Gastkommentar zum SNB-DirektoriumIst die Führung der Nationalbank noch zeitgemäss aufgestellt?
Es gibt Stimmen, die für die SNB ein grösseres Direktorium sowie mehr Transparenz und Voraussehbarkeit in ihrer Politik fordern. Was davon zu halten ist.
Derzeit wird vermehrt darüber diskutiert, ob das Direktorium der Schweizerischen Nationalbank (SNB) noch zeitgemäss zusammengesetzt sei und seine Politik hinreichend kommuniziere und begründe. Zu erwähnen ist etwa ein Report des SNB Observatory von Stefan Gerlach, Chefökonom der EFG-Bank, sowie von den Professoren Yvan Lengwiler und Charles Wyplosz. Auf diesen Report bezieht sich eine parlamentarische Interpellation von Nationalrätin Céline Widmer (SP) unter dem Titel «Für eine zeitgemässe, transparente und breit abgestützte Führung der Schweizer Nationalbank». Gefordert werden ein grösseres Direktorium sowie mehr Transparenz und Voraussehbarkeit der SNB-Politik. Zu dieser Thematik drängen sich auch einige staatsrechtliche Erwägungen auf.
1. Zusammensetzung des SNB-Direktoriums: Das Direktorium besteht seit der Gründung der SNB im Jahr 1905 mit dem ersten Nationalbankgesetz aus drei Mitgliedern. Das 1897 in einer Referendumsabstimmung abgelehnte Bundesgesetz über eine Bundesbank sah ein Direktorium von drei bis fünf Mitgliedern vor. Daran knüpfte auch der Gesetzesentwurf an, der am 28. Juli 1901 in der parlamentarischen Beratung scheiterte. Damals fand das Argument gegen fünf Mitglieder Gehör, wonach ein Kollegium von drei vor einem solchen von fünf Mitgliedern grosse Vorzüge habe, weil man unter drei rascher zu einer Entscheidung komme und eine grössere Kontinuität in der Geschäftspolitik einhalten könne. Bei fünf Mitgliedern könne es viel mehr Kombinationen von Mehrheit und Minderheit geben.
Weder in den Botschaften zum Nationalbankgesetz von 1921 und zum Gesetz von 1953 noch im geltenden Gesetz von 2003 wurde die Zahl von drei Direktionsmitgliedern infrage gestellt oder näher begründet. Ebenso wenig wurde die Wahlkompetenz des Bundesrats problematisiert. Lediglich in der Botschaft zum 1897 verworfenen Gesetz meinte der Bundesrat, wenn er drei Mitglieder vorschlage, so wolle er damit einer weitverbreiteten Auffassung Rechnung tragen, wonach der Bundesrat weniger der Versuchung ausgesetzt sein dürfte, sich von Rücksichten politischer Natur in der Ausübung seines Wahlrechts leiten oder beeinflussen zu lassen.
Diese Beurteilung dürfte im Kern auch heute noch zutreffen. Dennoch ist angesichts der heute wirtschaftlich und gesellschaftlich viel bedeutungsvolleren Kompetenzen des SNB-Direktoriums der Ruf nach einer breiteren Abstützung mindestens diskussionswürdig. Aus Gründen der demokratischen Legitimation des Direktoriums kann erwogen werden, die Wahl durch den Bundesrat der Genehmigung durch die Bundesversammlung zu unterstellen. Hingegen würde die Wahl durch die Bundesversammlung möglicherweise zu einer übermässigen Politisierung führen und wäre der geldpolitischen Unabhängigkeit der SNB abträglich. Die Genehmigungskompetenz statt der Wahlkompetenz ist weniger risikobehaftet, weil die Bundesversammlung eine Wahl zwar ablehnen, aber nicht die Wahl bestimmter Persönlichkeiten verlangen kann.
Die Zahl der Direktionsmitglieder dürfte aus staatsrechtlicher Sicht per saldo eher eine Ermessensfrage sein und weniger eine Frage von hinreichenden fachlichen Kompetenzen und ausgiebigeren Diskussionen innerhalb des Gremiums. Zu beachten ist im Übrigen, dass heute die im gleichen Verfahren wie die Mitglieder gewählten drei Stellvertretungspersönlichkeiten an der Meinungsbildung des Gremiums mitwirken. Falls diese ebenfalls von der Bundesversammlung bestätigt werden, haben auch sie eine verstärkte demokratische Legitimation. Eine grössere Zahl von Mitgliedern des SNB-Direktoriums scheint zwar vertretbar, drängt sich aus staatsrechtlicher Sicht aber nicht auf.
2. Ruf nach mehr Transparenz und Voraussehbarkeit der SNB-Politik: Die Forderung nach höherer Transparenz und Voraussehbarkeit der SNB-Politik veranlasst aus staatsrechtlicher Sicht zur Frage, wie es um die «Kosten» einer erheblichen Praxisänderung steht. Die Möglichkeit, die Märkte mit Ankündigungen zu überraschen, ist ein probates Mittel der Geldpolitik. Ein Beispiel war die plötzliche Einführung des Euro-Franken-Mindestkurses am 6. September 2011; bereits deren Ankündigung durch die SNB führte zur erhofften Marktreaktion.
Bezüglich Schaffung von mehr Transparenz mag auch eine Entscheidung aus der Vergangenheit zur Zurückhaltung mahnen. Ursprünglich war die Bundesversammlung zuständig für die Festsetzung der Goldparität des Schweizer Frankens. Die Erfahrung zeigte, dass diese Kompetenz problematisch war, weil durch die Publizität der Paritätsänderung der Spekulation Tür und Tor geöffnet wurde. Die Kompetenz wurde darum 1970 an den Bundesrat übertragen.
Es ist hinsichtlich der Spekulationsmöglichkeiten nicht dasselbe, ob das FED oder die EZB, die für sehr viel grössere Währungen verantwortlich sind, oder kleinere Staaten mit weniger gesuchten Währungen als der schweizerischen ihre Politik transparenter kommunizieren, oder ob sich die SNB entsprechend verhält. Diese Erwägungen sprechen nicht für eine wesentliche Abkehr von der heutigen Informationspolitik des SNB-Direktoriums.
Dr. iur. Paul Richli ist emeritierter Ordinarius für öffentliches Recht an der Universität Luzern.
Dr. iur. Marc M. Winistörfer, BA in Political Economics, ist ständiger Lehr- und Forschungsbeauftragter an der Universität Luzern.
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