutschlands Kanzler Olaf Scholz telefonierte ebenso mit dem als gemässigt geltenden neuen iranischen Präsidenten Masoud Pezeshkian wie der britische Premier Keir Starmer. Gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron forderten die beiden auch noch in einer schriftlichen Erklärung vom Iran und seinen Verbündeten, von Angriffen abzusehen und den Verhandlungen in Doha eine Chance zu geben: «Kein Land und keine Nation hat etwas von einer weiteren Eskalation im Nahen Osten.»
Die Absage aus Teheran liest sich harsch, auf den ersten Blick zumindest. Die Forderung nach einem Verzicht auf Vergeltung wurde vom Aussenministerium Irans als «unerhört, politisch unlogisch und als Widerspruch zu internationalem Recht» verdammt. Schliesslich sieht die Regierung in Teheran den Anschlag auf Haniya als Angriff auf die territoriale Integrität des Iran an.
Iran lässt Hintertür offen, Israel droht
Zugleich jedoch lässt die Antwort noch eine Hintertür offen, indem die drei europäischen Mahner aufgefordert werden, «ein für alle Mal gegen den Krieg in Gaza und die Kriegstreiber in Israel aufzustehen». Auf dieser Linie hatte zuvor schon die iranische UNO-Vertretung signalisiert, dass die Vergeltung mit Augenmass ausfallen könnte. «Unsere Priorität ist ein dauerhafter Waffenstillstand in Gaza», hatte es vorige Woche geheissen. «Jedes Abkommen, das von der Hamas akzeptiert wird, wird auch von uns anerkannt.»
Allzu viel Vertrauen in eine iranische Zurückhaltung erlauben sich jedoch weder die Regierung in Jerusalem noch die in Washington. Seit Beginn dieser Woche verbreiten sie in zunehmender Lautstärke, dass ein «bedeutender Angriff» unmittelbar bevorstehen könnte. Einher geht das mit einer Drohung, die zunächst zur Abschreckung dienen soll, aber unbedingt ernst genommen werden muss. Die Iraner sollen wissen, dass anders noch als Mitte April nun eine Attacke auf Israel mit grosser Wucht beantwortet würde.
Damals hatte es das Mullah-Regime als Vergeltung für einen tödlichen Anschlag auf einen hohen Revolutionsgardisten in Damaskus erstmals gewagt, den Erzfeind Israel direkt anzugreifen. Rund 300 Raketen, Drohnen und Marschflugkörper wurden auf den Weg gebracht, mit Vorwarnung allerdings. Fast alles wurde abgefangen, vor allem auch dank eines von den USA geschmiedeten Schutzschilds, zu dem neben Briten und Franzosen auch einige arabische Staaten beitrugen. Der Schaden blieb gering, und Israel beschränkte sich beim Gegenschlag auf eine eher symbolische Aktion.
USA verstärken militärische Präsenz
Jetzt aber droht Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant mit einer Antwort, «wie es sie in der Vergangenheit nicht gegeben hat». Sein amerikanischer Kollege Lloyd Austin flankiert das mit der Ankündigung, «jeden möglichen Schritt zu unternehmen, um Israel zu verteidigen».
Im Eiltempo haben die USA ihre militärische Präsenz im Nahen Osten deutlich verstärkt und dafür gesorgt, dies auch bekannt zu machen. Gleichsam mit Fanfarenstössen wurde die Entsendung eines mit Atomantrieb ausgestatteten U-Boots vermeldet, das mit bis zu 154 Tomahawk-Marschflugkörpern bestückt ist. Zudem wird als zweiter Flugzeugträger die USS Theodore Roosevelt mit Dutzenden F-15-Kampfjets in den Einsatz in der Region geschickt.
In erster Linie den Iranern, aber auch der Hizbollah und den anderen aus Teheran gesteuerten Milizionären im Jemen, in Syrien und im Irak soll so vor Augen geführt werden, dass sie mit einem Angriff auf Israel weit mehr zu verlieren, als zu gewinnen haben. Nicht nur das Militär, sondern auch die Wirtschaft Irans könnte hart getroffen werden. Auch ein amerikanisch-israelischer Angriff auf die Atomanlagen muss einkalkuliert werden. Das iranische Regime könnte durch einen solchen Krieg ins Wanken geraten.
Grosse Hindernisse für Verhandlungen
Ob das reicht zur Abschreckung, wird sich vermutlich schnell zeigen. Ein erstes Etappenziel wäre schon erreicht, wenn die Gespräche am Donnerstag in Doha planmässig beginnen würden. Doch auch dort wird auf die Vermittler ein hartes Stück Arbeit warten. Denn die hoffnungs- und druckvoll eingeführte Formel von den «finalen Verhandlungen» kann nicht überdecken, dass zwischen den Forderungen und Vorstellungen Israels und der Hamas ein Abkommen betreffend noch tiefe Gräben liegen.
Streitpunkte bleiben Israels militärische Präsenz in Gaza, die Auswahl der für die Geiseln freizulassenden palästinensischen Gefangenen und vor allem die Frage, ob ein Waffenstillstand gleichbedeutend mit einem Kriegsende ist. Zudem sind Zweifel angebracht, ob Hamas-Führer Yahya Sinwar und Israels Premier Benjamin Netanyahu tatsächlich Interesse an einem Abkommen haben. Die Vermittler selbst sehen die Verhandlungen in Doha als «letzte Chance».
Fehler gefunden?Jetzt melden.