Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Emissionen in der Schweiz
Anstieg oder Rückgang? Die Bilanz der Treibhausgase sorgt für Irritation

Totholz im Waldreservat Grünenbergpass, umgeben von Bäumen und Vegetation.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Ein leichter Rückgang der Emissionen: So titelte das Bundesamt für Umwelt (Bafu) kürzlich in einer Medienmitteilung zur Bilanz der Treibhausgase in der Schweiz im Jahr 2023. Die Behörde informierte darüber, dass die Schweiz eine Million Tonnen weniger Treibhausgase produzierte als 2022. Die Emissionen lagen 26 Prozent tiefer als im Jahr 1990 – vor allem dank den Anstrengungen in der Industrie und bei den Gebäuden. Keinen Fortschritt gibt es im Verkehr und in der Landwirtschaft. 

Die Umweltorganisation WWF wunderte sich allerdings: «De facto» seien die Emissionen in der Schweiz gestiegen, schreibt sie. Der Grund sei eine veränderte Landnutzung, die zusätzliche Emissionen verursacht habe – im Jahr 2023 deutlich mehr als eine Million Tonnen Treibhausgase. Unter der Bezeichnung Landnutzung sind die Waldwirtschaft, der Ackerbau und die Graswirtschaft sowie die Nutzung der Moore zusammengefasst. 

Der Wald schwächelt

Tatsächlich zeigt die Statistik, dass die Wälder 2023 praktisch kein zusätzliches CO2 aus der Atmosphäre gespeichert haben. Das heisst: Diese Flächen konnten nicht gross als Senke dienen, also mehr CO2 aufnehmen als abgeben.

Zudem blieben die Grün- und Ackerflächen wie schon Jahre zuvor eine sogenannte Nettoquelle von Treibhausgasen, das heisst, sie gaben mehr CO2 ab, als sie aufnahmen. Die Bilanz der Treibhausgase sieht deshalb für die Landnutzung 2023 nicht gut aus: Es wurden mehr Treibhausgase produziert als gespeichert. 

Fliessen diese Daten in die Gesamtbilanz der Treibhausgase, wie es das Pariser Klimaabkommen verlangt, wird deutlich, dass die  Emissionen 2023 nicht gesunken, sondern gestiegen sind. Die Lücke zwischen den Emissionen und dem gesetzlich verankerten Klimaziel sei damit so gross wie noch nie, stellt der WWF fest.

Klarstellung des Bundes

Das Bundesamt für Umwelt stellt nun auf Anfrage klar, weshalb es die Landnutzungsdaten vorläufig nicht berücksichtigen werde, wenn es darum gehe, den Stand  der Schweiz punkto Klimaziel zu beurteilen. Das Bafu schreibt: «Verschiedene Faktoren wie zum Beispiel die Witterung, Stürme oder Schädlingsbefall haben starken Einfluss auf die Treibhausgasbilanz der Landnutzung von Jahr zu Jahr.» Deshalb könne aktuell noch nicht beurteilt werden, wie sich die CO2-Bilanz der Landnutzung auf das Klimaziel der Schweiz bis 2030 tatsächlich auswirken werde.

Das Bundesamt für Umwelt hat deshalb generell in der Vergangenheit wegen der jährlichen Schwankungen die Treibhausgasbilanz der Landnutzung für die Beurteilung des Klimaziels nicht berücksichtigt. Die Vegetation und die Böden waren in den letzten 25 Jahren grösstenteils Senken. Sie nahmen also mehr Treibhausgase aus der Atmosphäre auf, als sie freisetzten. Ausnahmen waren die Jahre 2000, 2015, 2018 und 2023.

Wald wächst weniger

Das könnte sich jedoch ändern. Es sind die Wälder, die bisher die Senkenleistung der Landnutzung in der Schweiz prägten. Der Wald hat sich in den letzten 40 Jahren kontinuierlich ausgedehnt und der Holzvorrat nahm in dieser Zeit entsprechend zu. Doch nun zeichnet sich eine Trendwende ab, wie der kürzlich veröffentlichte Waldbericht der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und des Bafu zeigt. 

Das Wachstum geht zurück und Störungen und Extremereignisse durch den Klimawandel setzen dem Schweizer Wald zu. «Es besteht die Gefahr, dass der Senkeneffekt auf nationaler Ebene abnimmt», heisst es im Waldbericht. Exemplarisch stehen dafür die Sommertrockenheiten der Jahre 2018 und 2023. In solchen Jahren kann der Verlust an Bäumen durch Dürre und Käferbefall grösser sein als der Zuwachs.

Entsprechend fällt die Treibhausgasbilanz in der Landnutzung schlechter aus. Aber auch Stürme und Waldbrände können dazu führen, dass der Wald weniger CO2 speichert, als er freisetzt.

Acker und Grasland sind CO2-Quellen

Je schwächer der Wald wird, desto grösser ist das Risiko, dass die Landnutzung nicht mehr mithilft, die Klimaziele zu erreichen. Nämlich dann, wenn es auch erhebliche Veränderungen in der Nutzung von Acker- und Grünland wie 2023 gibt. Ein Grund sind die von Jahr zu Jahr unterschiedlichen Witterungsbedingungen, die auf das Pflanzenwachstum einen Einfluss haben und entsprechend auch auf deren CO2-Bilanz, wie das Bafu erklärt. Aber auch die Bewirtschaftung hat einen Einfluss. So wird zum Beispiel mehr CO2 im Humus gebunden, wenn Bauern Hofdünger ausbringen und Erntereste auf den Feldern belassen. 

«Wenn eine kleinere Senkenleistung im Vergleich zum Jahr 1990 in der Landnutzung resultiert, muss diese durch andere Sektoren kompensiert werden», sagt WWF-Klimaexperte Patrick Hofstetter. Sei es zum Beispiel durch eine beschleunigte Elektrifizierung des Verkehrs. Oder der künftige Wald und die Landwirtschaft werden so angepasst, dass eine Senke garantiert ist. 

«Eine definitive Bilanz, ob im Jahr 2030 das  gesetzliche Ziel erreicht wird,  kann erst 2032 gemacht werden. Erst dann wird das Treibhausgasinventar von 1990 bis 2030 vorliegen sowie das Total der anrechenbaren Emissionsverminderungen im Ausland feststehen», schreibt das Bafu. Die Schweiz hat sich im Klimaabkommen von Paris verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 50 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Dabei müssen mindestens zwei Drittel der Emissionsreduktion durch inländische Massnahmen erreicht werden, der Rest im Ausland.

Wie stark die Senkenleistung für das Klimaziel 2030 helfen wird, bleibt derzeit also noch eine offene Frage. Das letzte internationale Klimaziel für 2020 im Rahmen des früheren Klimaabkommens, dem Kyoto-Protokoll, konnte die Schweiz unter anderem nur dank der Senkenleistung der Wälder erfüllen. Der Zustand des Waldes war damals besser.