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Meinung

Analyse EU-Gelder für Polen und Ungarn
Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Ungarns Premierminister Viktor Orban zu Besuch bei Kommissionschefin Ursula von der Leyen. 
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Vielleicht ist ja bald Schluss mit dem Ärgernis, das Steuerzahler in vielen EU-Staaten zunehmend umtreibt. Länder wie Ungarn und Polen gehören zu den grössten Empfängern von europäischen Fördergeldern und machen gleichzeitig Schlagzeilen mit immer neuen Angriffen auf Rechtsstaat, Gewaltenteilung oder Medienfreiheit. Das EU-Parlament hat hier nun aus aktuellem Anlass einen sogenannten Rechtsstaatsmechanismus deutlich gestärkt. Die EU soll künftig Transferleistungen blockieren können, wenn in einem Mitgliedsstaat der Rechtsstaat gefährdet ist.

Der neue Mechanismus kommt gerade richtig, denn in Zukunft wird noch viel mehr Geld fliessen. Die EU verteilt in den nächsten sieben Jahren fast doppelt so viel Geld wie in der letzten Haushaltsperiode, nämlich 1,8 Billionen Euro, 750 Milliarden Euro davon über den Corona-Wiederaufbaufonds. Polen und Ungarn werden auch hier zu den grössten Empfängern gehören. Es drohen goldene Zeiten für Ungarns Viktor Orban, der bei lukrativen Infrastrukturprojekten gern seine eigene Klientel bedient.

Rechtsstaat ausgehöhlt

Wenn Richter in Ungarn oder Polen nicht mehr unabhängig sind, können sie auch Missbrauch von EU-Geldern und Korruption nicht mehr verfolgen. Rechtsstaatlichkeit ist ein abstrakter Begriff, solange sie garantiert ist. Für Bürger und Unternehmen geht es um Schutz vor Willkür, für die EU um ihr Fundament. Der Binnenmarkt funktioniert nur, wenn Richter überall gleich unabhängig Gesetze interpretieren dürfen. EU-Recht ist immer auch nationales Recht. Es kann nicht sein, dass Nettozahler in Schweden, den Niederlanden oder Deutschland Ungarns oder Polens Rechtsnationalisten dabei finanziell unterstützen, den Rechtsstaat auszuhöhlen und Minderheiten zu diskriminieren. Und wie soll die EU glaubwürdig Autokraten weltweit kritisieren, wenn sie autoritäre Entwicklungen in ihren eigenen Reihen nicht stoppen kann?

Die bisherigen Instrumente der EU haben sich als stumpf erwiesen, weil für die Aktivierung alle zustimmen müssten. Polen hätte also auch zustimmen müssen, dass Ungarn bestraft wird, und umgekehrt. Um Transferleistungen zu stoppen, reicht neu, dass eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsstaaten einverstanden ist. Ungarn und Polen haben theoretisch noch die Möglichkeit, nächste Woche in einer Schlussabstimmung das Paket mit Haushalt, Corona-Fonds und Rechtsstaatmechanismus zu blockieren. Entsprechende Drohungen dürften aber ein Bluff sein, weil die Regierungen in Budapest und Warschau dann ganz auf Gelder verzichten müssen, die sie dringend für ihre öffentlichen Investitionen brauchen.

Avantgarde Norwegen

Die Schweiz hätte übrigens zusammen mit Norwegen Avantgarde sein können, wenn Bern den Kohäsionsbeitrag wegen der verweigerten Börsenäquivalenz nicht generell blockiert hätte. Das EWR/Efta-Mitglied Norwegen zahlt kein Geld an Ungarn mehr, seitdem die Regierung in Budapest die Kontrolle über die Zuwendungen an regierungsunabhängige NGOs verlangt. Norwegen hält auch grössere Millionenbeträge aus seinem Kohäsionsfonds an Polen zurück, seitdem dort Richter auf Regierungslinie gebracht und Städte zu LGBT-freien Zonen erklärt werden. Wenn alles gut geht, wird auch die EU ab nächstem Jahr die Auszahlung von EU-Geldern an EU-Werte knüpfen können.