Wechsel bei Credit SuisseEx-Chefjurist der UBS soll jetzt bei der CS aufräumen
Markus Diethelm hat schon viele milliardenteure Rechtsstreitigkeiten für Konzerne geklärt. Nun könnte der 64-Jährige bei der CS anheuern. Arbeit gäbe es genug.
Am Montag blieb das Handy von Markus Diethelm aus: Der frühere Chefjurist der UBS mischte sich unter das Feiervolk am Zürcher Sechseläuten.
Viel Zeit zum Feiern wird der 64-Jährige wohl bald nicht mehr haben: Bank-Kreise bestätigen, dass Diethelm ein heisser Anwärter auf den Posten des Chefjuristen bei der skandalgeplagten Credit Suisse ist, wie die «NZZ am Sonntag» und weitere Medien am Wochenende berichteten.
13 Jahre im Dienste der UBS
Noch ist die Berufung aber nicht in trockenen Tüchern, wie Finanzkreise betonen. Die CS selbst verwies auf ihr Statement vom Wochenende, demzufolge die Bankführung sich derzeit mit der Besetzung «potenzieller Geschäftsleitungspositionen» beschäftige, der Verwaltungsrat aber noch keine Entscheidungen getroffen habe. Am Mittwoch verkündet die Grossbank ihr Quartalsergebnis, was eine gute Gelegenheit wäre, Spitzenpersonalien zu verkünden.
Die Herausforderung des Jobs wäre ganz nach Diethelms Geschmack, dessen Selbstbewusstsein sich schlecht mit Bedeutungslosigkeit verträgt. Im November war er nach 13 Jahren bei der UBS als Chefjurist abgetreten.
Gleichzeitig ist der Posten des CS-Chefjuristen, den derzeit Romeo Cerutti bekleidet, für den Stanford-Juristen nicht ohne Risiken: Denn schafft er es nicht, die finanziellen Folgen der laufenden Rechtsstreitigkeiten bei der Credit Suisse in verdaubare Bahnen zu lenken, dürfte die Kritik an seiner Person sehr schnell sehr laut werden.
Amtsinhaber Romeo Cerutti gilt mit seiner Strategie als gescheitert. Gemeinsam mit dem früheren Bank-Präsident und Amtsvorgänger Urs Rohner steht Cerutti für eine harte Linie, Rechtsstreitigkeiten vor Gericht auszufechten.
Diethelms Meisterstück war 2013 der Libor-Vergleich. Er ersparte der Bank 2,5 Milliarden Franken.
Diethelm dagegen hatte bei der UBS wichtige Fälle per Vergleich abgeräumt. Sein Meisterstück war 2013 der Vergleich im Libor-Fall: Obwohl UBS-Händler zu den Strippenziehern bei den Zinsabsprachen zählten, konnte er bei der EU-Kommission den Kronzeugenstatus für seine Bank erreichen, was der UBS eine Busse von 2,5 Milliarden Euro ersparte.
Vor der UBS stand Diethelm in den Diensten der Swiss Re. Als er deren Chefjurist war, ersparte er dem Rückversicherer rund 900 Millionen Dollar, weil er die US-Justiz überzeugen konnte, dass der Zusammenbruch der Doppeltürme des World Trade Center im Jahr 2001 als ein Schadenereignis zu werten sei und nicht als zwei.
Risiken in dieser Grössenordnung gibt es bei der Credit Suisse so einige. Erst vergangene Woche warnte die Grossbank vor einem Quartalsverlust. Hauptgrund sind neue Rückstellungen für Rechtsrisiken für alte Fälle von insgesamt 700 Millionen Franken.
Teurer Schadenersatzprozess
So droht der Streit um den Betrugsberater Patrice Lescaudron unabsehbar teure Folgen zu haben. Der einstige Star-Banker der CS in Genf hatte ab 2011 reichen Kunden wie dem georgischen Milliardär Bidzina Ivanishvili dreistellige Millionenbeträge aus dem von ihm betreuten Vermögen abgezweigt. Die Bank selbst sieht sich als Opfer, Ivanishvili und weitere Kunden wollen von der Bank dagegen für Lescaudrons Treiben entschädigt werden.
Ende März hatte ein Gericht auf den Bermudas den Klägern recht gegeben und ihnen über 500 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen. Im September wird der Fall vor einem Gericht in Singapur verhandelt. Hier scheint die Frage, ob der Zug für einen halbwegs tragbaren Vergleich nicht bereits abgefahren ist, berechtigt.
Zweiter potenziell teurer Fall in der Liste der Rechtsrisiken, die im Geschäftsbericht 16 Seiten füllt: der Greensill-Skandal. Hier ist überhaupt noch nicht absehbar, wie teuer es für die CS werden kann.
Zur Erinnerung: Die britische Finanzboutique hatte Lieferketten-Forderungen verbrieft und gegen Ausfall versichert; die Credit Suisse packte diese Wertpapiere dann in Fonds, die sie an ihre superreiche Kundschaft verkaufte. Als die Versicherungen die Kredite nicht mehr gegen Ausfall versichern wollten, wurde schlagartig klar, dass Greensill Forderungen von wenig solventen Firmen wie dem Stahlkonzern GFG Alliance en masse angehäuft und in die CS-Fonds gepackt hatte. Daher warten die Fondskunden bis heute noch auf rund 2,7 Milliarden Dollar.
Ein schneller Vergleich ist hier schlicht nicht möglich, denn damit würde die Grossbank einen Präzedenzfall schaffen, wenn sie Kunden für Verluste aus ihren Investments entschädigt.
«Die jüngst angekündigten Rückstellungen für Rechtsrisiken werden nicht die letzten gewesen sein.»
Diethelm selbst hat zudem in zwei teuren Fällen bei der UBS ebenfalls keinen Vergleich erreicht: Bis heute ist umstritten, ob es klug war, im Frankreich-Fall um Beihilfe zur Steuerhinterziehung einen Prozess zu riskieren. Die zweite Instanz hat die Kosten immerhin von 4,5 auf 1,8 Milliarden Euro gesenkt.
Und anders als die Credit Suisse hat die UBS eine Zivilklage der US-Justiz im Zusammenhang mit dem Verkauf von US-Schrottanleihen noch nicht beigelegt.
Aus Sicht der Credit Suisse kommen die jetzt neu auflaufenden Kosten für alte Rechtsstreitigkeiten zur Unzeit: Der Umbau der Bank drückt auf die Einnahmen. Gleichzeitig steigt der Eigenmittelbedarf, weil die Märkte stark schwanken und damit die Risiken steigen. Die Folge: Der finanzielle Spielraum für Vergleiche ist nicht gross – egal, wie der Chefjurist heisst. «Die jüngst angekündigten Rückstellungen für Rechtsrisiken werden nicht die letzten gewesen sein», warnt daher Andreas Venditti, Bank-Analyst bei Vontobel. «Die Anleger haben das Risiko der Rechtsfälle bei der CS lange unterschätzt.»
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