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Gletscherschwund
2023 bringt die zweite historische Rekordschmelze in Serie

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«2023 wird erneut als Jahr mit massivem Eisverlust in die Geschichte eingehen», sagt Matthias Huss. Er ist Gletscherforscher der ETH Zürich und Leiter des Schweizer Gletschermessnetzes Glamos. So massiv wie 2022 werde die Schmelze dieses Jahr zwar nicht. «Aber letztes Jahr war ein Ereignis, das es eigentlich nur alle rund tausend Jahre geben sollte», erklärt Huss.

Dass es nun im Folgejahr schon wieder ähnlich schlimm ist, sei statistisch eigentlich fast unmöglich. «Stellen Sie sich vor, wir hätten letztes Jahr mit fünf Würfeln fünfmal eine Eins gewürfelt. Dann würfeln wir dieses Jahr wieder – und es sind schon wieder fünf Einsen.»

Die Wucht dieser Veränderung traf Huss letztes Jahr besonders, als er den Griesgletscher im Wallis bestieg: «Schon Mitte Juli war der Schnee bis in die höchsten Lagen komplett weg», sagt Huss. So etwas habe es noch nie gegeben. «Damit hatte der Gletscher die ganze Schutzschicht extrem früh verloren und war dann den ganzen Sommer über der vollen Hitze und Sonneneinstrahlung ausgesetzt.»

Wäre der Schnee jedes Jahr so früh weg, würde der Gletscher mit seiner wertvollen Messreihe rasch komplett wegschmelzen. Aber 2022 war eben ein Extremereignis. Deshalb erwartete Huss für 2023 wieder etwas mehr Schnee am Griesgletscher. «Als ich Mitte Juli dieses Jahres hochging, war der Schnee schon wieder bis zum Gipfel weg», sagt Huss. «Das hat dramatisch ausgesehen.»

Die Schmelze am Rhonegletscher in nur vier Jahren. Die Zunge zeigt Anzeichen von Auflösung.

Mittlerweile erreicht die Schmelze selbst die höchsten Punkte der Schweizer Alpen. Die Dufourspitze ist ebenso betroffen wie der Mont Blanc. Der Aletschgletscher war diesen Sommer praktisch schneefrei bis hoch zum Jungfraujoch. Am 21. August meldete Meteo Schweiz die höchste je gemessene Nullgradgrenze. Sie lag bei 5299 Metern – 115 Meter über dem bisherigen absoluten Rekord. Und dieser wurde erst 2022 aufgestellt.

«Schmelze oberhalb von 4000 Metern gab es früher nur sehr selten, doch jetzt beobachtet man das immer wieder, in den letzten beiden Jahren besonders intensiv», sagt Huss. Sein Fazit: «Der Klimawandel ist auf den höchsten Gipfeln der Alpen angekommen.»

Zwei Gigabyte Bilder vom Persgletscher – pro Tag

Einer der Gletscher, die dieses Jahr erneut massiv Eis verloren haben, ist der Persgletscher im Oberengadin. Glamos misst hier den Massenschwund seit 2002. Diesen Sommer startet nun ein aufwendiges Projekt namens «Glaciers Today», das den Rückzug des Gletschers in den kommenden zehn Jahren auch bildlich minutiös dokumentiert.

Fotograf Jürg Kaufmann montierte mit der Unterstützung von Sponsoren zwei Spezialkameras an der Bergstation Diavolezza im Oberengadin. Sie zeichnen alle 30 Minuten je ein 45-Megapixel-Bild vom Persgletscher und eines vom Piz Palü auf.

Jedes Foto hat über 8000-mal 5000 Pixel. Selbst die kleinsten Details lassen sich heranzoomen – und über die Jahre verfolgen. Pro Tag landen so zwei Gigabyte Bilddaten auf einem Server. Über 350’000 hochauflösende Bilder sollen so entstehen in einer bislang einmaligen Fotodoku zum Rückgang der Gletscher.

Fotograf Jürg Kaufmann vor den beiden solarbetriebenen Hochleistungskameras auf der Diavolezza

«Forschung, Universitäten, Medien, Unternehmen – jeder Interessierte auf der Welt soll mit diesen Bildern über die kommenden Jahre einen Eindruck erhalten vom dramatischen Gletscherschwund in unseren Alpen», sagt Kaufmann. Wenn er genügend Unterstützung findet, sollen auch Kameras am Aletsch- und am Morteratschgletscher entstehen.

Der Aufbau der Kameras gestaltete sich allerdings aussergewöhnlich schwierig. Spezialobjektive von Sigma mussten verbaut werden, die eine solche Auflösung überhaupt noch meistern. Zwei Solarpanels speisen einen militärtauglichen Hightechakku, der auch bei minus 30 Grad noch Strom liefert. Eine Heizung im Winter und Ventilatoren im Sommer halten die Kameras bei einigermassen konstanten Temperaturen. Und eine ausgetüftelte Steuerungssoftware berechnet auch in der Nacht und bei schlechtem Wetter automatisch die richtige Belichtungszeit.

Schon heute ist klar, dass die Kameras einen dramatischen Schwund aufzeichnen werden. «Selbst wenn wir unsere Emissionen bis 2050 auf null reduzieren, werden die Gletscher erst später darauf reagieren», sagt Forscher Huss. «Und bis zu diesem Zeitpunkt werden wir bereits bis zu tausend kleinere Gletscher verlieren, daran ändert auch die Klimapolitik in der Schweiz und weltweit nichts mehr.»

Das Ende eines Gletschers

Bis jetzt gingen vor allem kleinere Gletscher verloren, die teils nicht einmal einen eigenen Namen hatten. Doch gerade die Schmelze in grosser Höhe, wie in diesem und im letzten Jahr, gefährdet zunehmend auch die mächtigen Gletscher, die weit oben bislang noch einigermassen gesund waren.

Wenn ein Gletscher stirbt, verliert er als Erstes seine Dynamik. Er fliesst nicht mehr, wird immer dünner und fällt schliesslich in sich zusammen. Es liegt nur noch Toteis da. Dabei werden die umliegenden Felsflanken freigelegt, Geröllhalden entstehen, der Hang wird instabil und oft auch gefährlich.

Was passiert, wenn ein Gletscher stirbt, konnte man diesen Sommer am St.-Anna-Firn in Uri beobachten. Von dem einst grossen Gletscher ist nur noch ein kümmerliches Eisfeld voller Schutt übrig. Das Gletschermessnetz Glamos musste die Messungen am St.-Anna-Firn deshalb 2023 einstellen.

Das Messprogramm auf dem St.-Anna-Firn in Uri wurde diesen Sommer wegen des Schwundes gestoppt.
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