Lawrows Propaganda im italienischen Fernsehen«Hitler hatte auch jüdisches Blut»
Russlands Aussenminister Sergei Lawrow erhält eine Bühne auf einem Sender von Berlusconi – und nutzt das Interview für einen Monolog.
42 Minuten, fast ohne Unterbrechungen. Russlands Aussenminister Sergei Lawrow hat dem privaten italienischen Fernsehsender Rete 4 am Sonntagabend ein langes Interview gegeben, das viel näher am Monolog war als am Zwiegespräch und nun gerade deshalb viel zu reden gibt.
Eingeladen hat ihn «Zona bianca», eine Talkshow. Ihr Moderator und Interviewer Giuseppe Brindisi war bisher nicht als grosser Kenner der internationalen Politik in Erscheinung getreten, er kommt ursprünglich aus dem seichten Genre. Rete 4, muss man dazu auch noch wissen, gehört zu Mediaset, dem Fernsehimperium von Silvio Berlusconi. Und Berlusconi war lange Zeit einer der engsten Vertrauten von Wladimir Putin im Westen – ein Freund gar, die beiden verbrachten auch Ferien zusammen.
«Das ist Ihre Sicht», sagt der Interviewer. Mehr nicht
Lawrow war aus Moskau zugeschaltet, es war sein erster Auftritt dieser Art in einem westlichen Medium seit Kriegsbeginn. Der Moderator bedankte sich länglich beim «ministro», dass er gerade seine Einladung angenommen habe, als hätte er in Konkurrenz gestanden mit vielen anderen Bittstellern. Rete 4 ist ein recht kleiner Kanal, oben links wurde stolz der Schriftzug «Exklusiv» eingeblendet.
Dann lieferte Brindisi seinem Gast Stichworte und liess ihn lange reden. Einmal sagte er: «Das ist Ihre Sicht der Dinge.» Aber nachgehakt hat er nie. So hatte Lawrow die Bühne ganz für sich und die russische Propaganda: über den angeblichen Staatsstreich in Kiew 2014, die angebliche «Nazifizierung» der Ukraine, die angeblich von aussen gesteuerte Machterlangung von Wolodimir Selenski, die angeblich inszenierten Gräueltaten von Butscha. Das Massaker von Butscha sei «so offensichtlich ein Fake, dass man es gleich auf den ersten Blick sieht, jeder merkt das».
In Israel ist die Empörung gross
In einer zentralen Passage ging es um die Frage, wie man von der ukrainischen Regierung sagen könne, sie stehe den Neonazis nahe, wie die Russen das tun, wo der ukrainische Präsident doch selbst Jude sei. «Dass Selenski Jude ist, will nichts heissen», sagte Lawrow. «Wenn ich nicht irre, hatte Hitler auch jüdisches Blut, das bedeutet also nichts. Das weise jüdische Volk sagt von sich, dass die Juden selbst oft die grössten Antisemiten sind.» In Israel war am Montag die Empörung über alle diese Aussagen gross, der russische Botschafter wurde einberufen.
Während Lawrow auf Rete 4 seine Theorie über die Juden, Hitler und Selenski ausführte, griff sich der Moderator einige Male ans Kinn, legte die Stirn in Falten. Doch nachfragen mochte er auch da nicht. Brindisi wollte stattdessen wissen, wie Lawrow Italien in dieser Phase sehe. «Italien ist ganz vorne mit dabei bei den Initiativen gegen Russland», sagte Lawrow. «Für uns war das zunächst eine Überraschung. Wir dachten immer, dass die Italiener, dank ihrer Geschichte, zwischen schwarz und weiss unterscheiden können.»
Mittlerweile habe man sich daran gewöhnt, dass das offenbar nicht so sei. Neulich habe die russische Botschaft in Rom einige Berichte aus den italienischen Zeitungen und Verlautbarungen von italienischen Politikern nach Moskau übersandt, die hätten «diplomatische und journalistische Regeln» verletzt.
Tatsächlich aber kann Moskau in Italien mit mehr Unterstützung von halben bis ganz expliziten Verstehern rechnen als in anderen europäischen Ländern: Es gibt sie in mindestens zwei Parteien, der Lega und den Cinque Stelle, und unter den Dauerteilnehmern in TV-Talkshows. Berlusconi brauchte fünf Wochen, um die richtigen Worte zu finden für seine «tiefe Enttäuschung» über Putin, bevor er dessen Propaganda nun sein Fernsehstudio öffnete. Lawrow versicherte, er selbst habe ja ein «sehr schönes Verhältnis zum italienischen Volk», und das werde so bleiben.
«Zona bianca» wollte dann noch wissen, ob es eine Persönlichkeit oder eine Institution gebe, die jetzt einen Frieden befördern könne. Lawrow antwortete: «Das ist eine ausgezeichnete Frage.»
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