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Trend auf Tiktok und Instagram
Lustige Hundevideos boomen, doch oft handelt es sich um Quälerei

A studio portrait of a British late twenties red headed female with her labradoodle dog. Her dog is licking her face and she is laughing.
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In Kürze:
  • Die Hundetrainerin Désirée Scheller zeigt auf Instagram auf, wie gefährlich Missverständnisse im Umgang mit Hunden sind.
  • In Social Media sorgen vermeintlich lustige Videos oft für Tierleid und Missverständnisse.
  • Social-Media-Nutzer können etwas bewirken, indem sie tierschutzwidrige Inhalte nicht fördern.

Ein Junge beisst einem Hund ins Gesicht. Der Weimaraner sitzt mit ausgestreckten Beinen da und zieht die Lefzen hoch. Das Kind lacht und beisst dem Hund in die Brust. Der Hund zeigt die Zähne und berührt den Jungen sanft mit der Schnauze. Die filmenden Erwachsenen deuten das als Spiel und unterlegen das Instagram-Video mit witziger Musik. Alles nur Spass?

Im Video erscheint der Schriftzug: «Bringt euren Kindern den richtigen Umgang mit Hunden bei.»

Nun spricht eine Frau direkt in die Kamera: «Dies ist ein sehr besonnener Hund, der dem Kind freundlich mitteilt, dass er das nicht möchte.» Das Tier hatte bereits am Anfang mit einem Blick zur Kamera signalisiert: «Hilf mir», doch niemand reagierte. Solche Situationen enden nicht selten damit, dass die Hunde zuschnappen. Die Sprecherin in dem Clip ist die deutsche Hundetrainerin Désirée Scheller. Auf ihrem Instagram-Account «Hundewohl» analysiert sie vermeintlich lustige Hundevideos und zeigt falsches Verhalten im Umgang mit den Tieren auf.

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Wer durch ihren Feed scrollt, wird bei vielen Videos erschreckt innehalten: Babys, die grosse Hunde umarmen, Hunde, die eigentlich deutlich zeigen, dass sie keine Nähe wollen, Kinder, die den Tieren an Lefzen oder Ohren ziehen, und Erwachsene, die nicht eingreifen – oft, weil sie es nicht besser wissen oder wissen wollen.

Hunde- und Katzenvideos boomen in den sozialen Medien. Allein der Hashtag #funnydogs zeigt auf Instagram knapp viereinhalb Millionen Beiträge. Accounts wie «Weratedogs» mit 4,1 Millionen und «animalsdoingthings» mit 5,8 Millionen Followern bewerben «lustige» Videos, die Hunderttausende Likes und Millionen Views erzielen und damit Geld verdienen.

Sobald der Algorithmus erkennt, dass jemand solche Videos mag, tauchen sie immer wieder auf. So verbringen die Userinnen und User Stunden damit, Clips anzusehen, die witzig wirken, für die Tiere aber alles andere als amüsant sind: Hunde mit Papphüten vor Geburtstagskuchen, Hunde, die vermeintlich auf Hundewiesen «spielen», aber dabei von Artgenossen schikaniert werden, Hunde, die Wellnessbehandlungen unterzogen oder denen menschliche Gefühle wie Eifersucht oder Scham zugeschrieben werden, obwohl sie meist einfach nur gestresst reagieren.

Den «lächelnden Hund» gibt es nicht

Besonders beliebt dabei ist der «lächelnde» Hund, den es aber in Wirklichkeit nicht gibt. Manche Menschen bringen ihre Tiere sogar absichtlich in gefährliche Situationen, um sie dann «heldenhaft» zu retten und Mitleid zu erwecken.

Désirée Scheller arbeitet seit 2011 als Hundetrainerin und hat auch Bücher über Hundeerziehung geschrieben.
Foto: privat

Geküsst, umarmt oder hochgehoben zu werden, in die Nase gepustet zu bekommen, wie eine Puppe verkleidet zu werden oder virale Challenges zu testen – den meisten Hunden gefällt das nicht. Dass sie es über sich ergehen liessen, heisse nicht, dass sie es mögen, sagt Scheller, die seit 2011 als Hundetrainerin arbeitet. «Es ist wichtig, die subtilen Signale ihrer Kommunikation zu verstehen.»

