Gourmet-Fast-Food Döner Kebab für 25 Franken – und dazu ein Glas Wein
Das Filet der Strasse, wie der Kebab auch genannt wird, gilt als günstige Mahlzeit. Jetzt setzen Imbissbuden auf höhere Qualität.
Mittag im Gourmet-Imbiss Ayverdis in Zürich-Wiedikon. Ein Gong kündigt minütlich eine fertige Bestellung an. Gegen 70 Gäste essen alle das Gleiche: Kebab – im Fladenbrot, aus der Box oder vom Teller. Auf der Karte stehen Spezialitäten mit Raclette- oder Frischkäse und Honig. Oder Döner mit Trüffeln, der 25 Franken kostet.
Von der Wandtapete grinsen die drei Gebrüder Ayverdi, die hier Kebab veredeln. Das fängt beim Schweizer Fleisch an. Ali (37), Hüssein (42) und Murti (46) Ayverdi reagieren mit ihrem Angebot nicht auf eine Nachfrage: «Uns geht es um Werte, wir können nur hinter Schweizer Fleisch stehen.» Und das koste sie pro Kilo doppelt so viel wie etwa Fleisch aus Ungarn oder Brasilien.
Bis 20 Tonnen pro Monat benötigen sie für ihre drei Betriebe. Diese werden in Zusammenarbeit mit einem Zürcher Metzger nach geheimem Ayverdi-Familienrezept produziert. Um die Hygiene zu garantieren, hat ein Ingenieur für den Betrieb eine Maschine gebaut, mit der das Fleisch keimfrei zu einem Dönerspiess verarbeitet wird.
Gyros, Tacos, Pita
Die Erfolgsgeschichte der türkischen Spezialität hat ihre Anfänge in Berlin, wo 1972 der erste Kebab vom Spiess verkauft wurde. Zumindest war das lange die Erklärung. Dann behauptete der Schwabe Nevzat Salim, dass er schon 1969 Kebab in baden-württembergischen Reutlingen zubereitet habe.
Der Ursprung des Döners liegt natürlich noch weiter zurück: Gastarbeiter brachten das in der Türkei populäre Essen nach Deutschland, wo eine leicht angepasste Variante zum Verkaufsschlager wurde. Nicht nur dort: Der Taco al Pastor ist die mexikanische Interpretation der türkischen Spezialität. Vergleichbar sind auch Gyros, wie man Kebab in Griechenland nennt.
Die Zutaten des Kebabs haben sich mit der Zeit gewandelt: Während in den 70er-Jahren primär Fleisch, ein wenig Zwiebeln und etwas Salat serviert wurden, ist der Anteil von Gemüse heute viel höher.
Längst existieren auch fleischlose Varianten. Dass es ohne Tierprodukte funktionieren kann, zeigt das Zürcher Start-up Veganitas, das an den Bahnhöfen in Luzern, Bern und Zürich geschäftet: Sie füllen Pitabrote mit Seitan, Planted Chicken und Rüebli-Lachs.
Entgegen seinem Ruf kann ein Döner gesund sein. Es kommt vor allem auf die Saucen und das Fleisch an: Wer mit Poulet bestellt, isst weniger Fett. Wer sich den Teigfladen primär mit frischem Gemüse füllen lässt, hat ein gesundes Essen vor sich.
Ein regulärer Döner, der rund 350 Gramm wiegt, schlägt mit ungefähr 750 Kalorien zu Buche. Der Tagesbedarf an Energie eines Menschen variiert je nach Alter, Geschlecht, Grösse und Beruf und beträgt bei Männern ungefähr 2500, bei Frauen rund 2000 Kilokalorien.
Poldi-Döner for Champions
Derzeit erfährt der Kebab eine Entwicklung wie der Burger vor einigen Jahren. Diesen verdrückte man zunächst stehend vor dem McDonald’s, heute tischen selbst Sterneköche raffinierte Edelburger auf, mit hausgemachten Saucen – Ketchup ist tabu – und selbst gebackenen Brioches.
