Krafttraining fördert GesundheitDarum sollten Frauen regelmässig Gewichte stemmen
Langhantel, Beinpresse und Kugelgewicht: Frauen profitieren von Sport mehr als Männer. Warum gerade in den Wechseljahren der Muskelaufbau zentral ist.
- Frauen trainieren zunehmend auch Kraft, um fit zu werden.
- Studien belegen, dass Krafttraining die Lebenserwartung von Frauen deutlich erhöht.
- Frauen benötigen weniger Trainingszeit als Männer für ähnliche gesundheitliche Vorteile.
- Muskeln helfen Frauen besonders während und nach den Wechseljahren.
Lange Jahre schien in Fitnessstudios eine unausgesprochene Geschlechtertrennung zu herrschen: Während Männer im Hantelbereich pumpten, verausgabten sich Frauen eher auf Kardiogeräten wie Crosstrainer oder Laufband. Seit einiger Zeit verändert sich das Bild: Mehr und mehr Frauen finden den Weg zu Beinpresse, Langhantel und Kugelgewicht – eine Entwicklung, die nicht nur im Social-Media-Bereich augenfällig ist. Eine wachsende Zahl von Studien belegt zudem, dass der Trend dem vermeintlich schwachen Geschlecht in besonderem Masse zugutekommt.
Weniger Training, gleicher Effekt für Frauen
So zeigte eine Studie aus den USA und China im Frühjahr 2024 im «Journal of the American College of Cardiology», dass Frauen mit Blick auf die Steigerung ihrer Lebenserwartung deutlich weniger Sport treiben müssen als Männer – besonders gross waren die Vorteile bei Krafttraining.
Im Einzelnen ergab die Untersuchung der Gesundheitsdaten von über 400’000 US-Erwachsenen, dass regelmässige sportliche Betätigung das Sterberisiko bei Männern um 15 Prozent senkt, bei Frauen hingegen um 24 Prozent. Diese Werte ergaben sich im Vergleich zu Menschen, die keinerlei Sport trieben. Zusammengefasst: Männer müssen der Studie zufolge länger oder öfter als Frauen trainieren, um den gleichen Effekt zu erzielen.
Konkret erreichten Männer den maximalen Vorteil bei 300 Minuten mässigem bis intensivem Sport pro Woche, bei Frauen reichten für vergleichbare Effekte 140 Minuten pro Woche. Bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen reduzierte Sport das Sterberisiko bei Frauen um 36 Prozent, bei Männern hingegen nur um 14 Prozent. Und regelmässiges Training mit Gewichten liess das Sterberisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Männern um 11 Prozent sinken, bei Frauen aber um 30 Prozent.
Grundsätzliche körperliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen
Warum Frauen stärker von Bewegung profitieren, beantwortet die Studie nicht. Allerdings gibt es grundsätzliche körperliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So haben Frauen im Schnitt weniger Muskelmasse als Männer und müssen entsprechend weniger Sport treiben, um ihren muskulären Ausgangswert zu steigern. Ebenjener relative Kraftzuwachs – der also bei Frauen grösser als bei Männern ist – könnte eine Erklärung für die beobachteten Geschlechterunterschiede sein.
Die körperlichen Differenzen gehen unter anderem auf Hormone zurück, mit Testosteron als Hauptvertreter männlicher und Östrogen als Hauptvertreter weiblicher Geschlechtshormone.
Testosteron sorgt dafür, dass bei Männern kräftigere Knochen und mehr Muskeln gebildet werden, die zudem einen höheren Anteil sogenannter Fast-Twitch-Muskelfasern haben. Diese «weissen» Fasern können kurzfristig sehr schnell hohe Kraftleistungen erbringen, ermüden aber auch rascher als die «roten» Slow-Twitch-Fasern. Jene Fasern gewinnen ihre Energie mithilfe von Sauerstoff, können weniger schnell kontrahieren, haben aber eine höhere Ermüdungstoleranz. Der Anteil jener «roten Fasern» ist bei Frauen meist höher oder gleich hoch wie der der «weissen Fasern».
Angst vor zu viel Muskeln?
Dass Frauen im Schnitt eher zu Ausdauersportarten tendieren, liesse sich also durchaus physiologisch erklären. Ein weiterer Grund könnte auch in der Angst vor einem «zu muskulösen» Aussehen zu finden sein – eine unbegründete Sorge, wie Sportwissenschaftler Heinz Kleinöder von der Deutschen Sporthochschule Köln sagt: Da Frauen eben keinen hohen Testosteronspiegel hätten, würden sie weniger Muskeln aufbauen und geringere Kraftwerte haben.
«Ein Muskelaufbautraining ist immer lohnend, aber Muskelberge sind nicht zu erwarten», so der Experte. In gewissem Masse gelte das auch für Männer: «Wer zwei bis drei Mal die Woche Krafttraining macht, wird nicht wie Arnold Schwarzenegger in besten Jahren aussehen.» Dafür brauche es neben der Genetik tägliches Training, eine entsprechende Ernährung und entsprechende Regeneration – also ein Vorgehen wie bei professionellen Sportlerinnen und Sportlern.
