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Budgetstreit in der EU
Operation Gesicht wahren

Stehen wegen ihres Vetos isoliert da: Polens Premier Mateusz Morawiecki (links) und sein ungarischer Amtskollege Viktor Orban.
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Immerhin, eine lähmende Blockade könnte nach dem EU-Gipfel heute in Brüssel Geschichte sein. Im Alleingang haben Ungarn und Polen den neuen EU-Haushalt und den Corona-Wiederaufbaufonds aufgehalten, weil sie einen neuen Rechtsstaatsmechanismus verhindern oder zumindest aufweichen wollten. Der ­Mechanismus könnte zur Folge haben, dass die beiden Länder Anspruch auf Fördergelder verlieren, wenn sie weiter den Rechtsstaat aushöhlen. Klar, dass das Ungarns Premier Viktor ­Orban und seinem polnischen Amtskollegen Mateusz Morawiecki nicht gefällt.

Rechtzeitig bevor heute die Staats- und Regierungschefs zum physischen Gipfel in Brüssel eintreffen, liegt nun ein konkreter Lösungsvorschlag auf dem Tisch. Demnach würde in einer Erklärung festgehalten, dass der Europäische Gerichtshof zuerst beurteilen soll, ob der Sanktionsmechanismus mit dem EU-Recht im Einklang ist. Bis ein Urteil vorliegt, dauert es in der Regel zwischen 12 und 18 Monate. Erst dann könnte der Mechanismus aktiviert werden.

Die rote Linie

Am Rechtsstaatsmechanismus selber soll sich nichts geändert haben. Das war für Mitgliedsstaaten wie die Niederlande und das EU-Parlament die rote Linie. Deutschland, das derzeit den EU-Ratsvorsitz führt, hat den Kompromissvorschlag mit Budapest und Warschau ausgearbeitet. Es wäre für Ungarn und Polen ein gesichtswahrender Ausweg aus der Sackgasse. Dass die beiden Mitgliedsstaaten gegen den Mechanismus klagen würden, war in Brüssel ohnehin erwartet worden. Die beiden rechtsnationalen Regierungen hatten sich mit ihrem Veto im Club isoliert.

Beim Treffen der EU-Botschafter am Nachmittag war das Echo zum Entwurf positiv. Teil des Kompromisses ist auch eine Zusicherung, dass der Mechanismus nicht genutzt wird, um Ungarn zur Aufnahme von Migranten zu zwingen. Das war allerdings ohnehin nie Sinn und Zweck. Der Regierung in Warschau war wiederum die Zusicherung wichtig, dass das Familienrecht und die Definition der Ehe Sache der Mitgliedsstaaten bleibt. Zwischen Brüssel und Warschau schwelt ein Konflikt um sogenannte LGBTIQ-freie Zonen.

«Rechtsstaatsangelegenheiten haben nichts mit Finanzen und dem Haushalt zu tun.»

Viktor Orban, Ministerpräsident Ungarns

Am Dienstagabend hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban in Warschau mit Polens Premier Mateusz Morawiecki und mit Jaroslaw Kaczyński beraten, dem mächtigsten Politiker Polens und Chef der Regierungspartei PIS. Beide Seiten gaben sich hinterher noch kompromisslos. «Polen und Ungarn halten gemeinsam ihre Position aufrecht, dass die Fragen der Rechtsstaatlichkeit von denjenigen getrennt sein müssen, die mit dem Haushalt verbunden sind», sagte Polens Regierungssprecher Piotr Mueller. Orban bekräftigte: «Rechtsstaatsangelegenheiten haben nichts mit Finanzen und dem Haushalt zu tun. Wir möchten nicht, dass diese mit Gendersachen oder Migration verknüpft werden. Wir beachten die Grundlagen der EU.»

Auf die Frage, wie wichtig EU-Mittel seien, antwortete er: «Geld ist immer wichtig. Aber es hat nicht höchste Priorität. Es wäre gut, wenn wir es hätten, aber wir können ihm nicht alles unterordnen. Worum wir kämpfen, ist unsere nationale Souveränität.»

Gleichwohl sei «das Erreichen einer Verständigung» am besten. Der Fonds soll 390 Milliarden Euro an Zuschüssen verteilen und 360 Milliarden Euro an Darlehen. Hauptprofiteure sind Italien und Spanien, wobei auch Polen 23 und Ungarn 6 Milliarden Zuschüsse erhalten sollen. Um den Topf zu füllen, soll die EU-Kommission Schulden aufnehmen und diese später aus ihrem Haushalt begleichen.

Die Drohkulisse

Nun könnten die Staats- und Regierungschefs den Konflikt am EU-Gipfel diesen Donnerstag und Freitag definitiv ausräumen. Und die EU-Kommission könnte ihre Drohkulisse beziehungsweise den Plan B wieder in der Schublade versorgen, den Corona-Fonds ohne Ungarn und Polen im Rahmen einer sogenannten verstärkten Zusammenarbeit der anderen 25 Mitgliedsstaaten zu organisieren.

Auf der Agenda gibt es ohnehin genügend andere Blockaden. Allen voran der Brexit und die Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit Grossbritannien. Eigentlich hätte am Gipfel ein fertiger Entwurf vorliegen sollen, damit für die Ratifizierung vor Ende Jahr genügend Zeit ist. Am Gipfel dürfte der Ruf nun lauter werden, die Vorbereitungen für einen No Deal voranzutreiben.

Keine Bewegung in Sicht ist auch bei Bulgariens Veto gegen den Start der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien. Griechenland und Zypern drängen zudem, dass die EU wegen Gasbohrungen in der Ägäis endlich die Sanktionen gegen die Türkei verschärft. Andere raten zu Vorsicht gegenüber Recep Tayyip Erdogan, den man in der Migrationsfrage braucht. Selbst wenn der Konflikt mit Budapest und Warschau ausgeräumt ist, bleibt der EU genug Konfliktstoff.