Italien leitet G-7-TreffenStörmanöver von Putin-Bewunderer Salvini
Zwischen Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihrem Stellvertreter wachsen die Spannungen. Wie lange geht das noch gut?
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni ist in diesem Jahr besonders gefordert als Staatsfrau. Obwohl sie erst im Oktober 2022 als Newcomerin ohne jede Regierungserfahrung an die Spitze eines wichtigen Staates gewählt worden ist, hat der Zufall ihr bereits im zweiten Amtsjahr eine besondere Herausforderung beschert. Italien hält turnusmässig den Vorsitz der G-7-Staaten, des informellen Zusammenschlusses der bedeutendsten Industriestaaten der westlichen Welt. Damit laufen 2024 alle Fäden in Rom zusammen.
Über das Jahr verteilt gibt es zahlreiche Ministertreffen der G-7 in Italien und Mitte Juni das grosse Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden und den anderen Staats- und Regierungschefs. Als Tagungsort suchte Meloni das Luxusresort Borgo Egnazia in ihrer bevorzugten Ferienregion Apulien aus. Bereits für diesen Samstag hat sie ein virtuelles G-7-Spitzentreffen angesetzt, bei dem es vor allem um den Krieg in der Ukraine gehen wird. Auch Staatspräsident Wolodimir Selenski wird zugeschaltet sein.
Die bedingungslose Zustimmung zur Unterstützung der Ukraine und zu massiven Waffenlieferungen bröckelt, insbesondere in den USA. Dort blockieren die Republikaner weitere Unterstützung. Die Lage ist also heikel.
Salvini äussert sich vage zu Nawalny-Tod
Die westlichen Regierungschefs müssen sich aber über die Moderation von Meloni beim virtuellen G-7-Gipfel keine Sorgen machen. Die Italienerin hat sich eindeutig aufseiten der Ukraine positioniert – auch wenn die konkreten Hilfsleistungen aus Italien weit hinter denen anderer Länder zurückbleiben, vor allem der USA und Deutschlands.
Die Sache würde ganz anders aussehen, wenn in der virtuellen Runde Vizepremier Matteo Salvini das Sagen hätte, der zweitwichtigste Politiker der sehr rechten Regierungskoalition in Rom. Salvini gilt nicht nur aus früheren Jahren als Putin-Freund und -Versteher, er besetzt diese Rolle auch jetzt aktiv.
Während es im Westen zuletzt eine tiefe Bestürzung über den möglicherweise gewaltsamen Tod des Kremlkritikers Alexei Nawalny gab und die Verantwortung dafür eindeutig Wladimir Putin zugeschrieben wird, mimte Salvini den Unwissenden. Man könne ja nicht wissen, was im Straflager im fernen Sibirien wirklich passiert sei, sagte er: «Erst die russischen Ärzte und Juristen werden uns Klarheit über die Todesumstände geben.»
Lega steht unter Druck im Europawahlkampf
Politische Beobachter benennen als Grund für Salvinis Haltung den in Italien bereits voll entbrannten Europawahlkampf, bei dem es nicht nur um den Einfluss in Brüssel geht, sondern der auch ein Barometer für die Lage der italienischen Parteien zu Hause ist. Obwohl die drei Koalitionspartner der Regierung Meloni demonstrative Einigkeit zeigen, steht der einst erfolgsverwöhnte Salvini unter Druck.
Seine rechtspopulistische Lega liegt in Umfragen sogar noch unter den mageren 8,8 Prozent der letzten nationalen Wahlen. Melonis Fratelli d’Italia dagegen bringen es auf deutlich über 26 Prozent, mit denen sie 2022 zur grössten Partei Italiens geworden sind. Indem sich Salvini bei vielen Themen gegen den offiziellen Kurs der von ihm doch mitgetragenen Regierung positioniert, hofft er erkennbar auf Protestwähler.
Traditionell haben viele Menschen in Italien ein freundschaftliches Verhältnis zu Russland, und namentlich die Lega blickt auf eine lange prorussische Tradition zurück. Die Zeitung «La Repubblica» erinnerte gerade daran, dass der heutige Vizepremier im Oktober 2018 mit einer grossen Gruppe von Mitarbeitern nach Moskau flog – auch damals schon vor den Europawahlen.
Ein Jahr zuvor hatte die Lega mit Putins Partei Einiges Russland enge Kontakte auf allen Politikfeldern beschlossen. Die Vereinbarung wurde am 6. März 2017 unterzeichnet und hatte eine Laufzeit von fünf Jahren. Sie verlängerte sich automatisch am 6. März 2022, wenige Tage nach dem Einmarsch in der Ukraine. Putin wiederum adressierte bei einer Veranstaltung diese Woche in Moskau gezielt Italien als «ein Land, das uns immer sehr nah war» und an das er beste Erinnerungen habe.
Meloni lächelt Salvinis Störmanöver weg
Auch der dritte Koalitionspartner, Forza Italia, war früher im Lager der Putin-Freunde. Parteigründer und Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi pflegte eine Männerfreundschaft mit Putin und hielt nicht viel von Wolodimir Selenski. Doch Berlusconi ist inzwischen tot, und sein Nachfolger, Aussenminister Antonio Tajani, achtet sehr darauf, Meloni nicht in den Rücken zu fallen.
Meloni wiederum bleibt in der Aussenpolitik bislang unbeirrt auf ihrem westlichen Kurs, Störkampagnen von Salvini lächelt sie einfach weg. Ob sie damit ihre Koalition dauerhaft stabil halten kann, ist eine offene Frage. Für den G-7-Sondergipfel an diesem Samstag, nicht zufällig auf den zweiten Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine gelegt, wird es reichen.
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