Gotthard-BasistunnelNicht alle Gleisschwellen sind zerstört – doch alle müssen ersetzt werden
Die SBB geben Einblick in die laufenden Reparaturarbeiten. Im 24-Stunden-Betrieb wird die kaputte Fahrbahn erneuert. Für Tessinreisende soll es am Wochenende bald wieder schneller gehen.
Eigentlich sei es gar nicht so schlecht hier, sagt ein etwas beleibterer Mann in oranger Arbeitskleidung scherzhaft. Man werde fürs Abnehmen bezahlt. In der ersten Woche kurz nach dem Unfall, als es noch ganz intensiv gewesen sei, habe er vier Kilogramm verloren. Er habe 8 bis 10 Liter Wasser pro Tag getrunken und trotzdem nie auf die Toilette gemusst, sagt er. Irgendwann habe er sich gefragt, ob mit seinem Körper alles okay sei. Doch bei den 40 Grad, die im Tunnel herrschten, sei es ja eigentlich kein Wunder.
Der Mann steht im Gotthard-Basistunnel. Hier, wo derzeit im 24-Stunden-Betrieb Bauarbeiter versuchen, die zweite teils zerstörte Röhre wieder betriebsbereit zu machen. Nachdem diese durch die Entgleisung eines Güterzuges Anfang August schwer beschädigt worden war. Täglich sind hier 80 Mitarbeitende von SBB und Drittfirmen im Einsatz.
Es ist heiss, weil der Tunnel tief unter der Erde liegt. Und wie zu erfahren ist, gibt nicht jeder der Suva die korrekten Informationen über seinen gesundheitlichen Zustand an. 20 Männer seien in den letzten Wochen herausgeholt worden, weil sie die Voraussetzungen für die Arbeit unter den nicht einfachen Bedingungen nicht erfüllen würden.
Das Gewicht von 40 Elefanten pro Woche
Nach der abgeschlossenen Bergung der zerstörten Wagen liegt der Fokus nun darauf, mit einer grossen Maschine die Schwellen herauszufräsen. Sprich: die Fahrbahn zu säubern, um eine neue zu bauen. Insgesamt 6500 Tonnen Beton müssen herausgefräst werden. Oder wie es Peter Kummer, Leiter Infrastruktur bei den SBB, sagt: «Das Gewicht von 40 Elefanten pro Woche.»
16 Stunden, die zwei Schichten pro Tag abdecken, bewegt sich die Maschine im Schneckentempo vorwärts. In der dritten Schicht wird der Schutt weggeräumt, Benzin nachgefüllt und der nächste Einsatz vorbereitet. Erst wenn alles herausgefräst ist, kann auf der sieben Kilometer langen Strecke im Tunnel neu betoniert werden.
Wenige Wochen ist es her, seit die SBB die Hiobsbotschaft verkündeten: Statt bis Anfang des Jahres werden die Reparaturarbeiten nach der schweren Entgleisung voraussichtlich bis September 2024 dauern. Der Grund dafür liegt bei diesen Schwellen. Denn nicht alle waren sie zerstört.
Ab 10. Dezember ist angedacht, dass am Wochenende 31 zusätzliche Züge durch den Tunnel fahren.
Das gebrochene Rad begann sieben Kilometer vor der Entgleisung an der Weiche zu wackeln. Es sprang hoch und runter und schnitt dabei in einige Schwellen. So waren nur etwa 6000 der 20’000 Gleisschwellen auf der Strecke zerstört. Wie Peter Kummer ausführt, hat man sich bei den SBB gedacht, man müsse eventuell nur diese austauschen. Experten kamen jedoch zu einem anderen Schluss: Bestehende Schwellen mit neuen kombinieren, das hätte sich wohl nicht vertragen und zu vielen Problemen geführt.
Erwartet wird, dass die Arbeiter rund 300 Meter pro Woche vorwärtskommen. Ende Januar soll dann eine Bestandsaufnahme gemacht werden, ob es vielleicht doch etwas schneller als erwartet vorwärtsgeht. «Es ist auch für uns neu», sagt Kummer. «Wir lernen jeden Tag dazu.»
Wenigstens sollen bald wieder Personenzüge hindurchfahren. Ab dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember ist angedacht, dass 31 Züge zusätzlich am Wochenende durch den Tunnel fahren, vier Güterzüge und zwei Personenzüge pro Stunde. Möglich ist dies, weil sie nun wieder schnell fahren dürfen.
Tor hält bei hohem Tempo
Der Grund ist das gigantische Spurwechseltor zwischen den Röhren, das der entgleiste Güterzug durchschlagen hatte und das durch ein provisorisches Tor ersetzt werden musste. Es war nicht klar, ob dieses die entsprechenden Geschwindigkeiten aushält.
Also wurden Tests mit Sensoren gemacht, mit dem Ergebnis, dass die Züge im Tunnel bald wieder 230 Kilometer pro Stunde fahren dürfen. Da aber weiterhin nur eine Röhre zur Verfügung steht, sollen die Züge durch den Basistunnel Freitag und Samstag gen Süden fahren und am Sonntag zurück.
Wer an einem der jeweiligen Tage in die entgegengesetzte Richtung will, muss wie unter der Woche über die Bergstrecke mit längerer Fahrzeit. Die SBB hoffen so vor allem, dem Tourismus auch im Hinblick auf die bevorstehenden Feiertage entgegenzukommen. So soll dann wenigstens das ganz grosse Verkehrschaos abgewendet werden.
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