Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Sanktionsinstrument verhindern
Ungarn und Polen stürzen die EU in eine ernste Krise

Polens Regierungschef Mateusz mit Ungarns Viktor Orban und dem tschechischen Premier Andrej Babis zu Besuch bei EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Dieser Streit geht an die Grundfeste der EU: Ungarn und Polen haben am Montag das Paket mit dem historischen Corona-Wiederaufbaufonds und den siebenjährigen EU-Haushalt blockiert. Die rechtsnationalen Regierungen in Budapest und Warschau wollen damit ein neues Sanktionsinstrument verhindern, mit dem den beiden Ländern bei Verstössen gegen Rechtsstaat EU-Gelder künftig gekürzt werden können.

Sollten Budapest und Warschau mit ihrer Vetodrohung Ernst machten, sei die EU «zurück in der Krise», hatte ein hochrangiger Diplomat am Morgen noch gewarnt. In Brüssel dominierte da noch die Zuversicht, dass Ungarn und Polen beim Treffen der EU-Botschafter zustimmen würden und die Drohung nur Bluff sei. Schliesslich gehören die beiden Länder selbst zu den grössten Nettoempfängern im Club und müssen nun womöglich selber länger auf die Gelder warten: Es geht um ein Paket von 1,8 Billionen Euro, das im Sommer unter dem Eindruck der ersten Welle der Corona-Pandemie in einem Kraftakt von den EU-Staaten geschnürt wurde. Teil des Pakets ist aber auch der neue sogenannte Rechtsstaatsmechanismus, mit dem die EU erstmals Gelder zurückhalten kann, wenn in einem Land die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr ist.

Tatsächlich dürfte das neue Instrument Ungarn und Polen als Erstes treffen. Den eigentlichen Rechtsstaatsmechanismus konnten Polen und Ungarn zwar nicht verhindern, hier reicht eine qualifizierte Mehrheit. Für den siebenjährigen EU-Haushalt und den Corona-Wiederaufbaufonds braucht es hingegen in separaten Abstimmungen Einstimmigkeit. Ungarns Justizministerin Judit Varga warf den europäischen Partnern Erpressung vor: «Wenn es um die Zukunft unserer Kinder und Enkel geht, schliessen Ungarn und die ungarischen Menschen keine Kompromisse.» Manchmal brauche es dafür einen «Freiheitskampf», manchmal reiche ein einfaches Veto. Für Polens Justizminister Zbigniew Ziobro geht es um die Frage, ob sein Land souveränes Mitglied der EU bleibe oder «der politischen und institutionalisierten Sklaverei unterworfen wird».

Protest der Nettozahler

Aber eigentlich sind es Ungarn und Polen, die ihre europäischen Partner in Geiselhaft nehmen. Länder wie Italien und Spanien warten auf die Gelder aus dem neuen Corona-Fonds, der Zuschüsse und Kredite in Höhe von 750 Milliarden Euro verteilen soll, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu mildern. Im Sommer war die Einigung auf den Fonds, für den die EU erstmals Schulden machen kann, als historisch gefeiert worden. Die Blockade dürfte nun den virtuellen EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend überschatten. Ob bis dahin verbale Abrüstung und eine Einigung gelingen, ist offen. Ziemlich ausgeschlossen ist, dass die EU auf den Rechtsstaatsmechanismus verzichtet oder diesen wieder aufweicht. Da würden die Nettozahler im Club und die Abgeordneten im EU-Parlament auf die Barrikaden gehen. Insbesondere Niederländer, Schweden und Dänen wollen nicht länger zusehen, wie die rechtsnationalen Regierungen in Budapest oder Warschau mit EU-Geldern den Rechtsstaat aushöhlen und ungestraft ihre Klientel bedienen. Im Streit um Solidarität und Rechtsstaatlichkeit steht die EU vor einer Zerreissprobe.