Tipps zur EntspannungZähneknirschen – wann wir es tun und was dagegen hilft
Das nächtliche Knirschen mit den Zähnen kann schlimme Folgen haben, die über das Gebiss hinausgehen. Die Ursache liegt oft im Stress. 7 Tipps für Betroffene.

Es passiert meist unbemerkt in der Nacht, manchmal aber auch am Tag. Manche Menschen pressen unbewusst die Zähne zusammen. Dabei kann der Druck 80 bis 100 Kilogramm pro Quadratzentimeter erreichen.
Das hat Auswirkungen: «Durch das wiederholte Reiben der Zähne aufeinander wird der Zahnschmelz abgeschliffen, es kann zu Rissen, Überempfindlichkeit, Zahnlockerungen, Zahnfleischentzündungen und Beschwerden im Kiefergelenk mit Knack- und Reibegeräuschen kommen», sagt Zahnarzt Sven Kielblock vom Zahnarztzentrum Thun. «In der Folge kommt es zu Verspannungen und Schmerzen im Bereich der Kiefermuskulatur, die auch in Kopf, Schultern, Nacken und Rücken ausstrahlen können.»
Bruxismus heisst das im Fachjargon, und darunter versteht man neben dem Zusammenpressen auch ein unbewusstes wiederholtes Zähneknirschen. Die Intensität der Schmerzen ist individuell unterschiedlich und reicht vom leichten Muskelkater im Kiefer bis zu starken akuten oder chronischen Schmerzen.
Zudem kann Bruxismus auch Tinnitus, Schwindelanfälle oder Sehstörungen auslösen. Funktionsbeeinträchtigungen zwischen Schädel (Cranio) und Unterkiefer (Mandibula) und den umliegenden Strukturen werden in der Zahnmedizin als Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) bezeichnet.
Zähneknirschen oder -zusammenpressen hilft, innere Unruhe und Stress abzubauen.
Die Ursachen des Bruxismus sind vielfältig: Zahnfehlstellungen oder auch mangelhafte Zahnfüllungen können Bewegungsmuster auslösen, die zu einem muskulären Ungleichgewicht führen. Möglicher Auslöser kann auch eine Arthrose des Kiefergelenks sein, die den Bewegungsablauf beeinträchtigt und so die Zähne schädigt. Ebenso kann die Knorpelscheibe im Kiefergelenk in der falschen Position liegen, oder ihre Beweglichkeit ist eingeschränkt. Es können auch mehrere Störungen in Kombination auftreten, die sich gegenseitig verstärken.
Oft ist Stress ein Auslöser
«Ein wesentlicher Faktor aber ist die psychosoziale Situation des Patienten oder der Patientin», sagt Zahnarzt Sven Kielblock. Zähneknirschen oder -zusammenpressen hilft, innere Unruhe und Stress abzubauen – und das gilt für Menschen jeden Alters, also auch für Kinder. Stressbelastete Situationen können in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Familie, durch die finanzielle Situation oder vor Prüfungen entstehen.
Was aber auch immer dahintersteckt: In solchen Situationen schüttet unser Körper Stresshormone aus. Diese Energie muss irgendwie wieder abgebaut werden, denn «Psyche und Körper sind bestrebt, im Gleichgewicht zu bleiben», so der Zahnmediziner. Dazu passt auch, dass das Zähneknirschen in der Schweiz im Zuge der Covid-19-Pandemie deutlich zugenommen hat.
Häufig wird das Zähneknirschen rein zufällig bei einer Routineuntersuchung beim Zahnarzt erkannt. Schleifspuren auf den Zähnen oder Risse im Zahnschmelz weisen auf Bruxismus hin. Im besten Fall bestehen kaum oder keine Schmerzen und es ist keine Behandlung nötig, aber der Zustand der Zähne muss überwacht werden.
Ausserdem können Betroffene selbst aktiv werden. «Ich rate meinen Patientinnen und Patienten, Buch zu führen über die Schmerzen beziehungsweise die Beschwerden, um einen Zusammenhang zu stressigen Situationen wie zum Beispiel Teamsitzungen im Beruf entdecken zu können», sagt Experte Kielblock.
Bei akuten, schmerzhaften Beschwerden erfolgt im Zahnarztzentrum Thun die Diagnostik mittels verschiedener Fragebögen. Um die individuellen Schmerzregionen zu erfassen, zeichnet der Patient oder die Patientin alle Schmerzlokalisationen auf einem Körperschema ein. Zudem werden Grad und Ausmass des Schmerzes eruiert.
Dazu kommen auch Fragen zur Beeinträchtigung durch Depression, Angst und Stress sowie Allgemeinbeschwerden. Kielblock: «Neben rein zahnmedizinischen Befunden ist für mich auch ein Überblick über die psychosoziale Belastung wichtig, um eine effektive, nachhaltige Therapie bestimmen zu können.»
Yoga, autogenes Training, Physiotherapie
Um den Zahnschmelz vor Abrieb zu schützen, kommt die sogenannte Michigan- oder Knirsch-Schiene zum Einsatz. Diese wird individuell angepasst und nachts am Ober- oder am Unterkiefer getragen. Manche Menschen nutzen die Schiene auch ab und zu tagsüber, beispielsweise bei der Computerarbeit, wo viele zuweilen ganz unwillkürlich die Zähne zusammendrücken. «Allerdings bleibt so die Überbeanspruchung bestehen, durch die Schiene wird das Grundproblem nicht therapiert», sagt der Zahnmediziner Sven Kielblock.
Eine weitere Möglichkeit ist die Physiotherapie durch spezialisierte CMD-Therapeuten. Je nach Befund können die betroffenen Stellen, etwa die verspannten Nackenmuskeln, mit gezielten Techniken behandelt werden. Zudem lernen die Patientinnen und Patienten Übungen, die sie zu Hause selbstständig durchführen können.
Wenn auch die Psyche eine Rolle spielt, ermutigt Sven Kielblock seine Patientinnen und Patienten, sich Zeit zu nehmen, um über die Ursachen ihres Bruxismus nachzudenken und sich Strategien zu überlegen, wie sie etwaige Stressfaktoren reduzieren können. Entspannungsmethoden wie Yoga, autogenes Training oder Achtsamkeitsübungen können helfen. «Die Zähne beziehungsweise ihr Zustand sind ein wichtiges Indiz dafür, dass etwas nicht stimmt. Geht man der Sache auf den Grund, verschwinden nicht nur die Schmerzen, die Lebensqualität ganz allgemein kann enorm gesteigert werden.»
Dieser Beitrag ist die gekürzte Version eines Artikels, der in der «Schweizer Familie» erschienen ist.
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