Kantönligeist im «Altbacken» Feuchter, klebriger, besser: Lebkuchen aus der Urschweiz
Abgestimmt über das beste Rezept wurde einst in einer Nidwaldner Backstube. Und in Obwalden macht man fast alles gleich.
Er ist extrem feucht und extrem klebrig, und auch deshalb kommt er jetzt endlich wieder langsam in Mode. Weil die Abende schwerer werden und die Morgen frisch. Und das bedeutet, es ist nicht nur der Herbst da, sondern auch die Zeit, in der man Lebkuchen essen kann, ohne sich dabei zu fragen, ob das jetzt vielleicht nicht zu weihnachtlich ist.
Der Nidwaldner Lebkuchen erinnert schon beim Schneiden an etwas Verbotenes, im Sinne von: verboten gut und vor allem ziemlich reichhaltig. Und doch ist es ein Rätsel. Wie kann es sein, dass so ein Stück so kompakt in einer Form ruht und dann doch irgendwie luftig schmeckt?
Dabei ist es nicht mal eine verbotene Frucht, die diesen Lebkuchen so unwiderstehlich macht, sondern Birne. Statt Bienenhonig wie bei den meisten anderen Gebäcken dieser Art verwendet man hier Birnenhonig. Birnendicksaft sagt man auch, er ist übrigens auch in und auf dem Luzerner Lebkuchen zu finden.
Und doch ist der Nidwaldner anders. Wie sein Verwandter aus Luzern wird er seit Jahrhunderten gebacken und zum Beispiel als Znacht aufgetischt. Aber die Masse sei viel flüssiger, sagt Thomas Christen. Man giesst sie in eine Form und formt sie nicht von Hand zu Lebkuchen wie drüben im Nachbarkanton, wo die fertigen Kuchen dann Risse aufweisen.
Christens Bäckerei unterhält Filialen an sieben Standorten und eine grosse Backstube in Buochs. In dessen Pausenraum sitzt der Beck, als wir ihm die schwierige Frage stellen: Und was ist der Unterschied zum Obwaldner Lebkuchen? Christen, der Präsident des Ob- und Nidwaldner Bäckerverbands ist, «muss jetzt aufpassen», was er sagt. Der Obwaldner sei ähnlich, aber eventuell fester, meint er. Aber auch er ohne Risse.
Nichts ist an widrigen Herbstabenden tröstlicher als diese süsse, feuchte, klebrige Masse.
Kurz: Die Rezeptur ist ungefähr die gleiche. Doch haben die beiden offensichtlich eine andere Form: Eckig in Nidwalden, rund in Obwalden. Thomas Christens Mutter übrigens brauchte für ihren Lebkuchen eingedickten Süssmost statt Birnensaft. Und Poldi Leutholds Grossmutter machte ihn so, wie er heute noch beim Beck Christen gemacht wird. Poldi Leuthold ist ein langjähriger Mitarbeiter, und sein Rezept gewann damals, vor 25 Jahren, als in der kleinen Bäckerei ein interner Wettbewerb stattfand. Fünf Kandidaten, fünf Lebkuchen, ein Gewinner.
Auf dem Heimweg kaufen wir in Sarnen bei der Bäckerei Berwert noch ein Obwaldner Exemplar. Das ist rund, vielleicht einen Tick weniger feucht und tatsächlich erahnt man die «spannende Säure», die Christen an seinem eigenen so mag, mehr, als dass sie wirklich zu schmecken wäre.
Beide aber, und das ist uns schon lange klar, werden prima Begleiter sein in den kommenden Monaten. Nichts ist in widrigen Herbstabenden tröstlicher als eine süsse, feuchte, klebrige Masse. Die Ob- und Nidwaldner geben übrigens noch einen drauf: Dort gibts heute noch Butter oder Schlagrahm zum Lebkuchen.
In der Serie «Altbacken» stellen wir Bäckereien vor, die vom Aussterben bedrohte Backwaren herstellen oder historisch versiert backen. Wir freuen uns über Tipps.
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