Was die Fortsetzung von «Gladiator» taugtKilleraffen, Haie und filetierte Helden
Ridley Scott möchte mit «Gladiator 2» an das Erbe des Vorgängerfilms anknüpfen. Kann der zweite Teil dieselbe Wucht entfalten wie das legendäre Original aus dem Jahr 2000?
Dabei war es doch das perfekte Ende. Der grosse Bösewicht, Kaiser Commodus (Joaquin Phoenix), liegt tot im Sand des Kolosseums. Der grosse Held Maximus Decimus Meridius (Russell Crowe) zwar ebenfalls – aber der General und Gladiator hat mit dem Kampf in der Arena seine Ehre gerettet und den Tod seiner Familie gerächt. Fortan streift er in einer besseren Welt, im Jenseits, durch endlose goldene Gerstenfelder. Das ist die letzte Einstellung in «Gladiator» aus dem Jahr 2000. Ein grosser Film.
Was gibt es dem hinzuzufügen?
24 Jahre später kommandiert Regisseur Ridley Scott (86) abermals eine Schar Blutartisten in die Arena, «Gladiator 2» läuft diese Woche auch in den Schweizer Kinos an. Seit Wochen handeln Kritiker und Branchenexperten das Sequel als Kinoereignis des Jahres und als potenzieller Kassenschlager. Nur ein paar staubige Althistoriker moserten nach Erscheinen des ersten Trailers pedantisch über historische Ungenauigkeiten, die der Film auftischen würde.
Teuflisch, tuntig und pervers
Aber was verstehen Althistoriker schon von grossem Kino: Die Frage ist doch, ob Scott mit «Gladiator 2» dieselbe Wucht und Dramatik auf die Leinwand schleudert wie mit seinem ersten Römer-Epos.
Die Handlung spielt um 200 n. Chr., 16 Jahre nach dem Tod von Kaiser Mark Aurel. Dessen Enkel, Lucius Verus (Paul Mescal, 28) – er ist der Sohn von Maximus und Marc Aurels Tochter Lucilla – steht im Mittelpunkt der Handlung. Gladiator junior lebte lange im Exil in Nubien, wird nach einer verlorenen Schlacht gegen die Römer als Kriegsgefangener nach Rom deportiert, um dort im Kolosseum ums Überleben und seine Freiheit zu kämpfen. Lucius will seinen Platz in der römischen Gesellschaft zurückerkämpfen und wird zur zentralen Figur eines Putsches gegen die Co-Kaiser Geta und Caracalla. Beide sind, wie die meisten Kaiser in Römerfilmen, teuflisch, tuntig und pervers – offenbar glaubt auch Scott, Rom sei tatsächlich geführt von Psychopathen zur Weltmacht geworden.
Die Handlung mag «Gladiator» 1»-Fans ziemlich bekannt vorkommen. Tatsächlich hat Scott nicht nur Handlungselemente von sich selbst ausgeliehen, sondern gleich einzelne Szenen. Wie sein Papa Maximus versucht auch Lucius mit einem Bolzenschuss aus der Arena seinen Widersacher General Marcus Arcacius (Pedro Pascal) in der Ehrenloge zu töten; wiederum spielt der Gladiatorentrainer, dieses Mal der von Denzel Washington verkörperte Macrinus, eine zentrale Rolle beim Putsch.
Haie im Kolosseum
Neues hat sich Scott für die Action-Szenen einfallen lassen. So muss sich Lucius in seinem ersten Gladiatorenfight gegen mordlüsterne Affen verteidigen, die besser in einen Zombiefilm passten als ins alte Rom. Das Kolosseum wird für die grosse Metzel-Show mit Wasser geflutet, um einen Seekampf nachzustellen. Plumpst ein abgemurkster Gladiator vom Schiff ins Wasser, zerreisst ihn ein Schwarm Haie in mundgerechte Stücke. Das alles ist gut gemacht und spassig anzusehen – auch wenn Tierschützer gegen die Darstellung dieser Killer-Affen protestieren, und Historiker darauf hinweisen, zwar sei das Kolosseum zuweilen für maritime Spezialshows mit Wasser gefüllt worden, Haie hingegen hätten darin nie gewildert. Was solls: Kino ist nicht Geschichtsschreibung. Und den Römerinnen und Römern hätte diese Vorstellung mit Sicherheit gefallen.
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Mescal hat sich für seinen Gladiatorenauftritt über Monate beachtlich Muskelmasse antrainiert. Das anatomische Upgrade steht ihm gut und er ist zweifellos auch ein solider Schauspieler. Aber kommt er an seinen «Gladiator»-Übervater Russell Crowe heran? Leider nein. Crowe spielte einen gebrochenen Mann, der von den höchsten Höhen des militärischen Ruhms in die Tiefen der Sklaverei und des Verrats stürzt, sein Schicksal aber stoisch annimmt, ohne seine Menschlichkeit zu verlieren. Seine Figur verkörperte damit zentrale römische Tugenden. Mescal hingegen gibt mit Lucius einen Nachwuchs-Gladiator, der auf dem Weg nach oben zwar seine Gattin verliert, aber am Ende auf der Siegerseite steht: eine Figur also, viel weniger komplex und spannend als die des Maximus. Womöglich sieht Mescal einfach zu gut aus für seine Rolle, der Mann passt besser in ein Hipster-Café in London als ins antike Kolosseum.
Ärgerlich, dass es Scott wiederum nicht schaffte, eine einigermassen ernstzunehmende Frauenfigur ins Gladiatorenstück zu integrieren. Als Kaisertochter und Mutter von Lucius darf Connie Nielsen (59) als Lucilla kaum mehr als von der Ehrenloge her flennen und stöhnen, wenn wiederum ein Gladiator von seinem Gegner filetiert wird.
Mit «Gladiator» kam die Rückkehr des Monumentalfilms
«Gladiator 1»-Fans werden sicher auch «Gladiator 2» mögen – und dieser Spass sei ihnen zu gönnen. Die Bedeutung der Filme allerdings könnte unterschiedlicher kaum sein. Der «Gladiator» aus dem Jahr 2000 war kinotechnisch innovativ und geprägt durch die komplexe Hauptfigur, gespielt von einem brillanten Russell Crowe. Der Film erhielt fünf Oscars, spielte knapp eine halbe Milliarde Dollar ein. «Gladiator» war der Anfang einer Rückkehr der Monumentalfilme: «Troy» (2004), «Alexander» (2004), «Kingdom of Heaven» (2005), «300» (2006). Mittlerweile spielen Netflix und Amazon Gladiator-Serien – davon hebt sich «Gladiator 2», der vorwiegend seinen Vorgänger zitiert, nicht mehr ab.
Ridley Scott ist ein sehr gebildeter Mann, zweifellos, er lässt in «Gladiator 2» Hauptdarsteller Mescal ein paar Verse von Vergil zitieren. Bloss, womöglich hätte Scott stattdessen besser bei Vergils Zeitgenossen Horaz nachgeschlagen. Dieser wirklich kluge Mann wusste schon vor fast 2000 Jahren: «Bis repetita non placent» – Wiederholungen gefallen nicht.
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