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Offene Fragen zum EU-Deal
Das Entscheidende hält der Bundesrat unter dem Deckel

Swiss Federal councillor Beat Jans, left, Swiss Federal councillor Guy Parmelin, Swiss Federal councillor Ignazio Cassis, from left, take a place prior to a press conference on the conclusion of negotiations between Switzerland and the EU, in Bern, Switzerland, on Friday, on December 20, 2024. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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In Kürze:
  • Der Bundesrat hat bisher nur gekürzte Vertragszusammenfassungen zur EU veröffentlicht.
  • Gewerkschaftsbund-Präsident Maillard fordert Transparenz und Zugänglichkeit der Originaltexte.
  • Experten kritisieren, dass ohne vollständigen Vertrag keine Bewertung möglich sei.
  • Die Schutzklausel ist laut Politologin Nora Meier noch unzureichend konkretisiert.

Die NZZ hat sich sehr schnell eine sehr klare Meinung zum vom Bundesrat ausgehandelten Deal mit der EU gebildet. Nur Stunden nachdem die Regierung am 20. Dezember die Öffentlichkeit über das Verhandlungsergebnis informiert hatte, schrieb der Chefökonom der Zeitung in einem grossen Kommentar auf der Titelseite, das Abkommen sei «maximal massgeschneidert». Es sichere «der Schweiz eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Integration in den EU-Binnenmarkt». Auch die ausgehandelte Schutzklausel, welche die Zuwanderung in die Schweiz begrenzen soll, bewertete er wohlwollend.

Wie die NZZ das komplizierte Vertragskonstrukt so schnell, so klar durchschauen konnte, bleibt deren Geheimnis. Fakt ist: Der Bundesrat hat bis heute nur einen Bruchteil dessen publik gemacht, was er mit der EU tatsächlich ausgehandelt hat: insgesamt bloss fünfzehn Seiten, davon zwei Seiten Medienmitteilungen und zwölf vom Bund als «Faktenblätter» bezeichnete Zusammenfassungen, auf denen er die Verhandlungsresultate sehr stark verkürzt erklärte. Den Originaltext hält er bis heute unter Verschluss.

Dabei ist das Verhandlungsergebnis ein Vielfaches davon. Es umfasst «mehrere Hundert Seiten», teilt das für das EU-Dossier zuständige Aussendepartement (EDA) auf Anfrage mit. Auf die Frage, warum der Originaltext der Verhandlungsergebnisse geheim bleibe, antwortet EDA-Sprecherin: «Die Abkommenstexte sind nicht geheim. Sie werden nach dem legal scrubbing und der Übersetzung vom Bundesrat im Rahmen der Eröffnung der Vernehmlassung veröffentlicht werden.» Die Vernehmlassung soll im Mai oder Juni starten. Legal scrubbing heisst so viel wie juristische Überprüfung.

Gewerkschaftschef Maillard geisselt den Bundesrat

Für die Bevölkerung, die Politik und die Verbände bedeutet das Zurückhalten der Originaldokumente, dass sie sich in den kommenden fünf Monaten bloss auf der Basis der kurzen Zusammenfassungen eine Meinung bilden müssen. 

Experten wie Politiker sind sich einig, dass man die entscheidenden Punkte so eigentlich gar nicht beurteilen könne. Besonders scharf kritisiert dies Pierre-Yves Maillard, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Er bezeichnete die Publikation der Faktenblätter in einem Interview mit dem «Blick» als reine PR-Übung und forderte, dass der Bundesrat dem Volk den Originaltext vollständig zugänglich macht. «Der Bundesrat muss Transparenz schaffen», so Maillard. 

Die Gewerkschaften sagen, den Vertragstext im Detail zu kennen, sei für sie entscheidend. Sie wollen dem EU-Deal nur zustimmen, wenn die Arbeitgeber in der Schweiz ihnen bei den Löhnen entgegenkommen. Damit wollen sie die Nachteile, welche der EU-Deal für Arbeitnehmer in der Schweiz beim Lohnschutz bringen würde, kompensieren. Ohne Originalverträge fehle aber die Verhandlungsbasis mit der Wirtschaft.

Dass man sich auf der Basis der vom Bundesrat publizierten Zusammenfassung noch gar keine Meinung bilden kann, bestätigte auch FDP-Präsident Thierry Burkart im Interview mit der «Schweiz am Wochenende»: «Der Text des Abkommens liegt noch nicht vor. Als Anwalt weiss ich, dass man einen Vertrag vollständig kennen muss, bevor man ein Urteil darüber abgibt.» Man müsse auch das Kleingedruckte gelesen haben.

Experten: Beurteilung der Schutzklausel nicht möglich

Das sehen auch unabhängige Expertinnen so – zum Beispiel bei der Schutzklausel, welcher in der Debatte um den EU-Deal eine zentrale Rolle zukommt. «Ob sie in der Realität etwas taugt, wird man erst sehen, wenn der Bundesrat konkretisiert, unter welchen Bedingungen sie aufgerufen werden kann und ob die EU mit den von der Schweiz angestrebten Massnahmen einverstanden ist», sagt die auf Verhandlungsführung spezialisierte Politologin Nora Meier. Zusammen mit dem emeritierten ETH-Professor Michael Ambühl hat sie mehrfach zu den Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU publiziert, unter anderem auch zur Frage des Streitbeilegungsverfahrens. 

Genau gleich sieht das auch Christa Tobler, Professorin für Europarecht an der Uni Basel: «Bis jetzt hat der Bundesrat nicht kommuniziert, wie genau die Probleme aussehen müssten, damit die Schweiz die Schutzklausel anrufen würde.»