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Ära der Verschuldung
Crash in fünf Jahren? Das passiert, wenn die weltweite Schuldenbombe explodiert

A billboard showing the national debt is seen in Washington, DC, on May 19, 2023. Republicans have paused crunch US debt default talks less than two weeks before a potentially catastrophic default, House Speaker Kevin McCarthy said Friday, citing lack of movement from Democrats. (Photo by Mandel NGAN / AFP)
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Trump oder Biden. Labour oder Tories. Macron, Le Pen oder Mélenchon. So sehr sich all die Opponenten bei den aufsehenerregenden Wahlen dieses Jahres unterscheiden mögen, in einem entscheidenden Punkt sind sie sich praktisch alle einig: beim Schuldenmachen. Sparen will keiner. Im Gegenteil.

Doch die weltweite Schuldenbonanza, bei der von den grossen Industrieländern einzig Deutschland nicht mitmacht, sorgt bei immer mehr Ökonomen und Anlegern für Unbehagen. Denn es steigt nicht nur die Verschuldung, vor allem wächst auch die Belastung durch die gestiegenen Zinsen drastisch.

Der Punkt, an dem all dies nicht mehr tragbar ist, könnte schneller erreicht werden als gedacht – und dann drohen schwere Folgen für das Finanzsystem.

Die Schweiz hat als eines der wenigen Länder eine sinkende Schuldenquote

Schon seit der Finanzkrise ab 2007 sind die Schuldenquoten der Staaten in die Höhe geschnellt. Italien lag schon damals über 100 Prozent, mittlerweile haben Frankreich, Grossbritannien und die USA diese Schwelle überschritten. Japan, das schon immer allen anderen voraus war, rangiert nunmehr bei über 250 Prozent.

Die Schweiz hat im internationalen Vergleich eine tiefe Staatsschuldenquote. Als eines der wenigen Länder hat sie es sogar geschafft, diese zu senken, was wesentlich der Schuldenbremse zu verdanken ist.

Die Summe der Staatsschulden weltweit hat sich seit 2007 mehr als verdreifacht, auf inzwischen knapp 100 Billionen Dollar – und eine Trendwende ist nicht in Sicht.

«An den Finanzmärkten dürfte angesichts der Aussicht auf immer höhere Haushaltsdefizite die Tragfähigkeit des Schuldenbergs mehr und mehr infrage gestellt werden», sagt Andreas Busch, Ökonom bei der Anlagegesellschaft Bantleon.

Ob Biden oder Trump – die USA machen riesige Schulden

Am dramatischsten ist die Entwicklung in den USA, wo die Schuldenquote inzwischen über 120 Prozent liegt. Vor allem aber geht der Schuldenaufbau dort besonders rasant weiter – auch in diesem Jahr wird die Neuverschuldung 7 bis 8 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen, trotz gut laufender Konjunktur.

«Die USA machen riesige Schulden, obwohl es keinen Grund dafür gibt», sagt David Kohl, Chefökonom der Privatbank Julius Bär. Und das werde sich auch nicht ändern, wenn die Republikaner wieder das Ruder übernehmen. «Die Republikaner sind nur in der Opposition fiskalpolitisch konservativ», sagt er. In seiner ersten Amtszeit hat auch Donald Trump keinerlei Wert auf einen ausgeglichenen Staatshaushalt gelegt.

Der überparteiliche Haushaltsausschuss des US-Kongresses hat daher erst kürzlich seine langfristigen Prognosen überarbeitet. Er sagt nun für die nächsten zehn Jahre ein durchschnittliches Haushaltsdefizit von 5,6 Prozent voraus.

WASHINGTON, DC - APRIL 18: Rep. Thomas Massie (R-KY) wears a pin displaying the a live tally of the national debt during a House Committee on Rules business meeting at the U.S. Capitol on April 18, 2024 in Washington, DC. Speaker Mike Johnson (R-LA) is pushing aid to Ukraine, Israel and Taiwan through the House over the objections of the right-flank of his own party.   Kent Nishimura/Getty Images/AFP (Photo by Kent Nishimura / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / Getty Images via AFP)

Die Gesamtverschuldung werde gleichzeitig um weitere 17 Prozentpunkte steigen und fast 140 Prozent betragen – das wären griechische Verhältnisse. Vor allem aber dürften schon 2033 rund 25 Prozent der gesamten staatlichen Einnahmen für Zinszahlungen draufgehen. Die Zinswende macht die Schuldenlast erst wirklich unerträglich.

Niedrige Zinsen laden zum Schuldenmachen ein

«Fast schon als tragisch zu bezeichnen ist, dass die Leichtfertigkeit beim Geldausgeben beziehungsweise der Schlendrian in einer Zeit eingezogen ist, als es vergleichsweise einfach gewesen wäre, den Schuldenberg abzubauen», sagt Andreas Busch.

Denn in den Jahren nach der Finanzkrise boten die extrem niedrigen Zinsen die Voraussetzung für einen vergleichsweise einfachen Abbau der Schuldenquoten. So lagen die Zinsen zwischen 2010 und 2019 durchschnittlich 1,9 Prozentpunkte unter dem Wirtschaftswachstum, wie er ausgerechnet hat.

