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Meinung

Kommentar zu Polen und EU
Eine politische Kapitulation

Demonstranten feierten am 1. Mai den Jahrestag von Polens Beitritt zur EU vor 17 Jahren. Aber ihre Regierung versucht, das Land so weit wie möglich von den Idealen der Union zu entfernen.
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Mit scheinbar überwältigender Zustimmung hat Polens Parlament den geplanten 750-Milliarden-Euro-Fonds gebilligt, mit dem die EU den Corona-geschwächten Wirtschaften Europas auf Pump neuen Schwung verleihen will: 290 Ja-Stimmen, nur 33 Nein-Stimmen bei 133 Enthaltungen. Tatsächlich stehen hinter dem Ergebnis – und dem Fonds – politische Kapitulationen, in Warschau wie in Brüssel.

Polens geschwächte, zunehmend zerstrittene Regierung hatte allein keine Mehrheit für die Zustimmung zu den EU-Milliarden. Denn Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro, neben dem Chef der Regierungspartei PIS, Jaroslaw Kaczynski, Hauptakteur bei der Demontage des Rechtsstaats, verweigerte dem EU-Milliardenfonds die Zustimmung – und stimmte mit den 18 Abgeordneten seiner Partei mit Nein.

Geld wird in Polen vor allem Anhängern der Regierung zugeschoben und Gegnern verweigert.

Der EU-Fonds kam nur zur Abstimmung, weil Polens Linke aus der Opposition ausscherte und sich ihr Ja mit nebensächlichen Zugeständnissen abkaufen liess. Mehr wäre nötig und möglich gewesen, mindestens ein Gesetz für ein unabhängiges Kontrollinstrument mit klar definierten Vollmachten, das über die kommenden EU-Milliarden nach objektiven Kriterien wacht. Sonst nämlich wird in Polen Geld vor allem Anhängern der PIS-Regierung zugeschoben und Gegnern verweigert, zeigen Studien der Batory-Stiftung.

Der Geburtsfehler des EU-Milliardenpakets liegt freilich in Brüssel, Berlin, Paris. Schon zuvor war es nur bei einem fehlkonstruierten Club wie der EU möglich, dass Mitglieder wie Polen und noch länger Ungarn angebliche EU-Grundprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit mit Füssen treten und ihnen nicht komplett der Geldhahn zugedreht wird, so, wie es jedem Bankkunden passiert, der sich nicht an den Kreditvertrag hält. Nach Warschaus konsequentem – und andauerndem – Abbau des Rechtsstaats seit 2015, nach der demonstrativen Missachtung mehrerer Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) hätte eine sinnvoll konstruierte EU Polen jeden Euro sperren müssen.

Schon jetzt hätte die EU deutlich schärfer vorgehen können.

Angeblich spielen rechtsstaatliche Kriterien künftig – und auch beim 750-Milliarden-Euro-Fonds – eine Rolle. Skepsis ist angebracht. Schon jetzt hätte die EU deutlich schärfer vorgehen können. Bis heute gibt es keine täglichen Millionenstrafgelder des EuGH gegen Polen – ein Armutszeugnis. Stattdessen bekommen Polen und Ungarn nicht nur weitere Milliarden aus dem regulären EU-Haushalt, sondern Dutzende weitere Milliarden aus dem kommenden 750-Milliarden-Fonds.

Dies in einer Zeit, in der Polens Regierungschef das zum Parteigericht degradierte Verfassungsgericht ersucht hat, zu entscheiden, dass polnisches Recht über europäischem steht, wenn das europäische Warschau nicht passt. In der noch unabhängige Richter im ausdrücklichen Widerspruch zu EuGH-Urteilen mit Strafverfahren überzogen werden. In der Justizminister-Generalstaatsanwalt Ziobro bekräftigte, dass er kein Jota an seiner gegen die EU und den Rechtsstaat gerichteten Politik ändern will und «polnische Souveränität» über allem stehen soll.

168 Milliarden Euro kommen aus EU-Haushalt und Aufbaufonds nach Polen, so lässt die Regierung im Land plakatieren und als ihr Verdienst verkaufen. Der Löwenanteil des Geldes wird kommen, bevor die PIS und ihre Alliierten 2023 zur Wiederwahl stehen. Die weiter fliessenden EU-Milliarden werden so unwillentlich zur Wahlhilfe für eine Regierung, die sich politisch weit von den Idealen Europas entfernt hat.