Kommentar zu Kita-KreditenEin Armutszeugnis für die reiche Schweiz
Damit ein Kita-Platz das Familienbudget nicht sprengt, werden neuerdings Kleinkredite angeboten. Junge Eltern sollen sich verschulden, weil der Staat nicht zahlt.
Bei weitem nicht alle Eltern, die ihr Kind in die Krippe schicken möchten, können sich das auch leisten. Dazu sind in der Schweiz die Betreuungsplätze – sofern es sie überhaupt gibt – ganz einfach zu teuer. Häufig kostet ein Kita-Platz mehr, als der Elternteil mit der leichteren Lohntüte verdient. Meist ist es die Frau, die deswegen ihre Berufstätigkeit zumindest vorübergehend aufgibt. Darunter leidet nicht nur sie selbst, sondern auch die Wirtschaft, der die weiblichen Fachkräfte fehlen.
Aus diesem Missstand haben findige Jungunternehmer mit einer sozialen Ader ein Geschäftsmodell entwickelt. Sie organisieren Investoren und bieten den jungen Familien einen Kredit zu besonders günstigen Konditionen an. Mit dieser «familiengerechten Optimierung der Fremdbetreuungskosten» soll es sich für die Frau lohnen, im Berufsleben zu bleiben.
Die grosse Frage ist, ob sich die Eltern verschulden wollen.
Dahinter steckt die Idee, dass Betreuungskosten, die auf mehrere Jahre verteilt werden, leichter zu verkraften sind. Das stimmt zwar. Die grosse Frage ist allerdings, ob sich die jungen Eltern verschulden wollen. Denn spätestens wenn die Kinder im Kindergarten sind, müssen sie die Zeche bezahlen. Vielleicht konnten sie bis dahin ihre Karrieren vorantreiben, dann fällt es ihnen leichter.
Sicher ist das allerdings nicht. Vielleicht gab es aus anderen Gründen ein Karriereknick. Und selbst wenn nicht: Vielleicht ist die Familie in der Zwischenzeit so stark gewachsen, dass sie das zusätzliche Einkommen lieber in eine grössere Wohnung investieren möchte.
Unabhängig von diesen Fragen ist es stossend, dass ein solches Angebot überhaupt nötig ist. Den Anbietern der Kita-Kredite ist sehr wohl bewusst: Würde die öffentliche Hand ihre Verantwortung wahrnehmen, dann bräuchte es ihr Angebot nicht.
Doch anders als in anderen Ländern hält sich bei uns der Staat vornehm zurück. Die Finanzierung der Kinderbetreuung überlässt er weitgehend den Eltern – um den Preis, dass sie sich dafür verschulden müssen. Welch ein Armutszeugnis für die reiche Schweiz.
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