Grünes InvestmentSchweizer Post hat Waldkauf in Deutschland unterschätzt
Für 70 Millionen kaufte die Schweizer Post in Thüringen einen Wald. Doch bis jetzt kann sie ihn in ihrer Klimabilanz nicht anrechnen. Ausserdem beschäftigt der Borkenkäfer die Förster stark.

- In Thüringen hat die Post für 70 Millionen Euro einen Wald gekauft.
- Der Kauf dient dem Klimaschutz, doch diese Art der CO2-Speicherung ist derzeit nicht zertifizierbar.
- Auf einem Teil des Areals soll nun eine Solaranlage gebaut werden.
Die Post muss sparen, bis 2028 will sie 170 Poststellen schliessen. Doch nicht überall baut sie ab. Im deutschen Bundesland Thüringen kaufte die Post im Sommer 2023 einen Wald. 2400 Hektaren umfasst das Areal – eine Fläche grösser als 3000 Fussballfelder. Der Verkäufer: ein Prinz, der sich aus Altersgründen von seinem Besitztum trennen wollte. Der Preis: rund 70 Millionen Euro. Der Grund für den Kauf: Klimaschutz. Die Post will mithilfe des Waldes einen Teil ihrer CO2-Emissionen kompensieren.
In der Schweizer Öffentlichkeit hagelte es Kritik: Was will ein staatsnahes Unternehmen mit finanziellen Problemen mit Wald in Deutschland?
Ein Jahr nach dem Kauf läuft es, gelinde gesagt, noch nicht nach Plan. «Derzeit sind wir vor allem mit der Reduktion der Borkenkäferbestände beschäftigt», sagt Stefan Flückiger. Der Forstingenieur aus Bern bewirtschaftet mit seiner Wald Plus GmbH insgesamt 15’000 Hektaren Wald in ganz Deutschland. Für die Waldfläche der Post erhielt er vor einigen Monaten ebenfalls den Zuschlag.
Bäume sollen zügig gefällt werden
Der sogenannte Borkenkäfer oder Buchdrucker hat sich, angetrieben von der zunehmenden Trockenheit und Hitze als Folge des Klimawandels, stark durch die Baumbestände von Mitteldeutschland gefressen. Auch durch den Zillbacher Forst der Post. «Die alten Fichten sind nicht zu halten», sagt Flückiger.
Er hat nun vor allem eines vor: angeschlagenes Holz zügig schlagen und als Baumaterial verwenden. Er will nicht warten, bis es verrottet, denn dann würde das CO2 entweichen.

