Globaler TrendWeltweit werden Männer älter
Wie alt Menschen werden, hat weniger mit Biologie zu tun als mit dem Lebensstil. Nun holen Männer weltweit auf.

Frauen kennen das Geheimnis eines langen Lebens. Das zeigt nicht nur ein Blick auf die Liste der ältesten Menschen, wo sich unter den Top 100 gerade mal vier Männer befinden; das zeigen auch Klassentreffen des diamantenen Maturajahrgangs und Feste zum 90. Geburtstag, wo – wie im Kultfilm «Dinner for One» – die männlichen Gäste längst weggestorben sind, während die Frauen noch was zu feiern haben.
Das liegt weniger an irgendwelchen geheimnisvollen Jungbrunnen-Genen, an Hormonen oder einem besseren Immunsystem, vielmehr sind Männer vornehmlich selbst schuld an ihrem statistisch früheren Ableben. Das lassen nicht nur Anekdotensammlungen wie «Why Women Live Longer Than Men» (@WhyLonger) auf der Plattform X ahnen. Dort zeigen Fotos und Videos fröhliche Poolpartys, bei denen die Musik aus Mehrfachsteckdosen auf der Luftmatratze kommt, halsbrecherische Stunts oder atemberaubende Leiterkonstruktionen zum Reparieren von Klimaanlagen.
Sie alle offenbaren einen etwas lebensmüden Lebensstil des männlichen Geschlechts. Wissenschaftlich belegt wird selbiger auch durch Studien aus Klöstern, wo Mönche und Nonnen abseits weltlicher Verführungen und Risiken im Durchschnitt nahezu gleich lang leben.
Männer auf dem Land erging es schlechter
Doch, immerhin: Auch Männer lernen. Der Abstand in der Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen schrumpft international seit einigen Jahren kontinuierlich, wie Wissenschaftler von Universitäten in Oxford, Alcalá und Barcelona im Fachmagazin «Plos One» berichten und damit eine Entwicklung bestätigen, die in vielen einzelnen Ländern bereits beobachtet wurde. Für Europa hatte das deutsche Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) Männern zuletzt im August 2023 wachsende Lebensklugheit bescheinigt: Demnach leben Frauen in 228 Regionen Europas im Durchschnitt nur noch 5,5 Jahre länger als Männer, während es in den 1990ern noch sieben Jahre waren.
Allerdings holten Männer nicht überall gleichermassen auf. Das zeigt ein Blick auf Deutschland. Während der Unterschied in Süddeutschland auf weniger als vier Jahre schrumpfte, blieb er in Ostdeutschland fast doppelt so gross. Auch erging es Männern auf dem Land schlechter als in der Stadt.
Die Emanzipation hilft Männern
Das liegt auch an alten Rollenbildern. Denn die Emanzipation hilft Männern: Wenn Männer als Haupternährer der Familie gelten oder bei ihnen selbstschädigendes Verhalten eher toleriert wird, leben sie ungesünder, wie das Team um den BIB-Forschungsdirektor Sebastian Klüsener schreibt. Sie rauchen und trinken dann zum Beispiel mehr und ernähren sich schlechter. Sobald sich Rollenbilder annähern, gleichen sich auch die Sterblichkeitsunterschiede zwischen Männern und Frauen an.
«So zeigt sich erneut, dass biologische Faktoren nur eine kleine Rolle spielen», sagt der Bevölkerungsforscher Dmitri Jdonav vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock. «Eine nennenswerte Lücke ist ohnehin erst vor 200 Jahren entstanden, nun schliesst sie sich langsam.» Jdonav kann aber nicht versprechen, dass der Trend immer so weitergehen wird.
«Wenn morgen jemand eine neue Methode erfindet, um das Leben zu verbessern, werden Frauen sie als Erste nutzen, Männer erst später», prophezeit er. Dann wird wieder eine grössere Lücke klaffen. Es sei denn, Männer emanzipieren sich weiter von ihrem lebensverkürzenden Lebensstil, den die Welt derzeit noch viel zu sehr als männlich feiert.
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