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Meinung

Leitartikel zum EU-Kompromiss
Die vier wichtigsten Folgen für die Schweiz und Europa

Ein Erfolg, auch wenn sie mit ihren ursprünglichen Vorschlägen nicht durchgedrungen sind: Die Staatschefs Frankreichs und Deutschlands Emmanuel Macron (vorne links) und Angela Merkel (vorne rechts) am Dienstagmorgen in Brüssel.
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Welche Bedeutung hat der Gipfel aus Schweizer Sicht?

Das wichtigste Ziel des in der Nacht zu Ende gegangenen Gipfels der EU-Staaten bestand darin, die Corona-Krise möglichst gut und rasch zu bewältigen. Das wirtschaftliche Gedeihen Europas hat für die Schweiz grösste Bedeutung. Mehr als die Hälfte aller Schweizer Exporte gehen in diesen Wirtschaftsraum, fast drei Viertel aller Importe kommen von dort. Und selbst diese Zahlen spiegeln die engen wirtschaftlichen Verflechtungen nur ungenügend.

Verschärft sich die Corona-Krise in Europa oder dauert sie lange an, trifft das auch die Schweizer Wirtschaft, selbst wenn sich der Konsum im Inland weiter stabilisiert. Wenn die Exportbranchen schwer leiden, wirkt sich das auf die Beschäftigung in der Schweiz und letztlich auf die Einkommen aus und damit am Ende auch wieder negativ selbst auf den Konsum im Inland.

Was sagt der Frankenkurs zum Erfolg des Gipfels aus?

Die Einigung unter den EU-Staatschefs hatte für den Euro-Franken-Kurs bisher kaum Folgen. Seit einer Woche bewegt er sich bei einem Preis von etwas mehr als 1.07 Franken pro Euro. Von Tiefstwerten von knapp über 1.05 Franken pro Euro – wie während des Höhepunkts der Krise – ist dieser Wert damit weit entfernt. Das liegt an den Massnahmen, die Notenbanken und Staaten weltweit eingeleitet haben, um die Wirtschaftslage und die Kapitalmärkte zu beruhigen.

Insofern hat auch die bereits im Vorfeld vorhandene Erwartung eines Hilfspakets durch die Euroländer zur Abschwächung des Frankens beigetragen. Die nach dem Beschluss ausbleibende Kursreaktion kann man deshalb so lesen: Das Gipfelergebnis wird weder als Katastrophe für die Eurowirtschaft gelesen noch als Durchbruch zu einer nachhaltigen Stabilisierung.

«Die Instabilität im Euroraum war bisher der wichtigste Grund, weshalb der Franken immer wieder zu einer massiven Überbewertung neigte.»

Die Instabilität im Euroraum war seit dem Bestehen der Währungsunion der wichtigste Grund, weshalb der Franken immer wieder zu einer massiven Überbewertung neigte. Am deutlichsten war das während der Eurokrise zwischen 2010 und 2012 der Fall, aber auch in den vergangenen Monaten, als die sich in Italien abzeichnende schwere Krise erneut die Sorgen um den Fortbestand des Euro befeuerten. Diese Sorgen waren auch der Grund, weshalb es überhaupt zum Gipfel am vergangenen Wochenende kam und zum Plan, den von der Krise am schwersten betroffenen Ländern Italien und Spanien finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen.

Welche Bedeutung hat der Beschluss für die Wirtschaft der Europäer?

Gemessen an der bisherigen Geschichte der Währungsunion ist der Gipfel ein Erfolg für die Südländer und für Frankreich. Bis gestern hatten die Euroländer noch nie Zuschüsse für den Staatshaushalt einzelner Mitglieder bezahlt. Jetzt sollen sich diese nicht rückzahlbaren Zuschüsse auf 390 Milliarden Euro belaufen.

Bisher handelte es sich bei den Unterstützungsgeldern immer um Kredite, die wieder zurückbezahlt werden mussten. So explodierten die Schulden der bereits stark verschuldeten Länder und damit auch ihre Zinsbelastung. Dass der ursprüngliche Plan vor allem von Deutschland und Frankreich mit geplanten Zuschüssen von 500 Milliarden Euro deutlich ambitionierter war, ist vor diesem Hintergrund von untergeordneter Bedeutung.

«Mit Blick auf die bisherige Geschichte ist der gesamte Unterstützungsbeitrag von 750 Milliarden beeindruckend hoch.»

Es musste mit Blick auf die unterschiedlichen Interessen der Länder und auf die bisherige Geschichte davon ausgegangen werden, dass dieser Vorschlag nicht Bestand haben wird. Mit Blick auf die bisherige Geschichte ist auch der gesamte Unterstützungsbeitrag von 750 Milliarden beeindruckend hoch, selbst wenn er jetzt mit 360 Milliarden zu rund der Hälfte aus Krediten besteht.

Dazu kommt neben dem Hilfspaket auch ein EU-Budget im Umfang von mehr als einer Billion Euro für die nächsten Jahre. Dass die EU-Länder damit insgesamt rund 1800 Milliarden Euro sprachen, um die Krise zu meistern und in die eigene Zukunft zu investieren, zeugt vom echten Willen aller, am gemeinsamen Projekt festzuhalten und etwas dafür zu tun.

Ist das der Durchbruch zu einer nachhaltigen Stabilisierung?

Nein. Trotz dem unter dem Strich beeindruckenden Beschluss, hat die Auseinandersetzung über das Paket neben den politischen auch die ökonomischen Gräben in Europa erneut verdeutlicht. Dass die Südländer einen Teil des Geldes erhalten, ohne es zurückzahlen zu müssen, liegt einzig am Coronavirus. Es wäre schwer zu argumentieren, dass die durch das Virus verursachte Krise auf eine Verschwendung zurückgeht.

Dennoch wollten eine Reihe der nördlichen Länder, konkret die Niederlande, Österreich, Schweden, Dänemark und Finnland, am liebsten nichts geben, was über Kredite hinausgeht, und sie haben sich damit durchgesetzt, zumindest eine Teilkontrolle über die Verwendung des Geldes zu bewahren.

Zum einen zeigt sich darin der alte Gegensatz zwischen dem Wunsch nach einer einheitlichen Wirtschaftszone mit eigener Währung auf der einen Seite und dem nach einer dennoch weiterbestehenden fiskalischen Unabhängigkeit der einzelnen Länder. Daran ändert auch das massiv aufgestockte EU-Budget nichts.

Zum anderen zeugt dieser Konflikt von der anhaltenden Fehlinterpretation der wirtschaftlichen Konflikte, die noch immer davon ausgeht, dass die Probleme des Euroraums einzig auf die Strukturschwäche der Südländer zurückgeht und auf deren steigende Verschuldung. Allein das Beispiel Italien hält dieser Analyse nicht stand.

Das Land hat ausser während der Finanzkrise in jedem Jahr seit 1992 bei den Staatsfinanzen einen Überschuss erzielt, wenn man die Zinskosten für die Verschuldung abzieht. Schon vor der Corona-Krise hielt sich die Eurozone insgesamt vor allem dank der unerschöpflichen Geldschöpfung der Europäischen Zentralbank und Exportüberschüssen mittlerweile selbst der einstigen Krisenländer über Wasser. Beides ist mittelfristig nicht nachhaltig.