Kriegspropaganda in Russland Ein Schachgenie weibelt für Putins Krieg
Einst spielte er für die Ukraine, jetzt verbreitet der Grossmeister Sergei Karjakin russische Propaganda. Auch von einer Sperre lässt er sich nicht beeindrucken.
Das logische Denken ist eigentlich eine Stärke Sergei Karjakins. Der Russe ist einer der besten Schachspieler der vergangenen Jahre, in der Szene wird er für seinen pragmatischen und ruhigen Spielstil bewundert. 2016 kämpfte er gegen den Norweger Magnus Carlsen um den Weltmeistertitel. Mit der russischen Nationalmannschaft spielte er an diversen internationalen Turnieren.
Geht es aber um Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, stellt der 32-Jährige die Denkarbeit ein. «Ich stehe auf der Seite Russlands und meines Präsidenten. Egal, was passiert, ich werde mein Land in jeder Situation unterstützen, ohne eine Sekunde nachzudenken», schreibt er auf Twitter.
Dass Karjakin den russischen Präsidenten bewundert, ist schon länger bekannt. Nach der Krim-Annexion 2014 veröffentlichte er ein Bild von sich im Putin-T-Shirt. Sowohl mit dem Kremlchef als auch mit Verteidigungsminister Sergei Schoigu liess er sich fotografieren.
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Jetzt hat Putins Invasion dem Schachgrossmeister nochmals einen nationalistischen Schub gegeben. Seine Posts auf den sozialen Netzwerken Twitter und Telegram lesen sich, als seien sie aus dem Kreml geschrieben. Russland habe den Krieg nicht gestartet, es würde ihn stoppen, schreibt er. Auch teilt er Posts, die üble Propaganda und Verschwörungstheorien postulieren. In der Ukraine würden Biowaffen hergestellt, der Staat sei von Nazis gekapert, der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski ein Kriegsverbrecher, steht da.
Das wirkt besonders bizarr, weil Karjakin bis 2009 für die Ukraine spielte. Das Schachgenie kam in Simferopol auf die Welt, der Hauptstadt der Krim, wo er mit fünf Jahren das Schachspiel erlernte. Bereits mit zwölf Jahren wurde ihm der Grossmeistertitel verliehen, er galt fortan als das ultimative Wunderkind. In der Ukraine aber, so stellte es Karjakin dar, wurde er nicht ausreichend gefördert. So wechselte er mit 19 Jahren den Verband und trat fortan für die Schachnation Russland an, wo er seine glänzende Karriere fortsetzte.
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Doch jetzt erhält sein Lebenslauf einen Knick. Der Weltschachverband Fide hat Karjakin wegen seiner Kriegspropaganda für sechs Monate gesperrt. Somit fällt er auch für das Kandidatenturnier im Juni in Madrid aus, an dem der nächste Gegner von Weltmeister Magnus Carlsen ermittelt wird.
Das ist für Karjakin eine harte Strafe. Zwar hat der Weltschachverband die russischen und weissrussischen Nationalmannschaften von sämtlichen Turnieren ausgeschlossen, Einzelspieler hingegen dürfen an Wettkämpfen teilnehmen. In Madrid tritt denn auch Karjakins Landsmann Jan Nepomniatschi an. Dieser hat zusammen mit der grossen Mehrheit der russischen Topspielerinnen und -spieler Wladimir Putin Anfang März in einem offenen Brief dazu aufgefordert, den Krieg zu stoppen. Davon lässt sich Karjakin offensichtlich nicht beeindrucken. «Ich bereue nichts», schreibt er auf Telegram über seine politische Agitation.
Im Schachsport ist Karjakin für sein unerschütterliches Selbstvertrauen bekannt. Er versteht es, auch scheinbar hoffnungslos verlorene Stellungen noch zäh und kreativ zu verteidigen. Im realen Leben hat er sich jetzt in eine Position manövriert, aus der ein Ausweg kaum noch möglich erscheint.
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