Grossandrang in den SommerferienDiese Massnahmen sollen das Chaos am Flughafen abfedern
Ähnlich wie 2022 kommt es diesen Sommer wieder zu starken Störungen im Flugverkehr. Dieses Mal seien aber andere schuld, sagen Swiss und Swissport.
Ab sofort arbeiten die Flughäfen und die dort tätigen Firmen wieder an und über der Belastungsgrenze: Am Freitag und Samstag dieser Woche erwartet die Fluggesellschaft Swiss in Zürich mit über 17’000 abfliegenden Passagieren die Höchstwerte für dieses Jahr.
Es ist denkbar, dass die Reise für viele von ihnen zur Geduldsprobe wird. Denn in der europäischen Luftfahrt harzte es bereits in den letzten Monaten, als die Nachfrage noch nicht so hoch war: So meldet die Fluggesellschaft Swiss, dass sie ihre Pünktlichkeitsziele im Mai und im Juni weit verfehlt hat.
21 Prozent aller Flüge erreichten ihr Ziel mehr als eine halbe Stunde nach der geplanten Ankunftszeit. Die Swiss hatte sich das Ziel von höchstens 12 Prozent gesetzt. Auch verpassten 3 Prozent der Umsteigepassagiere ihre Anschlussflüge. Das Ziel liegt bei höchstens 1,5 Prozent.
Wer ist schuld am Chaos?
Hat es die Swiss also wieder verpatzt, einen stabilen Flugbetrieb anzubieten? Im vergangenen Chaossommer waren die Probleme zu einem guten Teil hausgemacht. Das Unternehmen litt darunter, dass es während der Pandemie Personal abgebaut hatte und zu wenig schnell neues rekrutieren konnte.
Dieses Mal klingt es anders. «Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht», sagte Swiss-Betriebschef Oliver Buchhofer am Mittwochmorgen anlässlich einer Medieninformation, die die Airline im Verbund mit dem Bodenabfertiger Swissport organisiert hatte. Stattdessen sagte Buchhofer: «Die Probleme liegen ausserhalb unseres Einflussbereichs.»
«Dieses Jahr ist das Wetter besonders herausfordernd.»
Bereits länger ein Problem sind die überlasteten Flugsicherungskapazitäten insbesondere in Frankreich und Deutschland. Hinzu kommen dieses Jahr Streiks an verschiedenen Flughäfen: Unter anderem streikten Ende Juni Teile des Bodenpersonals in Genf; für Samstag sind Streiks des Bodenpersonals in ganz Italien angesagt.
«Dieses Jahr ist zudem das Wetter besonders herausfordernd», sagt Buchhofer. Der Flughafen Zürich mit seinen kreuzenden Pisten muss jeweils seine Kapazität einschränken, wenn die Wetterbedingungen nicht optimal sind. Im Mai habe der Flughafen an einem Drittel der Tage das sogenannte Bisen-Konzept anwenden müssen, sagt Buchhofer. Bei diesem liegt die Kapazität um 35 Prozent unter jener des Standardkonzepts. Entsprechend summieren sich dann die Verspätungen.
Für diese Störfaktoren können Swiss und Swissport tatsächlich nichts. Um die Reise für die Kundschaft trotzdem so angenehm wie möglich zu gestalten, haben sie für diesen Sommer eine Reihe von Anpassungen vorgenommen:
Eine Mail bestellt die Passagiere zur richtigen Zeit an den Flughafen
Ab Freitag erhalten alle Fluggäste per Mail einen Vorschlag, wann sie am besten am Flughafen ankommen sollen. Ziel ist, dass sie vor den verschiedenen Nadelöhren wie der Sicherheits- oder der Passkontrolle so kurz wie möglich warten müssen. Der Grund für die Neuerung ist, dass viele Passagiere bisher aus Angst vor langen Warteschlangen früher an den Flughafen kommen, als sie müssten. Damit aber stehen sie dann mit Personen in der Schlange, die früher abfliegen – und verstopfen so das System.
Neue Check-in-Schalter nur für Familien
Insbesondere während der Sommerferien sind Familien eine bedeutende Passagiergruppe an den Flughäfen – und sie haben ganz eigene Bedürfnisse: So reisen sie oft mit mehr Gepäck als andere Fluggäste, haben Kinderwagen dabei oder bringen spezielle Sitzwünsche an. Um sie und ihre besonderen Bedürfnisse separiert abzudecken, hat Swissport für die Swiss in den Check-in-Hallen 1 und 3 des Flughafens Zürich zusätzlich eigene Familienschalter eingerichtet. Ebenfalls gibt es spezielle Schalter für sperriges Sportgepäck wie Golftaschen oder Velos.
Mobile Helfer
Wer nicht weiss, an welchen Check-in-Schalter er muss oder wer die Selbstbedienungsanlagen für den Check-in nicht bedienen kann, sollte nach Personen in neongelben Westen Ausschau halten: Die sogenannten Angels – also Engel – erteilen Auskunft oder können mit mobilen Maschinen Gepäcketiketten ausdrucken. Die «Angels» sind von Swissport angestellt, arbeiten aber exklusiv für die Swiss, und zwar nur in Zürich und Genf. Die Billig-Airlines am Euroairport Basel wollten dieses Zusatzangebot nicht buchen, heisst es von Swissport.
Genug Personal
800 neue Flight Attendants hat die Swiss letztes Jahr rekrutiert, 1000 sollen es dieses Jahr sein. «Wir haben genug Personal. Auch wenn wir mehr hätten, würde das System nicht besser funktionieren», sagt Buchhofer. Diese Aussage gilt allerdings nur vor dem Hintergrund, dass die Swiss aktuell 8 beziehungsweise 16 Flugzeuge inklusive Crews von Air Baltic und Helvetic Airways mietet.
Auch Swissport will von Personalproblemen nichts wissen. So sagt Marco Bötschi, der Verantwortliche für den Standort Zürich beim Bodendienstleister: «Aktuell arbeiten in Zürich 2300 Personen für uns, das sind nur 50 weniger als vor der Pandemie.»
Trotzdem scheint die Firma nicht sicher zu sein, ob sie für die kommenden Wochen immer genug Personal hat: So zieht sie Personal von ihren Standorten Genf und Basel für Zürich ab. Und sie hat soeben auch ihren Angestellten 700 Franken angeboten, wenn sie ihre für August geplanten Ferien auf Ende Jahr verlegen.
Stabilität vor Pünktlichkeit
Die Planerinnen und Planer der Swiss stehen oft vor einem Dilemma: Wollen sie ein Flugzeug schon auf die Reise schicken, damit es pünktlich ankommt, oder soll es noch warten, um verspätete Umsteigepassagiere mitzunehmen? Ein anderes Beispiel: Soll ein stark verspätetes Kurzstreckenflugzeug eine Rotation (also Hin- und Rückflug) auslassen, um danach wieder besser im Zeitplan zu sein?
«Wir fokussieren darauf, alle Flüge durchzuführen, auch wenn das Verspätungen nach sich zieht», sagt Swiss-Manager Buchhofer. Das bedeutet: Die Verspätungssituation dürfte sich bei der Swiss in nächster Zukunft nicht merklich verbessern. Aber wenigstens kommen die Passagiere am Zielort an.
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