Erneuerbare EnergieChinas Solarhersteller fluten den Markt in Europa mit Billigpanels
Die Konkurrenz spricht von absichtlichem Preiskrieg chinesischer Konzerne. Die Folgen: Hiesige Hersteller leiden, und die Kundschaft zahlt trotzdem hohe Preise.
In der europäischen Solarindustrie macht sich Panik breit. Der Markt werde von billigen chinesischen Importen geflutet, was europäische Anbieter in den Ruin treibe, heisst es in einer Stellungnahme, die diese Woche bei der EU-Kommission deponiert wurde. Absender ist der Branchenverband SolarPower Europe, dem 300 Organisationen aus der Solarindustrie angeschlossen sind.
Seit Anfang dieses Jahres sind laut Berechnungen des Verbandes die Preise für Solarmodule wegen der chinesischen Konkurrenz im Schnitt um mehr als 25 Prozent gefallen. Mit fatalen Folgen für europäische Konkurrenten. In Norwegen musste der Zulieferer Norwegian Crystals im August den Konkurs einreichen, und der ebenfalls norwegische Modulhersteller Norsun gab vor wenigen Tagen bekannt, dass er die Produktion vorläufig bis Ende Jahr einstellen werde.
Der nächste Hammer für Europa
Dass chinesische Hersteller den europäischen Markt dominieren, ist bekannt. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat errechnet, dass Peking seit 2011 rund 50 Milliarden Dollar in die Industrie gepumpt hat. Das ist zehnmal mehr, als Europa in die Fotovoltaikindustrie gesteckt hat.
Doch nun bekommt Europa den nächsten Hammer zu spüren: Auch die USA verfolgen seit Jahresanfang eine milliardenschwere Förderpolitik für die grünen Schlüsselindustrien. Jedes Watt Solarzellen wird mit 4 Cent und jedes Solarmodul mit 7 Cent verbilligt.
Voraussetzung, um zum Geldsegen aus den Töpfen des Inflation Reduction Act zu kommen: Die Solarindustrie muss ihre Produktionsstandorte in die USA verlagern. Und sie muss genau festgelegte Kriterien für die gesamte Wertschöpfungskette einhalten. Dazu gehört beispielsweise das Verbot von Zwangsarbeit, etwa bei der Förderung von Silizium.
Der wohl aus US-Sicht erwünschte Effekt ist prompt eingetreten: Viele chinesische Hersteller werden aus dem US-Markt verbannt. Und wohin verschieben sie ihre Ware? «Die Ware, die nicht mehr in die USA eingeführt werden darf, kommt jetzt nach Europa, auf den einzigen grossen Solarmarkt der Welt, der komplett unreguliert ist», ärgerte sich Gunter Erfurt, Chef des Schweizer Solarherstellers Meyer Burger in Thun, kürzlich in einem Interview mit der deutschen «Wirtschaftswoche».
Meyer Burger hat 2021 im ostdeutschen Bitterfeld-Wolfen die Produktion von Solaranlagen aufgezogen. Derzeit gilt sie als einzige grosse Fabrik für Solarzellen in Europa. Die Schweizer Firma hat bis jetzt auch mit den norwegischen Firmen Norwegian Crystals und Norsun Lieferverträge. Die Solarmodule von Meyer Burger gehören gemäss einer aktuellen Liste des deutschen Energieberatungsunternehmens Grueneshaus zu den weltweit besten. Allerdings schreibt Meyer Burger seit Jahren rote Zahlen.
Zusammen mit 40 anderen Solarfirmen hat Meyer Burger gleichentags wie SolarPower Europe ein Schreiben bei der EU-Kommission deponiert. Inhalt: In den Niederlanden lagern derzeit so viele chinesische Module, dass die Nachfrage in Europa praktisch zwei Jahre lang gedeckt ist.
Die Folge davon: Die Preise für Solarmodule befinden sich im freien Fall.
«China setzt die Förderung der Solarindustrie als Waffe ein, um einen Markt zu dominieren.»
In der Branche ist man überzeugt, dass die chinesische Regierung dabei künstlich nachhilft. Laut Gunter Erfurt werden chinesische Module gegenwärtig zu Preisen angeboten, die bis zu 50 Prozent unter den Herstellungskosten liegen. «China setzt die Förderung der Solarindustrie als Waffe ein, um einen Markt zu dominieren», hatte Erfurt im Interview mit der «Wirtschaftswoche» hervorgehoben.
Der Verdacht ist nicht neu: 2013 wurden in der EU Antidumping- und Antisubventionszölle auf chinesische Solarprodukte zum Schutz der heimischen Solarindustrie eingeführt. Die EU-Kommission hatte zuvor in Untersuchungen festgestellt, dass chinesische Unternehmen Solarpanels in Europa weit unter ihren normalen Marktpreisen verkaufen und unzulässige Subventionen erhalten.
Nur fünf Jahre später wurden die Zölle auf Solarmodulen und Solarzellen made in China wieder gestrichen. Denn nun sollte die billigere Ware beim flächendeckenden Ausbau der Fotovoltaik helfen.
Für den Branchenverband SolarPower Europe und die europäischen Industrievertreter müssen die Regierungen jetzt möglichst rasch handeln, indem sie den europäischen Herstellern finanziell beistehen und ähnliche Vorgaben – beispielsweise keine Zwangsarbeit – entlang der Wertschöpfungskette machen, wie dies die USA tun. Doch der Net Zero Industry Act, Europas Antwort auf den Inflation Reduction Act der Amerikaner ist noch nicht durch die Gesetzesmühlen gegangen.
Solarindustrie zieht dorthin, wo Geld abzuholen ist
Firmenchefs wie Gunter Erfurt zeigen, was passiert, wenn in Europa nichts passiert: Sie ziehen dorthin, wo Geld abzuholen ist. Meyer Burger baut jetzt eine Fabrik in Colorado Springs in den USA zur Herstellung von Solarzellen auf und erhält im Gegenzug viel Geld.
In einer Mitteilung der Firma heisst es: «Das resultiert in einer kumulierten förderfähigen Summe von bis zu 1,4 Milliarden Dollar, die vom Produktionsbeginn im Jahr 2024 bis Ende 2032 monetarisiert werden kann.»
Doch das ist nicht alles: «Zusätzlich erhält Meyer Burger ein Finanzpaket in Höhe von 90 Millionen von der Stadt Colorado Springs und dem US-Bundesstaat Colorado. Weitere Vorauszahlungen von Modulabnehmern und Darlehen des Department of Energy in Höhe von zusammen mehr als 300 Millionen Dollar sind absehbar.»
Das Nachsehen hat vorläufig der Standort in Ostdeutschland, zu dessen Aufbau das Schweizer Unternehmen eine erkleckliche staatliche Unterstützung erhalten hatte. Nun wird der erst in diesem Frühjahr angekündigte Ausbau gestoppt, die bereits bestellten Maschinen werden in die USA weitergeleitet.
Doch Gunter Erfurt hat die Tür in Deutschland nicht zugeknallt. Er wartet jetzt einfach ab, ob und wann finanzielle Hilfen aus der Staatskasse und der EU angeboten werden.
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