Auslandtour von Italiens Premier Giorgia Meloni flüchtet sich ins Ausland
Sie wird in Berlin zum Antrittsbesuch erwartet, eine Etappe von vielen: Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni kommt im Ausland gerade besser an als daheim.
Giorgia Meloni ist auf internationaler Tour, alle paar Tage eine neue Destination. In Algier und Tripolis war sie in den vergangenen Tagen, da ging es um die Gasversorgung des Landes. An diesem Freitag wird sie mit militärischen Ehren in Berlin empfangen. Es ist dies der Antrittsbesuch der italienischen Ministerpräsidentin in Deutschland nach mehr als drei Monaten im Amt – und das ist ganz schön spät. Dann kommen Brüssel, Warschau, Kiew.
Volle Agenda. Und in Italien wird man den Eindruck nicht los, als behage ihr das Ausland gerade besser als die heimische Bühne mit ihren vielen politischen Fährnissen um ihre Minister und Parteifreunde.
Im befreundeten Ausland ist man nämlich noch immer angetan davon, dass Meloni ein paar zentrale Bekenntnisse aus dem Wahlkampf tatsächlich umsetzt: Ihre Regierung bleibt auf Linie, was die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland angeht, und das trotz unterschiedlicher Gemütslagen in der Koalition. Und sie verprasst kein Geld, hält die ohnehin strapazierte Buchhaltung in Ordnung.
Meloni sagt dann auch mit einigem Stolz, dass der Spread, also der Zinsunterschied zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen, schon länger einigermassen unter Kontrolle ist. Dieser Spread ist so etwas wie der Glaubwürdigkeitspegel für eine italienische Regierung. Es ist also, als sei es der Postfaschistin gelungen, die Sorgen im westlichen Europa stark zu dämpfen.
Die Gunst im Volk nimmt etwas ab, die Realität hat die Rechte eingeholt
Daheim aber läuft es gerade nicht so gut. Zum ersten Mal seit den Parlamentswahlen vom 25. September 2022 sinken die Popularitätswerte für sie persönlich und der Zuspruch für ihre Partei, die Fratelli d’Italia – nicht stark, doch der Trend scheint gebrochen zu sein. Die politischen Analysten sehen jedenfalls erste Zeichen für Ernüchterung im Volk.
Im Ausland mögen Realismus und Pragmatismus gut ankommen, doch daheim interessieren vor allem die Kosten der Inflation und die Preise für Benzin und Diesel. Meloni hatte als Oppositionelle immer versprochen, sie würde die alten Steuern aufs Benzin streichen, wenn sie an die Macht komme: Nun holte sie die Wirklichkeit ein, der Staat kann sich gewisse Dinge nicht leisten. Und schon schwindet ein Teil der Gunst.
Probleme gibt es auch mit ihrem politischen Personal, das immer wieder querschlägt – mit Inkompetenz oder mit alten Ticks. Viele Brüder Italiens scheinen noch nicht begriffen zu haben, dass sie nun nicht mehr in der Isolation stecken, sondern an der Macht sitzen.
Der jüngste Fall kreist um den Koordinator von Fratelli d’Italia, Giovanni Donzelli, einen der treusten Wegbegleiter Melonis. Donzelli fragte dieser Tage im Parlament mit polemischem Unterton, ob die oppositionellen Sozialdemokraten sich den Mafiosi und den Terroristen näher verbunden fühlten als dem italienischen Staat.
Der Grund? Drei Parlamentarier des Partito Democratico hatten den Anarchisten Alfredo Cospito im Gefängnis besucht. Cospito, 55, ist seit mehr als hundert Tagen im Hungerstreik, um so gegen sein hartes Haftregime zu protestieren. Die Parlamentarier schauten sich an, wie es um Cospito steht, nachdem dieser 45 Kilogramm Körpergewicht verloren hat. Es besteht die Sorge, der Ideologe könnte sich zu Tode hungern und so zum Märtyrer seiner Szene werden.
Darf er das? Nun läuft eine Untersuchung gegen Melonis Vertrauten
Donzelli zitierte für seine Tirade aus geheimen Dokumenten, die ihm ein Staatssekretär im Justizministerium und Parteifreund zugespielt hatte. Durfte er das? Im Parlament warf man ihm «institutionellen Analphabetismus» vor. Nun läuft eine Untersuchung.
Selbst innerhalb der Regierungskoalition ist der Ärger gross. «Das ist nicht unser Stil», liess ein prominenter Politiker von Forza Italia ausrichten. Von der rechtspopulistischen Lega heisst es, sie halte sich ruhig, um im Gegenzug Konzessionen für ihre eigenen Anliegen zu erreichen. Es wird nun auch wieder die unbequeme Frage verhandelt, ob Melonis Partei überhaupt genügend fähige Leute in ihren Reihen zählt, um ein grosses Land zu führen. Da tourt sie vielleicht lieber ein bisschen im Ausland herum.
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