Doch die USA und praktisch alle anderen Industriestaaten sahen das als Einladung für weitere Schulden, auch in Europa. So liegt das Budgetdefizit in Frankreich schon jetzt über 5 Prozent, und eine neue Regierung, egal welcher Couleur, dürfte dieses eher noch ausweiten.

Militärausgaben: Der Schuldenberg dürfte weiterwachsen

Aber selbst Schwellenländer wie China machen bei der Schuldenbonanza mit. Dort liegt die Schuldenquote zurzeit zwar «nur» bei rund 80 Prozent des Bruttoinlandprodukts, doch das ist auch schon mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren.

Vor allem aber weitet sich die Immobilienkrise immer weiter aus. Das dürfte noch erhebliche finanzielle Hilfen des Staates für Banken und Immobilienbesitzer nach sich ziehen, während gleichzeitig die Konjunktur strauchelt.

Mitunter wird darauf verwiesen, dass die Staaten auch in der Vergangenheit schon ähnliche Lasten hatten, dann aber doch die Wende schafften, beispielsweise nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals jedoch wuchsen die Volkswirtschaften rasant.

Als weiteres Beispiel dienen die Neunzigerjahre, als die USA unter Präsident Bill Clinton das Ruder radikal herumwarfen, sodass Ende des Jahrzehnts am Finanzmarkt die Befürchtung grassierte, dass es bald keine US-Schuldentitel mehr geben werde.

«Als Vorbild für die aktuelle Lage taugt diese Phase jedoch nicht», sagt Andreas Busch. Denn damals endete der Kalte Krieg, und die Militärausgaben wurden deutlich zurückgefahren. «Das trug wesentlich zum Abbau des Haushaltsdefizits in diesem Zeitraum bei.»

Davon ist heute keine Rede. «Vielmehr spricht die aktuelle weltpolitische Grosswetterlage mit Russland und China als tatsächlichen beziehungsweise potenziellen Kriegstreibern dafür, dass die Ausgaben sogar wieder nachhaltig ausgeweitet werden müssen», sagt Busch.

Eine tickende Zeitbombe

Die Schuldenberge dürften daher weiterwachsen, auch, weil derzeit noch niemand die Folgen sehen will. Doch diese sind unausweichlich. «Wenn das so weitergeht, führt das irgendwann zu einem Crash mit Ansage», sagt Ulrich Kater, Chefökonom des deutschen Kreditinstituts Deka. «Nicht in unmittelbarer Zukunft, aber das ist ein Thema für die nächsten fünf Jahre.» Andreas Busch sieht das ähnlich. «Das Ticken der Zeitbombe dürfte immer lauter werden», sagt er.

Wenn diese explodiert, sieht das jedoch anders aus als bei klassischen überschuldeten Nationen, die irgendwann zahlungsunfähig werden. Die grossen Währungsblöcke der westlichen Industriestaaten können nicht pleitegehen, da sie sich in der eigenen Währung verschulden und die Notenbank notfalls einspringen kann.

Doch es sind andere Szenarien denkbar. Jederzeit könnte es zu einem Käuferstreik in einem dieser Länder kommen und damit zu Turbulenzen am Staatsanleihenmarkt.

Was dann geschieht, zeigte sich im Herbst 2022 in Grossbritannien, als die damalige Premierministerin Liz Truss die Steuern für Unternehmen und Vermögende drastisch senken wollte, auf Pump. Die Renditen für britische Anleihen schossen in die Höhe, und erst als die Notenbank intervenierte und Truss zurücktrat, beruhigte sich der Markt wieder.

Darüber hinaus dürfte die Inflation langfristig höher liegen als gewünscht, wegen der hohen staatlichen Ausgaben, was wiederum noch höhere Zinsen zur Folge hätte. «Steigt die Schuldenstandsquote immer weiter an, ist schliesslich sogar eine globale Finanzkrise denkbar, sollte der US-Dollar als Reservewährung infrage gestellt werden», sagt Busch.

Es bräuchte Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen

Letztlich sei eine Schuldenkrise langfristig nur zu verhindern, wenn es den politischen Willen gebe, schmerzhafte Kurskorrekturen vorzunehmen, stellt die deutsche Commerzbank in einer aktuellen Analyse fest. «Der klassische Weg zu einer Sanierung der öffentlichen Finanzen wären Ausgabenkürzungen und/oder Steuererhöhungen», schreibt sie.

Doch davon sei weit und breit nichts zu sehen. «Die Konsolidierung des Staatshaushalts geniesst nirgends Priorität», stellt die Bank ernüchtert fest. Stattdessen stellten hoch verschuldete Staaten vielmehr die Weichen für weitere teure Ausgabeprogramme oder Steuersenkungen.

«Man wird versuchen, die unumgängliche Kurskorrektur nach hinten zu verschieben», heisst es in der Analyse. «Einige Länder werden austesten, wie weit sie gehen können, ehe die Schuldenquote einen kritischen Punkt erreicht.»

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