Bei Frauen könnte aber auch die Sorge vor Verletzungen durch schwere Gewichte oder komplexe Übungen eine Rolle spielen. Doch Krafttraining erschöpft sich nicht darin, schwere Langhanteln hochzuwuchten. Vielmehr gelten alle Aktivitäten, bei denen die Muskeln gegen ein Gewicht oder einen Zug arbeiten müssen, als derartiges Training, das auch die Verwendung von Widerstandsbändern, Kraftmaschinen oder des eigenen Körpergewichts – etwa in Form von Liegestützen oder Ausfallschritten – umfassen kann.
Muskeln sind ein Motor
Insgesamt sollten Frauen keine Angst vor schweren Gewichten haben, und das vor allem um die Wechseljahre, wie Sportphysiologin und Ernährungswissenschaftlerin Stacy Sims seit Jahren betont. In ihrem Buch «Next Level» schreibt sie: «Wenn Sie sonst nichts tun, tun Sie dies: Heben Sie schwere Gewichte. Muskeln sind Ihr Motor.» Dieser Motor bestimme, wie schnell man laufen und wie leicht man Gepäck tragen oder Berge besteigen könne, und sei essenziell, um ein langes, aktives Leben führen zu können. «Muskeln geben Ihnen Energie. Man kann sie auch sehr leicht verlieren, vor allem, wenn man in die Umstellung der Menopause kommt», so Sims weiter. Tatsächlich wird die Muskelmasse bei Frauen spätestens ab dem 40. Lebensjahr rapide abgebaut.
Muskelaufbau stärkt indes nicht nur die Muskeln selbst, sondern auch die umliegenden Gelenke und Knochen – was das Training mit Gewichten eben insbesondere für Frauen rund um die Wechseljahre interessant macht. So ist bereits bekannt, dass Muskeltraining die Knochendichte fördert und damit das Risiko für Osteoporose senkt. Ebenjenes Risiko wird durch den um die Menopause einsetzenden Östrogenmangel signifikant erhöht – zusammen mit der schrumpfenden Muskelmasse ist das angesichts des Sturzrisikos im Alter fatal.
Frauen sind keine kleinen Männer
Dass die Vorteile von Krafttraining speziell für Frauen nicht schon viel breiter bekannt sind, liegt womöglich nicht zuletzt daran, dass viele sportmedizinische Studien lange Zeit ausschliesslich oder überwiegend mit Männern durchgeführt wurden. Entsprechend basieren Trainingsempfehlungen oft auf Daten von Männern, die dann einfach für Frauen runtergerechnet werden.
Seit einigen Jahren regt sich allerdings Widerstand dagegen: Mehr und mehr Expertinnen und Experten geben zu bedenken, dass für bessere Trainingsempfehlungen für Frauen deren Menstruationszyklus, die Wechseljahre, Schwangerschaften, Körperzusammensetzung und Hormone berücksichtigt werden müssten, wenn es um die Effekte nicht nur von Krafttraining, sondern von Sport im Allgemeinen gehe.
Und sie untersuchen, ob das Vorurteil stimmt, dass Männer wesentlich besser auf Trainingsreize durch Kraftsport reagieren. So auch eine im April 2024 im Fachjournal «Journal of Strength and Conditioning Research» veröffentlichte Metaanalyse: Sie sollte zeigen, wie junge Frauen auf Krafttraining reagieren und welche Variablen sie berücksichtigen sollen, um Kraft und Muskelmasse zu steigern.
Alle Studien ergaben, dass Krafttraining sowohl mit Blick auf die Muskelmasse als auch auf die tatsächliche Kraft statistisch signifikante Effekte bei Frauen zeigt.
Insgesamt deutet die Auswertung der verschiedenen Studien an, dass die Muskeln bei Frauen vielleicht langsamer ermüdeten und sich zudem schneller regenerierten als bei Männern. Entsprechend könnten Frauen womöglich davon profitieren, wenn sie intensiver trainierten, als derzeit in der Regel empfohlen wird. Insgesamt fehlten aber grössere Studien, um differenzierte Empfehlungen für Frauen verschiedener Altersgruppen und Trainingszustände abzuleiten.
Wer fernab eines personalisierten Trainingsplans von den Vorteilen des Krafttrainings profitieren will, kann sich an den allgemeineren Richtlinien von Sportwissenschaftler Kleinöder orientieren. Demnach sollte das Minimalprogramm bei zwei regelmässigen Trainingseinheiten pro Woche liegen. «Der Trainingsaufbau sollte progressiv, also allmählich erfolgen und das Training fest in den Kalender verankert werden», beschreibt der Experte. Ziel sei kein Training mit ganz vielen Wiederholungen, sondern ein Kraftaufbau mit Steigerung der Maximalkraft als Ganzkörpertraining.
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