Das Umdenken findet beim Kebab langsam statt. Einige Gastronomen haben erkannt, dass der Döner nicht nur ein Take-away-Essen sein muss, ihre Kundschaft setzt sich nun in elegante Lokale und bestellt Wein dazu. So auch bei Ayverdis: Das Lokal ist chic, die Theke blank, draussen stehen dicke Autos auf den Parkplätzen. Und der Kleidungsstil der Gäste lässt vermuten, dass hier auch Bürolisten einkehren.
In Deutschland sind Kebabs sogar zur Promi-Sache geworden: Der Profifussballer Lukas «Poldi» Podolski hat am vergangenen Wochenende die 27. Filiale unter grossem Getöse aufgemacht, ausgerechnet in der Hochburg des Kebabs: in Berlin.
Bei Mangal, wie Poldis Kette heisst, geht es weniger um Luxus-Döner, sondern mehr um Hausgemachtes. Auch Podolski fordert höhere Preise, wegen der Wertschätzung des Fleisches und der Produzierenden. In Deutschland bekommt man immer noch für wenige Euro einen Döner, während er hierzulande über 10 Franken kostet.
Wer Kebab nach einer Partynacht bestellt, schert sich wohl wenig um die Herkunft des Fleisches. Das könnte auch der Grund sein, warum dem Imbiss immer noch ein Schmuddelimage anhängt. Das kritisieren auch die Gebrüder Ayverdi: «Viele Kebabiers setzen immer noch auf günstig und billig, weil sie Angst haben, Kundschaft zu verlieren.» Viele der Kebabladenbetreiber dürften beim Branchenführer Royal Döner in Winterthur bestellen. Auf der Website ist zu lesen, dass er rund 800 Betriebe in der Schweiz beliefert.
Apropos Preispolitik: Vor drei Jahren kostete ein herkömmlicher Kebab 11 Franken. Ayverdis stiegen damals bei 12.50 Franken ein. «Wir haben da einen neuen Massstab gesetzt, das hat für Wellen gesorgt», erinnert sich Ali Ayverdi. Seither musste er zweimal die Preise erhöhen. Einmal nach der Corona-Krise wegen der Lieferanten, die ihrerseits die Preise erhöhten. Und dieses Jahr um weitere 50 Rappen, weil die Löhne und Mehrwertsteuer gestiegen seien und Frischware mehr koste, sagt Ali Ayverdi. Zurzeit kostet der günstigste 16 Franken.
Kebab goes Landgasthof
Kebab ist nicht mehr nur eine urbane Sache: Nicht selten ersetzt ein Kebab-Konzept die traditionellen Gasthofmenüs. Döner-Hochburgen sind aber typischerweise Städte, beispielsweise Basel. Der Gastroführer «Gault Millau» will sogar den besten Döner der Schweiz hier ausgemacht haben: im Butterfly bei den Gebrüdern Delidag, die Entrecote und Rindshuftsteak über Nacht marinieren und sie zu einem 100-Kilo-Dönerspiess schichten.
Hier bestellt man wie in Istanbul: ohne Salat und Sauce. Der Laden von Ersin, Engin und Erhan Delidag wurde laut der «Basler Zeitung» dermassen überrannt, dass sie Stammgäste abweisen mussten. Nun hat das Butterfly in der Basler Steinenvorstadt einen zweiten Standort aufgemacht.
Im Ayverdis geht es derweil noch exklusiver als mit der Trüffel-Version: mit dem Wagyu-Kebab. Serviert werden mit einem Briochebrot fein geschnittener Chinakohl, gepickelte Zwiebeln und 150 Gramm marmoriertes Fleisch der japanischen Rinderrasse. Viel Sauce braucht es wegen des buttrigen Brots und des Fettanteils des Fleisches nicht, ein wenig Vinaigrette reicht. Kostenpunkt: satte 91 Franken.
Aber um wieder den Vergleich zum Burger zu machen: Einer der teuersten Burger mit Wagyu, Lobster und Foie gras kostete 5000 Dollar. Serviert wurde dieser in Las Vegas. Man sieht: Da gibts beim Döner noch Luft nach oben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.