Reform von Lotto und CasinosGlücksspiel-Erträge sollen an die Bevölkerung zurückverteilt werden
Der Staat tritt gleichzeitig als Anbieter, Regulator und Nutzniesser auf. Die Folgen sind Interessenkonflikte, teure Verwaltung und undurchsichtige Geldverteilung. Avenir Suisse schlägt Reformen vor.
In den Kantonen verteilen 78 verschiedene Lotteriefonds Gelder aus den Reingewinnen von Lotterien und Sportwetten. Rekordhalter ist der Kanton Luzern, der allein 18 Lotteriefonds betreibt, wie die Interkantonale Geldspielaufsicht (Gespa) in ihrem jüngsten Bericht festhält.
Entsprechend hoch sind die Verwaltungskosten. Sie belaufen sich gemäss Berechnungen der Denkfabrik Avenir Suisse auf 16 bis 22 Millionen Franken pro Jahr. Der Kanton Bern wendet dafür fast eine Million auf und Genf gar 1,3 Millionen Franken – das sind 3,6 Prozent der Gesamtausgaben.
Bei der Berichterstattung gebe es «mehrere Punkte, die auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar erscheinen», schreibt die Gespa. In mehreren Fällen entspreche etwa die ausgewiesene Veränderung von Fondsbeständen nicht den angegebenen Zuflüssen und Ausgaben. Es bleibe unklar, ob und durch wen in manchen Kantonen überhaupt eine Kontrolle erfolge.
Die Glücksspielmonopole des Bundes bei den Casinos und der Kantone bei den Lotterien werfen jedes Jahr Erträge von 1,6 bis 1,8 Milliarden Franken ab. Davon kann die Politik rund eine Milliarde verteilen. Am meisten wird für die Förderung von Sport und Kultur eingesetzt. Doch die Gemeinnützigkeit als Voraussetzung für den Bezug von Lotteriefondsgeldern wird von Kanton zu Kanton stark unterschiedlich interpretiert.
Die Kritik an den politischen Vergabekriterien ist alt. Kantone finanzierten mit Lotteriegeldern ihre Auftritte an der Olma oder am Sechseläuten, die Luzerner Regierung sponserte eine Reise nach Moskau, die Solothurner Regierung eine Festschrift als Geschenk für einen scheidenden Regierungsratskollegen, das Wallis Tourismusorganisationen.
Der Lausanner Staatsrechtler Etienne Grisel bezeichnete die Lotteriefonds deshalb als «eine Art legale schwarze Kassen». Doch die Kantone müssen sich um die Kritik nicht kümmern: Die Aufsichtsbehörde Gespa hat keinerlei Kompetenzen bezüglich der Mittelverwendung.
Rückverteilung an die Bevölkerung ergäbe etwa 115 Franken pro Person
Problematisch ist der Interessenkonflikt des Staates, weil er auch die Aufgabe hätte, die Spielsucht zu bekämpfen. Deren volkswirtschaftliche Kosten werden auf etwa 60 Millionen Franken geschätzt. Vor allem bei Sportwetten steigt der Anteil der Spielerinnen und Spieler stark an, die monatlich mehr als 500 Franken Verlust machen.
Um die Interessenkonflikte aufzulösen, schlägt Avenir Suisse eine umfassende Reform vor. Bund und Kantone sollten nur noch als Regulatoren auftreten und ihre Rolle als Anbieter und Nutzniesser ablegen. Die Erträge sollten direkt an die Bevölkerung zurückverteilt werden, ähnlich wie bei der CO₂-Abgabe zum Beispiel über die Krankenkassenprämien.
Die Förderung von Sport und Kultur müsste dann über das reguläre Budget erfolgen. Möchte man an der Zweckbindung festhalten, könnte die Rückverteilung über Gutscheine für den Bezug von Sport- oder Kulturangeboten erfolgen. Wären die Glücksspielerträge von knapp einer Milliarde Franken im Jahr 2019 so an die Bevölkerung zurückverteilt worden, hätte jede Person in der Schweiz rund 115 Franken erhalten – bei einer Familie mit zwei Kindern wären es rund 460 Franken.
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