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Arbeitgeberpräsident im Interview
«Offenbar wollen die Gewerkschaften das Abkommen mit der EU ablehnen»

Portrait von  Arbeitgeberpraesident Severin Moser
27.11.2023
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
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Bundespräsidentin Viola Amherd sprach von einem «Meilenstein», als sie vor einer Woche das Vertragspaket der Schweiz mit der EU vorstellte. Ob am Ende auch das Volk Ja sagen wird, ist aber unsicher. Die SVP wird ganz sicher dagegen sein. Und wenn auch die Gewerkschaften nicht dahinterstehen, wird es sehr, sehr schwierig.

Im Moment sieht es ganz danach aus. Hat doch Gewerkschaftspräsident Pierre-Yves Maillard das Paket in einem Interview mit dem «Blick» scharf kritisiert. Ihm zufolge hat der Bundesrat den Schweizer Lohnschutz geopfert. Deutlich ruhiger waren bisher die Arbeitgeber. Sind sie bereit, die Gewerkschaften mit Zugeständnissen im Inland doch noch fürs Abkommen zu gewinnen? Severin Moser, Präsident des Arbeitgeberverbands, steht Rede und Antwort.

Herr Moser, lässt sich eine Volksabstimmung über die neuen EU-Abkommen ohne die Unterstützung der Gewerkschaften gewinnen?

Das dürfte schwierig werden. Insbesondere, wenn auch von bürgerlicher Seite Kritik laut wird. Es könnte davon abhängen, wie sich die linken Parteien verhalten: ob sie sich in Geiselhaft der Gewerkschaften begeben und Nein sagen; oder ob sie eine eigenständige Position entwickeln, die auch von jener der Gewerkschaften abweichen kann.

Es wäre also wichtig, die Gewerkschaften im Boot zu haben?

Eine solch breite Unterstützung wäre sicher zu begrüssen.

Gewerkschaftspräsident Pierre-Yves Maillard macht aber ziemlich lautstark Stimmung gegen das Abkommen. Wäre es nicht an der Zeit, ihn durch Zugeständnisse zu überzeugen?

Er kritisiert das Paket schon seit langem – vor allem in der Öffentlichkeit. Dies lässt einen vermuten, dass die Gewerkschaften das Abkommen gar nicht wollen und deshalb immer irgendwelche Haare in der Suppe suchen.

In einem grösseren Interview mit dem «Blick» sagte Maillard am Freitag, der Bundesrat habe den Schweizer Lohnschutz geopfert.

Das ist schlicht falsch.

Der Gewerkschaftspräsident begründet dies mit schwierigeren Kontrollen, weil zum einen die Voranmeldefrist ausländischer Firmen von acht auf vier Tage verkürzt wird und zum andern die Kautionspflicht eingeschränkt wird. Auch kritisiert er die Regel, die besagt, dass sich die Höhe der Spesen daran bemisst, wo ein Arbeitnehmer herkommt – und nicht wo er arbeitet.

Die Voranmeldefrist lässt sich problemlos von acht auf vier Tage reduzieren, wenn man wie geplant die Informatik verbessert. Auch darf die Schweiz bei Firmen, die bereits gegen Regeln verstiessen, weiterhin eine Kaution verlangen. Mit zusätzlichen Massnahmen wie etwa einer Kautionsversicherung und einem Zahlungsstopp lässt sich die Abschaffung der Kautionspflicht kompensieren. Daran arbeiten wir jetzt unter der Leitung des Staatssekretariats für Wirtschaft.

Bleibt noch die Spesenregelung.

Wie die Gewerkschaften sind auch wir der Ansicht, dass man für gleiche Arbeit am gleichen Ort gleich viel bezahlen muss. Mit zusätzlichen schweizerischen Regeln werden wir hier ebenfalls dafür sorgen, dass ausländische Firmen gleich lange Spiesse haben wie die inländischen.

«Das lässt sich alles absichern.»

Severin Moser

Wollen Sie damit sagen: Pierre-Yves Maillard hat gar keinen Grund zum Jammern?

Ja, das lässt sich alles absichern. Dies müssen wir nun in den nächsten Monaten machen. Wir Arbeitgeber haben doch auch kein Interesse, dass ausländische Firmen beim Ausführen von Aufträgen in der Schweiz tiefere Hürden haben als inländische Firmen.

Haben Sie sich über die Aussagen von Herrn Maillard geärgert?

Anfänglich ja, unterdessen nicht mehr. Aber ich verstehe den längerfristigen Plan nicht, den der Gewerkschaftsbund damit verfolgt. Entweder will er die bilateralen Verträge nicht weiter fortführen. Oder er will grosse Konzessionen von uns Arbeitgebern erpressen.

Und? Sind Sie dazu bereit?

Wir werden den liberalen Arbeitsmarkt in der Schweiz nicht opfern. Länder, die dies getan haben und viele Gewerkschaftsvertreter in den Aufsichtsräten ihrer Firmen haben – etwa Deutschland –, haben jetzt grosse Probleme. Das zeigt sich etwa bei VW. In eine solch schlimme Situation wollen wir nicht geraten. Wir wollen flexibel auf Veränderungen reagieren können und sind daher beispielsweise gegen einen stärkeren Kündigungsschutz.

Wo sehen Sie denn Spielraum?

Es gibt wie bereits ausgeführt viele Instrumente, um den Lohnschutz sicherzustellen. Vor allem sind wir aber der Meinung, dass das Ziel, den Lohnschutz auf dem gegenwärtigen Niveau zu erhalten, mit den getroffenen Vereinbarungen praktisch erreicht ist. Die verbleibenden Probleme Kaution und Spesen lösen wir innerstaatlich.

Sind Sie auch bereit, den Gewerkschaften bei den Gesamtarbeitsverträgen entgegenzukommen?

Wenn es darum geht, einen bestehenden allgemein verbindlichen Gesamtarbeitsvertrag weiterzuführen, obwohl die dafür nötigen Regeln temporär nicht mehr erfüllt sind, kann man über eine Lockerung sprechen. Wir bieten aber nicht Hand zu flächendeckenden Gesamtarbeitsverträgen in Branchen, wo es sie heute nicht gibt.

«Die Gespräche sind konstruktiver als das, was man in der Zeitung liest.»

Severin Moser

Sind die Gespräche mit den Gewerkschaften ebenso verhärtet wie die öffentlichen Auftritte?

Unser Eindruck ist, dass die Gespräche konstruktiver sind als das, was man in der Zeitung liest.

Bis wann erwarten Sie Resultate?

Dies muss nun schnell gehen. Wir müssen im Januar oder Februar eine Lösung finden. Sonst müsste der Bundesrat ein Machtwort sprechen und einen eigenen Vorschlag zuhanden des Parlaments machen.

Pierre-Yves Maillard sagt, die Arbeitgeber würden ein Scheitern des neuen EU-Abkommens in Kauf nehmen und den Gewerkschaften in die Schuhe schieben wollen. Zeichnet sich da ein Blame-Game ab?

Dieses ist bereits im Gang, indem uns Herr Maillard vorwirft, wir seien nicht flexibel. Und indem er sagt, der Bundesrat habe den Lohnschutz geopfert. Da geht es um Ablenkung. Offenbar wollen die Gewerkschaften das Abkommen ablehnen. Warum genau, weiss ich auch nicht. Sicher nicht wegen des Lohnschutzes. Denn diesen werden wir sicherstellen können.