Das Belecken zum Beispiel könne ganz verschiedene Bedeutungen haben, etwa gegenseitige Körperpflege, Stressabbau oder auch eine Aufforderung an die Besitzerin oder den Besitzer, mit dem Streicheln oder einer in dem Moment für den Hund unangenehmen Geste aufzuhören. Eines ist Abschlecken allerdings nie: ein Kuss. Denn, so sagt Scheller: «Hunde geben nicht einfach nur Küsse.»

Irgendwann wehrt sich der Hund

Scheller beobachtet bei ihrer Arbeit oft, dass Hundebesitzern das Verständnis für die Sprache ihrer Tiere fehlt. «Hunde beschwichtigen bis zu hundertmal, bevor sie sich wehren», sagt sie. Kommt es dann zum Zwischenfall, sind viele entsetzt: «Das hat er ja noch nie gemacht! Er ist gefährlich, wir müssen ihn abgeben.»

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Mehr als 91’000 Menschen folgen mittlerweile Schellers Instagram-Account, und die Kommentare zeigen, dass sie vielen die Augen öffnet. Manche fühlten sich durch sie aber auch provoziert, sagt die 45-Jährige im Telefoninterview.

Neben den zufällig aufgenommenen und sporadisch geteilten Videos von Hundebesitzern gibt es auch die Fotos und Clips sogenannter Petfluencer, Tierbesitzer, die mit den Online-Auftritten ihrer Haustiere Geld verdienen. Laut dem Verband für Heimtiernahrung leben in der Schweiz rund 1,8 Millionen Katzen und mehr als eine halbe Million Hunde.

Die Verantwortung der User

In den USA soll der geschätzte Umsatz der Heimtierindustrie im Jahr 2024 80 Milliarden Dollar übersteigen. Einen Anteil daran haben Accounts wie «Jiffpom» mit mehr als neun Millionen Followern. Sein Marktwert wird auf 25 Millionen Dollar geschätzt, ein einzelner Post soll bis zu 45’000 Dollar einbringen. Der Account zeigt vor allem Bilder des fuchsroten Zwergspitzes in Strickpullovern und Mützen. Solche Accounts gibt es weltweit, zunehmend auch in Asien, wo die Tiere oft stark vermenschlicht und als Kinderersatz dargestellt werden.

Um die Vermarktung von Petfluencern hat sich eine ganze Industrie entwickelt, wobei es auch positive Beispiele gibt. Etwa den Instagram-Account «moodysmelody». Hier wird die Geschichte der Hündin Moody erzählt, die aus einem Tierheim in Griechenland kommt und zum Assistenzhund ausgebildet wurde: Ihre Besitzerin Lisa Garber lebt mit Autismus und posttraumatischen Belastungsstörungen.

«Mit ihrem Account beschreibt Garber ihre besondere Bindung zu ihrer Hündin, den Alltag als Assistenzhündin und thematisiert verantwortungsvolle Auslandsadoptionen», sagt André Karkalis, der die ethischen Standards von Petfluencern bewertet. Dabei geht es etwa darum, dass viele Menschen falsch auf Assistenzhunde reagieren, sie ungefragt anfassen, obwohl diese Hunde im Einsatz für ihren Menschen sind. «Lisa und Moody leisten Aufklärungsarbeit», sagt Karkalis. Er sieht die Verantwortung aber auch bei den Usern: «Social Media sollte nie als 1:1-Anleitung für den Umgang mit Tieren dienen.»

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Ähnlich sieht es auch Hundetrainerin Scheller. In einem ihrer bald 900 Beiträge stellt sie die Frage: «Arbeitest du schon an dir selbst oder noch an deinem Hund?» Das Verständnis für einen Hund fange mit der Bereitschaft an, sich auf dessen Denken und Kommunizieren einzulassen. «Erst muss sich etwas an deinem Verhalten ändern, damit sich auch dein Hund ändern kann», sagt sie am Ende des Beitrags.

Wer über Verhaltensweisen und Kommunikationsformen von Hunden und anderen Tieren Bescheid weiss, der erkennt, dass es sich bei lustig wirkenden Videos oft um Quälerei handelt. Man kann solche Inhalte direkt bei der jeweiligen Social-Media-Plattform melden – und den wichtigsten Hebel in den sozialen Kanälen bedienen: den Beiträgen keine Aufmerksamkeit in Form von Likes und Shares schenken.