Es ist nicht so, dass die Post nichts von der Zerstörung durch den Borkenkäfer gewusst hätte. «Zum Teil ist der Wald wirklich kein schöner Anblick», sagt Christian Plüss. Er ist nicht nur Chef von Postauto, sondern Mitglied der Post-Geschäftsleitung und als solcher für die Nachhaltigkeit verantwortlich. Plüss ist durchaus selbstkritisch. «Dass der Waldkauf zu diskutieren gibt, kann ich nachvollziehen.»
Die Post will auch nicht primär einen prächtigen Wald besitzen, sondern daraus möglichst viel Holz herausholen. Oder wie es Förster Flückiger sagt: «Früher war der Wald das Tafelsilber der Besitzer, entsprechend wenig wurde er angerührt.» Heute setze man auf andere Methoden.
Das Problem ist nur: Stand jetzt, geht der Plan der Post nicht auf. Das Problem ist die Zertifizierung.
Doch der Reihe nach: Bis 2050 muss die Schweiz gemäss Klimaschutzgesetz das Netto-null-Ziel erreichen. Alle Emissionen von Klimagasen sollen bis dahin auf null reduziert oder der Atmosphäre entnommen und gespeichert werden.
Bundesnahe Betriebe unter «Klimadruck»
Bundesnahe Betriebe sollen Vorbild sein und das Ziel möglichst bis 2040 erreichen. Die Post hat dafür überprüft, wie sie ihre Emissionen abbauen kann, etwa indem sie auf Elektroautos umstellt. Zehn Prozent der Emissionen wird sie aber nicht aus eigener Kraft los. Diese Emissionen müssen irgendwo anders kompensiert werden.
Post-Nachhaltigkeitschef Plüss vertritt den Standpunkt, man hätte zur Kompensation auch einfach irgendwelche Zertifikate etwa von einem Wald in Rumänien kaufen können, doch habe man eben eine ernsthaftere Lösung gesucht. Ein Teil der Restemissionen könne nun beispielsweise unter der Erde gespeichert werden oder in Abbruchbeton, dafür gibt es inzwischen Lösungen. 9000 der verbliebenen Tonnen CO2 soll aber der Wald in Thüringen jährlich aus der Bilanz entfernen. Das ist etwa so viel CO2, wie die Post aktuell durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen einspart.
Andere grosse Unternehmen stehen vor dem gleichen Problem. Sie müssen eine ausgeglichene Klimabilanz vorweisen, schaffen das aber nicht komplett aus eigener Kraft. Die Swisscom etwa wird «trotz intensiver Reduktionsmassnahmen» weiterhin unvermeidbare Restemissionen «durch qualitativ hochwertige CO2-Zertifikate aus ausgewählten Klimaschutzprojekten kompensieren», wie sie im aktuellen Geschäftsbericht schreibt.
Die Telecomfirma arbeitet dabei mit der Klimakompensationsanbieterin Myclimate zusammen. Bei einem der Projekte handelt es sich um die Installation von Fotovoltaikzellen auf Dächern in Kenia. Solche Projekte sind umstritten. Auch bei den SBB fallen Negativemissionen an – die Bahnbetreiberin rechnet mit rund acht Prozent. Wie sie diese kompensieren wollen, wissen die SBB noch nicht. Man sei mit verschiedenen Akteuren im Austausch.
Die Post hingegen geht mit dem Wald in Deutschland einen ungewöhnlichen Weg. Das Kalkül: viele Bäume, die CO2 speichern, wachsen, viele werden dann gefällt, um danach nicht für kurzlebige Produkte, sondern als langlebiges Bauholz verwendet zu werden. Mit der Garantie sozusagen, dass mit dem Verfahren der Atmosphäre immer mehr CO2 für einen langen Zeitraum entzogen wird.
Wald wird nicht zertifiziert
Das klingt nachvollziehbar, das Problem ist nur: Stand jetzt gibt es keine Zertifizierung für das Verfahren, wie Plüss eingestehen muss. Das heisst: Das kompensierte CO2 ist in der Klimabilanz nicht anrechenbar. Vielleicht entzieht die Post in Ostdeutschland also wirklich der Atmosphäre CO2, nur ihrer Klimabilanz bringt das nichts, solange es nicht anrechenbar ist. «Die Herausforderung, wie kompliziert die Zertifizierung von diesem System ist, haben wir unterschätzt», sagt Plüss.

Aber: Die Post, als eines der wichtigsten Unternehmen der Schweiz, müsse auch bei diesem Thema Pionierarbeit leisten, das sei eine ihrer Rollen, sagt Christian Plüss.
Die Fachwelt sieht die Probleme der Post mit der Zertifizierung nicht als Scheitern. Für das Klima spiele es keine Rolle, ob die CO2-Speicherleistung des Holzes angerechnet werden könne oder nicht, sagt Waldökologe Harald Bugmann von der ETH Zürich. Eine Anrechenbarkeit würde aber sicher dazu führen, dass der Baustoff für Firmen an Attraktivität gewinne. Generell nehme er aber wahr, dass «klassische Baustoffe wie Beton oder Stahl leider immer noch eine sehr grosse Lobby haben».
Dabei sei die CO2-Speicherung in Holz als Baustoff, so Bugmann, ein sehr wirksames Verfahren, bei dem auch schwer der Greenwashing-Verdacht aufkommen könne. Greenwashing ist eines der Hauptprobleme von CO₂-Zertifikaten beim Wald. «Während bei einem Zertifikat für eine Aufforstung oft nicht klar ist, ob sie nicht sowieso durchgeführt worden wäre, ersetzt mehr Holz als Baumaterial nachweislich klimaschädliche Baustoffe.» Bugmann drückt deshalb der Post die Daumen, dass sie mit ihrem Unterfangen doch noch Erfolg haben wird.
Das Problem ist laut Plüss, dass die Post ein nachweisbares Verfahren entwickeln muss, wie garantiert werden kann, dass das Holz aus dem Wald eben nicht verbrannt wird, sondern lange als Baustoff eingesetzt wird. Plüss rechnet damit, dass es bis 2027 eine solche zertifizierbare Lösung geben wird, sodass die Post ihren Wald in der Klimabilanz anrechnen kann.
Bis dahin könnte mindestens sauberer Strom auf dem Areal produziert werden. Da nicht die ganze Fläche aus Wald besteht, plant ein externer Betreiber, auf dem Grundstück der Post eine Solaranlage zu errichten.
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