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Neues Freihandelsabkommen
Grossbritannien sucht den Schulterschluss mit der Schweiz

Trinkt die Schweiz künftig mit Grossbritannien Tee? Das Vereinigte Königreich will näher mit der Schweiz zusammenrücken und nimmt Anlauf für ein neues Freihandelsabkommen. 
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Grossbritannien will seine Beziehungen zur Schweiz nach dem EU-Austritt intensivieren und ein neues Freihandelsabkommen aushandeln. Den Auftakt bildete ein Besuch der britischen Handelsministerin Kemi Badenoch am Montag in Zürich und Bern bei Bundesrat Guy Parmelin. Formell beginnen die Gespräche in einer Woche in London.

Warum gibt es überhaupt Gespräche zwischen Grossbritannien und der Schweiz?

Bis zum Brexit war der Handel zwischen der Schweiz und Grossbritannien über die bilateralen Verträge mit der EU geregelt. Doch mit dem EU-Austritt mussten die Briten ihre Beziehungen zur Schweiz neu aufgleisen. Dafür schlossen beide Seiten ein provisorisches Handelsabkommen ab, das seit Anfang 2021 in Kraft ist. 

Die Initiative für die Gespräche geht nun vor allem von den Briten aus. Denn mehr als drei Jahre nach dem Brexit kämpft das Land immer noch mit den wirtschaftlichen Folgen. In der Schweiz sieht Grossbritannien nun einen Partner. Ein enger Schulterschluss der beiden Länder – beispielsweise am Finanzmarkt – könnte ein Gegengewicht zur EU darstellen.

Was bedeuten die Verhandlungen für das Verhältnis der Schweiz zur EU?

Angesichts der ohnedies schwierigen Beziehungen mit der EU sind die Verhandlungen mit Grossbritannien heikel. Denn das Bündnis könnte in Brüssel für Verstimmung sorgen – und der Schweiz so letztlich auch schaden.

Während sich Grossbritannien bewusst für einen Austritt entschieden hat, ist die Schweiz in vielen Belangen auf eine Partnerschaft mit der EU angewiesen. Diese ist für die Schweiz immer noch der mit Abstand wichtigste Handelspartner.

Zudem sind einige Wirtschaftszweige wie die Energie- oder die Pharmabranche für eine Versorgung mit Medikamenten und Strom auf eine enge Zusammenarbeit mit der EU angewiesen. Die Exporte nach Grossbritannien gingen in den vergangenen Jahren dagegen zurück und spielen im Verhältnis eine untergeordnete Rolle.

Auf diesen Zielkonflikt ging auch Bundesrat Parmelin am Rande eines Mediengesprächs am Montagabend ein: «Das Hauptziel des Bundesrates ist, die Beziehungen mit der EU zu stabilisieren. Die Welt bewegt sich – das ist nicht die gleiche Welt wie vor zwei oder drei Jahren.»

Damit dürfte Parmelin darauf angespielt haben, dass der Bundesrat vor zwei Jahren die Verhandlungen um ein Rahmenabkommen mit der EU beendet hatte. Einen erneuten Rückschlag erlitten die Gespräche über ein nächstes Abkommen vergangene Woche, als bekannt wurde, dass die Schweizer Chefunterhändlerin Livia Leu ihre Demission gegeben hat.

«Jetzt wollen wir mit anderen Ländern diskutieren», sagte der Wirtschaftsminister weiter. Es gebe jetzt «eine einmalige Gelegenheit», mit Grossbritannien ein Freihandelsabkommen auszuhandeln. 

Worum geht es beim Handelsabkommen? Um englischen Tee und Short Bread?

English Breakfast Tea zählt zu den allseits bekannten Exportschlagern aus Grossbritannien. In den Gesprächen geht es jedoch vor allem um schwerer verdauliche Themen. 

