Ausschüttungen der SNBErneut Riesenverlust der Nationalbank – versiegt jetzt der Geldsegen?
Das Minus von 95 Milliarden Franken für die ersten sechs Monate könnte Folgen haben, die auch Bürgerinnen und Bürger treffen.
Die Schweizerische Nationalbank schreibt auch für das zweite Quartal einen riesigen Verlust. Das Minus beträgt 62,4 Milliarden Franken. Bereits im ersten Quartal musste sie wegen der schwachen Finanzmarktentwicklung einen Verlust von 32,8 Milliarden hinnehmen.
Für die ersten sechs Monate resultiert somit ein Minus von 95,2 Milliarden Franken, wie es in einer Mitteilung der Nationalbank heisst. Vor allem die Verluste auf den Fremdwährungspositionen wiegen mit 97,4 Milliarden schwer.
Hohe Ausschüttungsreserve dürfte schwinden
Ukraine-Krieg, Energiekrise, Börsencrash, Inflation, starker Franken: Die Schweizer Nationalbank kämpft inzwischen gegen viele Gefahren gleichzeitig. Zudem droht bald eine wichtige Einnahmequelle für den Bund und die Kantone zu versiegen: die jährlichen Ausschüttungen der SNB-Gewinne. Wenn sie nicht mehr sprudeln, betrifft das jede Schweizerin und jeden Schweizer. «Vielleicht reicht es dieses Jahr noch, aber langfristig wird die Nationalbank kein Geld für grosse Ausschüttungen haben», sagte jüngst Wirtschaftsexperte Klaus Wellershoff im Gespräch mit Tamedia.
Stand heute sind die Ausschüttungen gemäss UBS jedenfalls zumindest gefährdet. Da die SNB auch dieses Jahr zusätzliche Rückstellungen von gegen 10 Milliarden tätigen dürfte, müsste sie bereits bei einem Jahresverlust von etwa 93 Milliarden Franken auf Ausschüttungen an Bund und Kantone verzichten.
Erholen sich die Märkte?
Die Ökonomen der Grossbank UBS erwartet zwar eine Erholung der Aktienmärkte in der zweiten Jahreshälfte. Gleichwohl sollte «aus der Perspektive einer vorsichtigen Fiskalpolitik die SNB-Ausschüttung im nächsten Jahr nicht als gesetzt angesehen werden», schreibt sie in ihrem Kommentar.
Zum Ende des Corona-Jahres 2021 schüttete die SNB noch den Maximalbetrag von 6 Milliarden Franken an Bund und Kantone aus. Auch deshalb konnten die Kantone bessere Rechnungsabschlüsse als erwartet präsentieren. Für die nächsten Jahre sind die SNB-Milliarden schon eingeplant.
Zürich zum Beispiel rechnet mit 474 Millionen jährlich
Der Kanton Zürich etwa rechnet von 2023 bis 2025 mit demselben Anteil an den Ausschüttungen wie im Jahr 2020, nämlich 474 Millionen Franken. Ähnlich sehen es die Kantone Bern, Basel-Stadt und Luzern für ihre Anteile.
Allerdings erkennen die Finanzdirektoren durchaus, dass sich die Lage mit dem Ukraine-Krieg verschärft hat. «Es ist klar, dass keine Garantie auf Gewinnausschüttungen besteht», hiess es Mitte Juli es aus der Zürcher Finanzdirektion. «Wir beobachten die Entwicklung aufmerksam.» Genaue Zahlen werde es erst zum Jahresende geben, betont das Luzerner Finanzdepartement: «Abgerechnet wird am 31. Dezember 2022.»
Dass auf SNB-Ausschüttungen kein Verlass ist, haben einige Kantone schon berücksichtigt. Im Kanton Luzern werden «für den Fall rückläufiger SNB-Zahlungen» Reserven gebildet. Beim Kanton Aargau heisst es: «Die grundsätzlich volatilen Ausschüttungen der SNB sollten nicht für dauerhafte Staatsausgaben eingeplant oder verwendet werden.»
Vielen Kantonen geht es zur Jahresmitte besser als erwartet: Die Steuereinnahmen sind höher als budgetiert, mehrere Kantone rechnen für das laufende Jahr trotz allem mit einem positiven Ergebnis. Der Sprecher des Finanzdepartements von Basel-Stadt sagte jüngst: «Es sind keine Sparprogramme geplant.» Vielmehr wird gerade eine Steuersenkung vorbereitet.
1 Prozent Minus beim Devisenkurs gleich 10 Milliarden Verlust
Dennoch räumte der Sprecher noch Mitte Juli ein: «Es ist davon auszugehen, dass es finanziell schwieriger wird in den nächsten Jahren.» Derzeit allerdings spielen die steigende Inflation und eine drohende Rezession noch kaum eine Rolle bei den Überlegungen.
Ende Mai hatte die Nationalbank knapp 960 Milliarden Franken an Devisenanlagen in ihrer Bilanz, drei Viertel davon in Form von Anleihen, ein Viertel in Aktien. Jede Kursbewegung an den Märkten wirkt sich direkt auf den Wert der Anlagen aus, genauso wie jede Wertveränderung des Frankens.
Das Ergebnis der Nationalbank schwankt deswegen in beide Richtungen sehr stark. So führt eine Aufwertung des Frankens gegenüber den wichtigsten Währungen um 1 Prozent bei der aktuellen Höhe der Devisenanlagen zu einem Verlust von gegen 10 Milliarden Franken. Gleich viel Verlust resultiert, wenn die Aktienkurse an den Börsen um 4 Prozent fallen oder die Anleihekurse im Schnitt um 1,4 Prozent.
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