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Interview zu Kinderbetreuung
«Der wildwüchsige Kita-Markt überfordert die Eltern»

Grosser Preisunterschied: In Zürich beträgt der Maximaltarif für einen subventionierten Platz 120 Franken, im Wallis sind es teils für alle Eltern 42 Franken.
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Es hängt vom Wohnort ab, ob Eltern genügend Kitas oder Horte finden und ob die Betreuung ihrer Kinder qualitativ gut und bezahlbar ist: So lautet die Haupterkenntnis einer Studie des Forschungsbüros Infras im Auftrag der Eidgenössischen Kommission für Familienfragen (EKFF). Wegen der Chancengerechtigkeit brauche es eine Vereinheitlichung, sagt Geschäftsleiterin Nadine Hoch. 

Wo sind die Kitas am günstigsten, wo am teuersten?

Man kann die Tarife nicht miteinander vergleichen, weil die Bemessungsgrundlagen überall unterschiedlich sind. An einigen Orten wird das Vermögen zugerechnet, andernorts ist die Familiengrösse mitbestimmend. Es ist ein heterogener, wildwüchsiger Markt, der die Eltern bei der Auswahl überfordert. Bevor sie sich für eine Kita entscheiden, müssen sie in die tiefsten Gefilde der Berechnungen eintauchen, um herauszufinden, wie viel sie für die Betreuung ihrer Kinder zahlen müssten.

Wie steht es um die Qualität der Kinderbetreuung?

Das hängt von den Qualitätsvorgaben der Kantone ab. Einige Kantone sagen, es brauche eine ausgebildete Person pro 12 Kinder und zusätzlich eine Praktikantin. Andere sagen, es brauche in jedem Fall zwei ausgebildete Personen für weniger Kinder. Der Betreuungsschlüssel variiert sehr stark, die Anforderungen an das Personal ebenfalls. In der Westschweiz gibt es mehr ausgebildetes Personal, in der Deutschschweiz geht man immer noch davon aus, Kinder zu hüten, brauche man nicht zu lernen, das könne man einfach. Diese Grundhaltung zieht sich bis zu den gesetzlichen Grundlagen durch.

Sind die teureren Kitas und Horte auch besser?

Nicht unbedingt. Der Preis und die Qualität hängen von der Finanzierung ab. Sobald man mehr qualifiziertes Personal nimmt, wachsen die Kosten. Man kann nur sagen, dass besonders hohe Tarife in den Einrichtungen gezahlt werden, in die keine Subventionen fliessen.

«Für Gutverdienende ist der Einheitstarif super, weil sie relativ günstig wegkommen. Aber für Eltern, die wenig verdienen, ist das ein enorm hoher Tarif.»

Nennen Sie bitte ein paar Beispiele.

In Zürich beträgt der Maximaltarif für einen subventionierten Platz 120 Franken, während in Genf ein Kita-Tag gut verdienende Eltern bis zu 77 Franken kostet. Die Westschweizer Kantone Neuenburg, Genf und Waadt haben die tiefsten Tarife. In der Walliser Gemeinde Anniviers zahlen alle Eltern 42 Franken. Für Gutverdienende ist der Einheitstarif super, weil sie relativ günstig wegkommen. Aber für Eltern, die wenig verdienen, ist das ein enorm hoher Tarif.

Was empfiehlt Ihre Kommission?

Jene Kantone, die das bisher nicht getan haben, sollten sich an der Finanzierung beteiligen. In Bern und Basel etwa ist das schon der Fall. Der Kanton Zürich sagte bisher, Kinderbetreuung sei Sache der Gemeinden. Es gibt jetzt aber Vorstösse im Kantonsrat, das zu ändern. Das hängt mit der sogenannt neuen Anstossfinanzierung des Bundes zusammen, wonach Kantone Gelder vom Bund bekommen, wenn sie oder die Gemeinden Elterntarife höher subventionieren. Das hat einige Kantone bewogen, sich an der Finanzierung zu beteiligen.

Die Kommission empfiehlt auch, einen Rechtsanspruch auf Betreuung im Gesetz zu verankern, wie ihn Basel-Stadt schon kennt. Warum?

Wir haben im Ausland gesehen: Sobald Kinder ab einem Jahr oder ab 3 Jahren das Recht auf einen Betreuungsplatz bekommen, werden zusätzliche Plätze geschaffen. Das geht meistens mit einer Verbesserung des Angebots einher. Es ist wie früher mit den Schulen. In meiner Gemeinde war sie früher eine Aktiengesellschaft, später wurde sie zu einer staatlichen Einrichtung. Auch die Kindergärten waren private Angebote, bis man irgendwann merkte, dass sie in die Bildung integriert werden sollten.

Gibt es auch Unterschiede zwischen Stadt und Land?

Da die Vorgaben meistens kantonal sind, gibt es hier keinen Stadt-Land-Graben.

Was halten Sie von den Forderungen einzelner Kantone, Praktikantinnen in Kitas zu verbieten?

Wenn man das einfach so in den Raum stellt und nicht gleichzeitig die Subventionen erhöht, ist das ein Killer für den privatrechtlichen Betreiber einer Kinderbetreuungseinrichtung. Dann kann er gar nicht mehr kostendeckend arbeiten. In der Corona-Pandemie sah man, dass die Kitas sofort unterstützt werden mussten.

«Welche Betreuungsangebote gibt es, und wie sind sie subventioniert? Für Eltern, die ein modernes Familienleben wünschen, ist das die entscheidende Frage.»

Woran lag das?

Sie haben strenge Vorgaben bezüglich Eigenkapital und müssen oftmals, wenn sie einen Überschuss erwirtschaften, diesen dem Subventionierer zurückerstatten. Deshalb waren einige völlig aufgeschmissen, als die Eltern ihre Kinder nicht mehr brachten, weil es der Staat angeordnet hatte, und sie aber trotzdem laufende Kosten hatten. Man macht den Kitas Vorgaben, als ob es staatliche Betriebe wären, berücksichtigt aber zu wenig, dass es meist privatrechtliche Anbieter sind, die kostendeckend arbeiten müssen. Jedes Mal, wenn man neue Vorgaben macht, die den Betrieb verteuern, sollten Behörden und Politik schauen, wie diese Vorgaben finanziert werden. Damit die Eltern am Ende des Tages nicht noch mehr zahlen müssen.

Nennen Sie bitte ein Beispiel.

Das kann ich nicht, denn die Normalität ist in jedem Kanton eine andere, oftmals selbst in jeder Gemeinde und sogar in jeder Betreuungseinrichtung. Das ist das grosse Problem, das die Studie aufzeigt. Wenn ich nochmals jung wäre, Kinder hätte und weiter arbeiten möchte, würde ich meinen Wohnort nicht nur aufgrund der steuerlichen Aspekte auswählen, sondern ganz genau schauen: Welche Kinderbetreuungsangebote gibt es, und wie sind sie subventioniert? Für Eltern, die ein modernes Familienleben wünschen, ist das die entscheidende Frage.