Wer an Produkte aus Grossbritannien denkt, dem mag zunächst der English Breakfast Tea einfallen. Doch es sind vergleichsweise wenige Produkte aus Grossbritannien, die sich im Schweizer Detailhandel finden lassen. Bei Coop beispielsweise seien es vor allem Käse, Fisch, Guetsli, Chips, Bier und Spirituosen, so ein Coop-Sprecher. Zu den bekannten Marken zählen Chips von Tyrrell’s, Guetsli von Walker’s sowie Cheddar-Käse.

Grossbritannien erhofft sich geringere Zölle auf den Import von rotem Fleisch, Backwaren und selbst Schokolade in die Schweiz. Das Vereinigte Königreich liefert nach eigenen Angaben pro Jahr Agrarprodukte im Wert von über 5,5 Milliarden Pfund (6,2 Milliarden Franken) in die Schweiz.

… es geht vor allem um die Finanzen

Im Vordergrund steht bei den Gesprächen vielmehr die Finanzindustrie. London und Zürich sind beides wichtige europäische Finanzplätze. Grossbritannien hat zudem eine lebhafte Start-up-Szene. Dort tummeln sich viele innovative junge Finanzunternehmen, sogenannte Fintechs. Für Schweizer Start-ups ist es attraktiv, wenn sie ohne grosse Schwierigkeiten auch in Grossbritannien Fuss fassen können. 

Von einem einfacheren Marktzugang für Unternehmen und einem regen Handel profitieren wiederum auch Banken und Börsen. Die Londoner Börse ist unverändert der grösste Börsenplatz in Europa – gefolgt von Paris, Zürich und Frankfurt. Bei ihrem Aufenthalt in der Schweiz besuchte die britische Handelsministerin die Schweizer Börse SIX. 

Die britische Handelsministerin Badenoch bei ihrem Besuch bei der Schweizer Börse SIX in Zürich.

Was handelt die Schweiz mit Grossbritannien?

Das mit Abstand wichtigste Handelsprodukt im Güterverkehr waren zuletzt Edelmetalle und Edelsteine. Grund dafür sind auch hier die starken Finanzplätze, zwischen denen entsprechend viele Wertsachen (Goldbarren usw.) gehandelt werden.

Ein Grossteil des weltweit verkauften Goldes wird in Raffinerien in der Schweiz verarbeitet und wieder exportiert – insbesondere nach China und Indien. Ein Grossteil dieses Goldes stammt aus dem Vereinigten Königreich, wo sich die weltweit wichtigsten Edelmetallbörsen befinden. Der Handel mit Wertsachen schwankt jedoch von Jahr zu Jahr stark. Aus Schweizer Sicht ist Grossbritannien zudem ein wichtiger Absatzmarkt für Luxusuhren. Ob auch diese Bereiche Teil der Gespräche sind, blieb vorerst unklar.

… und die Industrie?

Grossbritannien ist auch ein wichtiger Absatzmarkt für die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie. Entsprechend erhofft sich die Branche hier in den Gesprächen Verbesserungen. Der Verband Swissmem dringt auf die Anerkennung von Normen und Zertifizierungen und dass Schweizer Industriefirmen ihre Produkte einfacher an die öffentliche Hand in Grossbritannien verkaufen können. Konkret geht es dabei um Energie- und Wasserversorgungsfirmen sowie den Eisenbahnsektor.

Doch die Schweiz bezieht auch Industriegüter aus Grossbritannien – beispielsweise Busse: Der britische Hersteller von Doppelstockbussen Alexander Dennis hat 2017 und 2018 neunzehn Doppelstock-Postautos in die Ostschweiz geliefert. Ein Freihandelsabkommen würde die Versorgung mit Ersatzteilen für die Busse vereinfachen, so ein Manager des Busfabrikanten Alexander Dennis.

Die britische Firma Alexander Dennis hat doppelstöckige Postauto-Busse geliefert. Eingeweiht wurden die Fahrzeuge 2017 in Engelburg im Kanton St. Gallen.