Neues Vertragspaket mit der EUGewerkschaftspräsident Maillard schiesst gegen den EU-Deal: Das aktuelle Lohnniveau sei nicht gesichert
Für den obersten Schweizer Gewerkschafter ist der neue EU-Deal inakzeptabel. Die EU-Spesenregelung könnte zu Lohneinbussen bei Hunderttausenden von Arbeitnehmenden führen.
Vergangene Woche hat der Bundesrat das neue Vertragspaket der Schweiz mit der EU präsentiert: An 197 Sitzungen während rund neun Monaten haben die EU und die Schweiz den Zugang zum EU-Binnenmarkt neu verhandelt. Dabei ging es um die Personenfreizügigkeit, den Land- und Luftverkehr, die Landwirtschaft sowie die Bereiche Strom, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Bundespräsidentin Viola Amherd bezeichnete den neuen Deal als Meilenstein.
Gewerkschaftspräsident Pierre-Yves Maillard sieht das jedoch ganz anders. In einem Interview mit dem «Blick» kritisiert er den neuen EU-Deal und seine Bedeutungen für den Lohnschutz scharf: Nicht das heutige Lohnniveau werde gesichert, so der Gewerkschaftsboss, sondern das neu verhandelte. Das jetzige Resultat sei inakzeptabel. Es drohe in mehreren Bereichen eine massive Verschlechterung, unter anderem bei der sogenannten Voranmeldefrist, die von acht auf vier Tage verkürzt werde.
Als besonders problematisch empfindet Maillard aber die EU-Spesenregelung, welche die Schweiz übernehmen müsse: Wenn die Schweiz nicht gesetzlich eindeutig regle, dass die hiesigen Spesenansätze für alle gälten, bleibe das Risiko, dass dies juristisch angefochten werde. Das Bundesgericht könne darum im schlechten Fall die EU-Regel anwenden – «mit schweren Folgen».
EU-Spesenregelung könnte Hunderttausenden eine Verschlechterung bringen
In solch einem Szenario wären laut Maillard «entsandte Arbeitskräfte billiger als unsere eigenen, weil sie weniger Spesen bekommen. Das würde auch den Druck auf die heimischen Löhne erhöhen.» Damit steige der Druck auf die Gesamtarbeitsverträge, die Spesenansätze nach unten anzupassen, wodurch Hunderttausenden Arbeitnehmenden eine Verschlechterung drohe.
Solange der autonome Lohnschutz und der Schutz des Service public nicht gewährleistet seien, gebe es vonseiten des Gewerkschaftsbunds ein Nein. Hinter verschlossenen Türen würden viele sagen, dass das neue EU-Abkommen keine Chancen habe, kritisiert Maillard den neuen Deal weiter. Neben dem Gewerkschaftsbund ist aktuell auch die SVP gegen das neue Vertragswerk. Eine Zusammenarbeit mit der Volkspartei und Christoph Blocher komme für Maillard aber nicht infrage.
Bei der SP könnte es nun zwei Lager geben: eines, das sich für den EU-Deal ausspricht, und eines, das sich mit dem Anliegen der Gewerkschaften identifiziert. «In allen Parteien gibt es zu solch komplexen Themen teils unterschiedliche Positionen», so Maillard. «Es ist möglich, dass die einen das Paket am Ende für ausreichend halten, die anderen nicht.»
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